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In der Kaffeebude


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Ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre, als ich auf die schnelle noch in den Computerladen musste und von einem Sommergewitter überrascht wurde. Kurz entschlossen bog ich in die Kaffeebude ab, um nicht bis auf die Unterwäsche durchnässt zu werden. Ich setzte mich an einen freien Tisch und blätterte kurz die Getränkekarte durch, obwohl ich bereits wusste, was ich bestellen wollte. Ich hörte dich nicht kommen und erschrak kurz, als du mich fragtest „Haben Sie schon etwas ausgewählt?“ Dieser melancholische Unterton in deiner Stimme drang tief in mich ein und als ich den Kopf hob, spürte ich die tiefe Traurigkeit in deinem Blick, während deine Lippen mir Freude vorspielten. Ich war fassungslos und sagte kurz und knapp „Eine Tasse Kaffee bitte.“ Du nicktest freundlich und verschwandst aus meinem Blickfeld. Verwirrt straffte ich mich „Ich habe gerade Kaffee bestellt? Ich mag doch gar keinen Kaffee!“

 

 

Gefühlte zwei Minuten später standst du wieder vor mir und stelltest mir eine Tasse schwarzen Kaffee auf den Tisch und fragtest mich mit diesem durchdringenden Unterton „Milch und Zucker?“ Ich riskierte einen Blick auf deine Hände, die vom Leben harter Arbeit gezeichnet, aber ihre Eleganz und Geschmeidigkeit durch intensive Pflege nicht verloren hatten. „Schmeckt er dann besser?“, fragte ich. Etwas verdutzt entgegnetest du “Die Frage werde ich Ihnen nicht objektiv beantworten können. Ich hole Ihnen etwas, dann können Sie es ausprobieren.“ Kurze Zeit später wurde ich mit allem versorgt und mir selbst überlassen. Während ich versuchte, dieser schwarzen Brühe einen akzeptablen Geschmack abzuringen, verfolgte ich dich aus den Augenwinkeln, wie du deinen Job ausübtest. Ich sog jedes deiner Worte in mich ein und ließ sie wirken. Die Atmosphäre deiner Stimme erstaunte mich und ich brauchte lange für den Kaffee, sehr lange. Endlich fertig, entschied ich mich nach der Rechnung zu fragen.

„Das macht dann drei Euro fünfzig.“ Ich legte dir fünf Euro in die Hand „Stimmt so!“ Sichtlich erstaunt verabschiedest du dich „Vielen Dank und Ihnen noch einen schönen Tag.“ Ich verließ die Kaffeebude, ging zu meinem Auto und fuhr nach Hause.

 

 

Erst dort wurde mir bewusst, dass ich doch eigentlich in den Computerladen wollte. Die Nacht tat ich kein Auge zu, immer und immer wieder hörte ich deine Stimme in meinem Kopf und dieser tieftraurige Blick durchdrang mich. Dein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber ich erinnerte mich an die kurze Berührung unserer Hände. Tage später bot sich eine neue Gelegenheit, in die Stadt zu fahren und den Computerkram zu beschaffen. Diesmal besorgte ich erst die Hardware und trank dann wieder einen Kaffee bei dir. Er war nicht besser als der erste, aber ich erlebte auch wieder diesen Zauber in deiner Stimme und dein tieftrauriger Blick berührte mich aufs Neue. Ich ließ mir wieder viel Zeit und spendierte das Trinkgeld in gleicher Höhe, bevor ich die Bude verließ. Von nun an musste ich regelmäßig in die Stadt und es häufte sich ein Stapel von Dingen an, die ich eigentlich gar nicht brauchte. Wir redeten kein Wort miteinander, aber mit der Zeit wurdest du mir immer vertrauter und eines Nachts erschein mir dein Gesicht in vollem Antlitz und ich wusste, es muss etwas passieren. Ich sehnte mich Tag für Tag mehr danach, deine Anwesenheit zu spüren, aber ich wagte es nie, das Wort an dich zu richten. Wochen vergingen und ich pflegte das Kaffee Ritual, wie es meine Zeit zuließ.

 

 

Doch dann wurde ich durch einen Unfall lange krank und konnte während der Genesungsphase nicht in die Stadt. Es war eine schwere Zeit und im Rückblick weiß ich nicht, was mich mehr grämte. Die langwierige Genesung oder dich nicht sehen zu können, wenn du auch jede Nacht im Gedanken bei mir warst. Ich fieberte dem Tag unseres Wiedersehens entgegen und als es endlich soweit war, freute ich mich wie ein kleines Kind auf die Bescherung. Ich betrat nach einem Medikamenten Einkauf die Kaffeebude und als ich dir „Guten Tag“ sagen wollte, warst du nicht da. Die Welt brach für mich kurz zusammen, ich bestellte mir einen Tee, den ich zügig aber ohne Hast zu mir nahm und ging wieder. Zu Hause angekommen lief ich unruhig den ganzen Abend auf und ab. Wo warst du? Ist dir etwas passiert? In der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, und die Sorge, dich vielleicht nie wieder sehen zu können, machte mich fix und fertig. Ich musste schnellstmöglich wieder in die Stadt und zumindest herausfinden, ob dein Fehlen keine ernsthaften Hintergründe hatte, oder deinen neuen Aufenthaltsort herausfinden.

 

 

Zwei Tage später war es endlich soweit. Ich bekam einen Parkplatz in der Nähe der Bude und betrat angespannt den Raum. Du drehtest dich um und als du mich erkanntest, lächelten deine Augen mich überraschend an „Hallo, da sind Sie ja wieder!“ Ich musste mich sammeln und war der Situation hilflos ausgeliefert.

„Ja, Hallo, ja, ja, da bin ich wieder.“, brachte ich es unsicher stammelnd und verlegen hervor, unterdessen bewegten sich meine Beine wie von selbst Richtung meines Stammplatzes. Dein Lächeln verschwand aus meinem Blickfeld, während ich langsam in mir unterging. Ich setzte mich an meinen Tisch und wartete nervös, bis du meine Bestellung aufnehmen kamst „ Eine Tasse Kaffee? Wie immer?“, fragtest du „Oder lieber eine Tasse Tee?“ Fragend schaute ich dich an.

„Sie mögen doch gar keinen Kaffee“, eröffnetest du “Sie müssten bei jedem Schluck einmal ihr Gesicht sehen! Außerdem hat meine Vertretung Sie verraten.“

Ich spürte Scham in mir aufsteigen und bevor ich etwas entgegnen konnte, sagtest du augenzwinkernd „Ich habe Sie auch vermisst, wollen wir vielleicht mal einen Kaffee zusammen trinken gehen?“

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