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Varkala


Schmuddelkind

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"Allahu akbar", weckte mich die körnige Lautsprecherstimme vom Minarett der nahe gelegenen Moschee am nächsten Morgen. Selten hat sich Schlaf so gut angefühlt. Wie es meine Art ist, erkundete ich als erstes die Gegend. Die anderen beiden konnte ich dafür begeistern, mich zu begleiten. Durch einen engen, von Palmen gesäumten Pfad kamen wir in den Ort, von wo wir die Straße Richtung Strand entlang gingen. Auf dem Weg sprach mich der Stand eines Kokoshändlers an. Dieser steckte einen Strohhalm in die Nuss, gab sie uns zu trinken und schnitt sie anschließend in einige Stücke, die wir auf dem Weg verzehrten.

Die touristisch orientierte Strandpromenade, auf der sich zu unserer Rechten Restaurants, Bars, Internetcaés und Ayurveda-Massage-Praxen aneinander reihten, gewährte zu unserer Linken einen freien Blick auf den etwas unruhigen indischen Ozean. Über eine Treppe, die in die feuerrote Felsenwand geschlagen war, die von der Promenade abfiel, gelangten wir zum Strand. Obwohl Inder in aller Regel nicht öffentlich baden (oft gar nicht schwimmen können), waren einige indische Familien zwischen den Touristen zu finden, da sie aus der bereits morgens so drückenden Schwüle geflohen, ein Picknick an der frischen Meeresluft bevorzugten. Nachdem wir uns ein paar Minuten im Wasser abgekühlt hatten, zog ich mir den ersten und einzigen Sonnenbrand meines Lebens zu (nein, die Sonne über Indien ist gewiss nicht mit der italienischen Sonne vergleichbar).

Es zog uns nun zum Ortskern, wo Rikschas sich zwischen den Fußgängermassen hindurch drängten und den allgegenwärtigen rötlich-braunen Sand aufwirbelten. Varkala ist keine große Stadt. Der halbe Ort musste sich also auf den wenigen Sträßchen versammelt haben, die im Schatten bunter Wohnhäuser zu dem besandeten Platz vor dem Tempel zusammen trafen. Allerlei unterschiedliche Leute: unter den Bäumen auf dem Tempelplatz stand in seinem orangefarbenen Gewand ein Bettelmönch mit stoischer Ruhe, dem wir ein paar Rupien gaben. Exil-Tibeter gingen mit einer Kasse umher. Ein Sikh ging mit einem Moslem, ganz im Gespräch vertieft, so dass er beinahe mit einem Jungen zusammenstieß, der mit seinen Freunden Fangen spielte und daher aus einer kleinen Gasse zwischen zwei Häusern hervor huschte, in der sich ein Rinnsal gebildet hatte. Hier und da gab es Stände, um die herum, angelockt durch die Rufe der Händler, viele Passanten standen. Und ständig gingen Menschen in den Tempel ein und aus.

Wir befanden, dass es Zeit war, zu Mittag zu essen und betraten eines der älteren Wohnhäuser am Platz. Hinab in einen grauen Keller, vorbei an der Küche, die ungewöhnlich einsehbar war und in der in aller Geruhsamkeit gekocht wurde (wir gehörten zu den ersten Gästen des Tages), nahmen wir auf einer Terasse hinter dem Haus Platz. Von dort erstreckte sich ein etwas größeres, rechteckiges Wasserbecken, in welchem ein paar Frauen ihre Wäsche wuschen. Es waren keine Speisekarten zu finden. Stattdessen gab der Kellner uns zwei vegetarische Gerichte zur Auswahl. Mein Leibgericht war zum Glück darunter: Palak Paneer, also Spinat mit weichem Rahmkäse. Ein Wort zu indischem Essen: durch die reichhaltige Beimischung von Gewürzen ist es wirklich lecker (wohl das beste Essen, das ich kenne), aber auch sehr scharf. Zu jedem Gericht bekommt man so viel Reis und Fladenbrot wie man benötigt und in der Regel ist die Bedienung sehr aufmerksam und füllt ungefragt auf. Man isst, indem man ein Stück Brot mit der reinen, also rechten Hand (mit der linken sollte man das Essen gar nicht berühren, da diese zur Reinigung nach dem Toilettengang gebraucht wird) abreißt und damit Reis und Gemüse aufnimmt. Es gibt also kein Besteck.

Wir verbrachten noch ein paar Tage in Varkala, bevor wir weiter zogen. Vor allem zwei Dinge sind mir aus jenen Tagen in Erinnerung geblieben:
1. Ich habe die erste goldene Regel für Indien-Urlauber gelernt: Bestelle niemals in Indien eine Pizza! Die Freundin meiner Freundin hat es am doch recht touristisch ausgerichteten Strand-Restaurant ausprobiert und bekam ein Chapati (Fladenbrot) mit Ketchup.
2. Wir sind auf Elefanten am Strand entlang geritten. Die Elefantenhaut ist rau und mit borstigen Haaren gespickt, was besonders unangenehm ist, wenn man Sonnenbrand an den Beinen hat. Außerdem ist es eine äußerst wackelige Angelegenheit. Aber ein außergewöhnliches Erlebnis ist es allemal, zumal es uns vergönnt war, in der Ferne Delphine zu beobachten.

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