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Die arme kleine Schnecke,

es kam mir seltsam vor,

wie sie dort an der Ecke

verloren stand und fror.

 

Sie schien schon lang zu stehen,

die Lippen waren blau,

ward nicht zu übersehen,

in diesem Morgengrau.

 

Ich konnt es nicht ertragen,

sie frierend dort zu sehn,

drum musste ich sie fragen,

was ist dir nur geschehn?


So früh schon auf den Beinen,
sag wanderst du jetzt aus?
Wo sind denn all die Deinen
und wo nur ist dein Haus?

 

Sie wirkte zunächst schüchtern,

noch nie hat wer gefragt,

sie wär auch nicht ganz nüchtern,

hat sie mir dann gesagt.

 

Mir darfst du's ruhig erzählen,

was dich so schwer bedrückt,

musst dich nicht länger quälen,

da hat sie abgenickt.

Mein Haus wurd zwangsversteigert,
die Miete war zu hoch,
hab Arbeit nie verweigert,
dann kam das Sommerloch.

 

Mit ihm den Job verloren,

ein neuer fand sich nicht,

dann stand ich unverfroren

mal eben vor Gericht.

 

Das Konto wurd gepfändet,

ging schnell und reibungslos,

die Existenz beendet,

schon war ich mittellos.


Ich bin nur eine Schnecke,
sehr emsig, aber lahm,
nun bleib ich auf der Strecke,
verzehre mich vor Gram.

Die arme kleine Schnecke,

sie sah so traurig aus,

stand einsam in der Ecke,

nicht weit von ihrem Haus.

 

Sie schien schon lang zu stehen,

die Lippen waren rot,

ward nicht zu übersehen,

sie tat's in ihrer Not.

 

Ich konnt es nicht ertragen,

sie traurig dort zu sehn,

drum musste ich sie fragen,

was ist dir nur geschehn?

 

So spät noch auf den Beinen,
wer kümmert sich um dich?
Da fing sie an zu weinen,
ich gehe auf den Strich.

 

Sie wirkte zunächst schüchtern,

noch nie hat wer gefragt,

sie wär auch nicht ganz nüchtern,

hat sie mir dann gesagt.

 

Mir darfst du's ruhig erzählen,

was dich so schwer bedrückt,

musst dich nicht länger quälen,

da hat sie abgenickt.
 

Mein Vater ist verstorben
und Mutter leidet sehr,
drum hab ich mich verdorben.
Das alles fällt mir schwer.

 

Ich nehme jetzt auch Drogen,
die betten mich zur Ruh'.
Zwar bin ich gut erzogen,
doch komm ich nicht dazu,

mein Leben zu verschönen,
es ist so ausweglos,
drum muss ich weiter stöhnen,
was soll's, ich bin schon groß.

 

Ich bin nur eine Schnecke,

wen intressiert das schon,

wenn ich hier halb verrecke,

dann ernte ich nur Hohn.

 

Die arme kleine Schnecke,

sie tut mir furchtbar leid,

aus irgendeinem Zwecke,

verbring ich mit ihr Zeit.

 

Ich kann es nicht ertragen,

sie leidend nur zu sehn,

drum will ich sie mal fragen,

wie soll es weitergehn?

 

Stets bist du auf den Beinen,

ruhst du denn niemals aus?

Sie tat es noch verneinen,

doch dann nahm sie Reißaus.

 

Ich sehe da Talente,

die schlummern unterm Schleim,

noch unberührt – al dente,

ersticken sie im Keim.

 

Wird sie es je entdecken,

was alles in ihr steckt?

Gehört sie zu den Schnecken,

die ewig unentdeckt?

 

Ich kann sie nicht mehr finden,

es scheint ihr gut zu gehn,

drum werd ich jetzt verschwinden.

Sag Tschüß, Auf Wiedersehn!
 

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Hallo Letreo,

 

eine tolle Idee, das sehr menschenähnliche Schicksal der Schnecke aufzuschreiben.

 

Zunächst dachte ich: oh je, so viele Strophen. Doch je weiter ich kam, umso fesselnder las ich über Schneckchens Ergehen und hoffe sehr, dass es ein gutes Ende/Zuhause gefunden hat.

 

Mich erinnert der Text ein wenig an ein Bänkellied.

 

Klasse geschrieben!

 

LG Sternwanderer

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Hallo Letreo,


dein Gedicht von der Schnecke gefällt mir sehr gut. 
Trotz der Überlänge deines Werkes bleibt die Lektüre kurzweilig.
Der gute Rhythmus und die passenden Reime machen das Lesen leicht.

vor 13 Stunden schrieb Letreo71:

Wird sie es je entdecken,

was alles in ihr steckt?

Das ist es, was ich der Schnecke wünsche: Sie soll auf sich vertrauen, ihre Talente entdecken - und nutzen.

Letreo, ich habe dein Gedicht gern gelesen.

vor 13 Stunden schrieb Letreo71:

Sag Tschüß, Auf Wiedersehn!

