An die Wut
Wut, du hast dich angeschlichen,
forderst einen Lobgesang,
doch ich bin zu ausgeglichen,
spüre hierzu keinen Drang.
Wut, die mancher gern verwechselt
mit dem blinden Scheusal Hass -
bist, wenn man dir Worte drechselt,
leicht ein bodenloses Fass.
Wut, dein Wesen zu ergründen
und zu singen, wer du seist,
sollst du selbst den Funken zünden,
der mir neue Wege weist.
Wut, dich zünftig anzufachen,
dass sich ganz mein Geist befreit,
zieh ich aus des Brieffachs Rachen
einen frischen Mahnbescheid.
Wut, du lauerst allerorten,
hast es überall bequem,
öffnest und verriegelst Pforten.
Du bist Lösung und Problem.
Wut, du Kloß in meiner Kehle,
zäh und langsam steigst du auf,
willst Quartier in meiner Seele.
Lasse ich dir freien Lauf?
Wut, dein blendend weißes Glühen
löst mein starres Kettenhemd,
bringt Verborgenes zum Blühen -
und ich bin mir selber fremd.
Wut, du Ausgeburt des Hades,
strahlst du in der Finsternis
mir als Leitstern meines Pfades,
ist der Ausgang schon gewiss.
Wut, du willst die Feder knicken,
die ich spitzte - doch du darfst
dich ins eigne Sitzfleisch zwicken.
Bleib im Schatten, den du warfst!
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