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(die Duduk ist ein Holzblasinstrument/armenisch/aus Aprikosenholz und hat einen oboenähnlichen Ton)

Ich sah in Goldgepränge mich und prächtig
gekleidet folgten mir wohl tausend Pilger
den Pfad bergan zur Ebne nah der Sonne.
Ein Blumenteppich dämpfte unsre Schritte,
und nur das Kufenknirschen eines Schlittens,
das Ächzen eingeschirrter Ochsen störten
die weihevolle Stille.

Vor einer Stunde war die Schlucht gequert,
die uns von jenem großen Steinbruch trennte,
dem wir, begleitet von Gesängen, mühsam
den Steinkoloss entrissen, um die Reihe
gewaltiger Menhire ganz zu schließen.
Nur hundert Schritte müssen wir noch gehen,
erreicht ist dann der heilge Platz.

Wir folgen gehorsam und murmeln nur leise Gebete.
Es möge der mächtige Stein, den wir mühsam gebrochen,
alsbald die bedächtig gewählte und sorgsam mit bunten,
geflochtenen Bändern bezeichnete Stelle erreichen.
Warum wir im oberen Drittel den Felsen durchbohrten,
verraten wir erst, wenn er neben den anderen steht
und selbst das Geheimnis enthüllt.


Vor Jahren begannen die Mütter und Väter des Volkes
auf Ratschluss der Weisen die kultige Stätte zu bauen.
Ein Kranich verriet uns , auf ruhigen Fittichen schwebend,
die heilige Stelle, an der majestätisch Menhire
die steinernen Häuser der Priester umgeben, geruhsam
der Aufgabe harrend, für ewig den Göttern zu Ehren
in sphärischen Klängen zu tönen.


Ich höhlte Aprikosenholz und schuf
damit zehn Ellen lange runde Röhren;
die steckten wir in jene schon gebohrten,
geheimnisvollen, spannenweiten Löcher.
Es galt nun auf den Abendwind zu warten,
der wispernd erst und dann in vollen Tönen
Choräle laut erklingen lässt.

Der Mond beschien die Gipfel hoher Berge,
ein leiser, wehmutsvoller Ton erklang,
es sangen laut bald alle Megalithen,
wir senkten unsre Häupter, knieten nieder
und lauschten diesen Himmelsmelodien.
Das künftge Leid der Hay erahnend klingt
in tausend Jahren noch die Duduk.


Diese teils durchlöcherten Megalithen befinden sich in der Nähe von Sisian - im Südosten Armeniens - sind ca. 7000 Jahre alt - bei Google sind Bilder unter "armenischer Steinkreis" zu finden. "Hay" ist die Selbstbezeichnung der Armenier, das Land heißt in der Landessprache Hayastan. Die "spannenweiten Löcher" sind noch nicht endgültig erklärt, aber meine Vermutung, dass sie für den Transport erforderlich waren, wurde von einer bedeutenden Wissenschaftlerin bestätigt. Die "steinernen Häuser", so erfuhr ich von ihr,
sind Steinkastengräber jener Zeit.

megalith bei sisian.jpg

Megalithen bei Sisian.jpg

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