LG, Berthold 

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Liebe Letreo,

 

das ist sehr rührend.. ich glaube, noch nie hat ein Mensch ein solche inniges Gespräch über die Nöte einer Schnecke verdichtet!

Auch wenn ich mich die ganze Zeit fragte, welche "Beine" gemmeint sein könnten :gruebeln_yellow:

Eine Schnecke die ihr Haus verloren hat, von der Welt an den Rand gedrängt wurden weil ihr Tempo der Schnelllebigkeit nicht passt. Eine Parodie unserer Zeit. Dabei sieht eine Schnecke weit mehr vom Weg.. und kann mehr davon erzählen. Aber wer hat noch ein Ohr dafür? Nun, du hast es ihr und uns geboten.

 

vor 14 Stunden schrieb Letreo71:

Mein Haus wurd zwangsversteigert,
die Miete war zu hoch,
hab Arbeit nie verweigert,
dann kam das Sommerloch.

Den Reim von "hoch" und "Sommerloch" finde ich wegen der unterschiedlichen Betonung suboptimal. Vielleicht könnte man ein wenig ergänzen?

Mein Haus wurd zwangsversteigert

die Miete war zu hoch und doch

hab Arbeit nie verweigert

dann kam auch noch das Sommerloch

Als kleine Idee. Ansonsten tut auch diese Kleinigkeit deinem ansonsten wunderbaren Werk keinen Abbruch!

 

Sehr gerne gelesen und mitgefühlt. Ich hoffe der Schnecke geht es gut.. vielleicht hat sie ja ein neues Haus gefunden.

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

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Liebe Sternwanderer,

 

es freut mich, dass du, trotz der Länge durchgehalten hast und Schneckchens Ergehen mitfühlend gelesen hast. Mich hat der Text, welchen ich ursprünglich für einen Poetry Slam geschrieben habe, inhaltlich sehr bewegt und aus irgend einem Grund, wollte er eben geschrieben werden.

Ich glaube, ich mag Bänkellieder.;-)

 

*****************************************************************************************************

 

Hallo Berthold,

 

danke auch an dein Durchhaltevermögen! Über deine lobendenden Worte habe ich mich  sehr gefreut. Ich wünsche der Schnecke ebenso nur das Allerbeste!

 

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Liebe Lichtsammlerin,

 

danke, dass du dich so gut in das Schicksal der armen kleinen Schnecke, mit Beinen im übertragenen Sinne, einfühlen kannst. Ja, die Geschichte ist sehr bewegend. Der Reim hoch/ Sommerloch ist vielleicht nicht sehr glücklich gewählt, aber so streng bin ich nicht mit mir.

Ich wurde an mein Gedicht erinnert, als dieses süße Wesen (s.Foto) meinen Weg kreuzte. Schade, klappt nicht. War eine schneeweiße Schnecke.;-)

 

Lieben Gruß, euch dreien Letreo

 

****************************************************************************************************

 

An Lotte, Josina, Freiform, Gina, Rhoberta, Carry, Skalde und alterwein,

ein liebes Dankeschön fürs Lesen und Liken!

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  • 2 Monate später...

Hallo Letreo71!

 

Ein berührendes Thema, dass du hier in einem mit Taktgefühl ummantelten Gedicht präsentierst. 

Du hast sehr gut beschrieben wie schnell man selbst in der heutigen Zeit abrutschen kann und in eine 

Welt gelangt , die einem früher wohl bekannt war, sich selbst aber dort niemals vorstellen hätte können. 

 

Ein ernstes Thema , bravurös in Szene gesetzt. 

 

Mit behutsamen Grüßen, Behutsalem

 

 

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Hallo Behutsalem,

 

es freut mich sehr, dass du diesen Text noch einmal hochgeholt, bzw. aufgeschnappt hast.;-) Ja, das Thema hat mich längere Zeit beschäftigt. Wie schnell das in der heutigen Zeit gehen kann, dass man plötzlich in eine ganz andere Welt abrutscht.

 

Danke für deinen lobenden Kommentar!

 

Lieben Nachtgruß, Letreo

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Liebe @Letreo71 - ein unglaublich schönes und dem Leben von dir auf besondere Weise nachgefragten Schicksals dargebrachtes Gedicht. Die Länge habe ich nicht gemerkt,  weil deine wunderbare Schreibweise kein Nachdenken darüber zulässt.  Ich  ziehe den imaginären Hut vor dir. Und der Schnecke. 

Danke.  

LG Sonja 

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Lieber gummibaum,

 

danke für deinen mitfühlenden Kommentar.;-)

 

Liebe Sonja,

 

vielen Dank für die lobenden Worte und das Hutziehen, auch von der Schnecke.;-)

 

Lieber Nöck,

 

vielen Dank fürs Mitfühlen.

Mich überkommt meistens ein Gefühl der Beklemmtheit, wenn ich an Obdachlosen vorbeigehe.

 

Euch dreien liebe Grüße, Letreo

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