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Sie liegt wach nur seinetwegen,  

                                   Er liegt wach im Nebenzimmer,

während sie in Bildern denkt,      

                           träumt davon, bei ihr zu sein

ihren Ring nun abzulegen,

ganz vertieft im Mondesschimmer -

der die Seele ihr verengt.

nichts als leerer Widerschein!

 

Leise prasselt schon der Regen,

Und er träumt von ihr noch immer,

als der Mond im Blattwerk hängt

bildet sich ihr Träumen ein,

und sie ihm der Tür entgegen

fast als leuchte Hoffnungsglimmer

nichts als ihre Hoffnung schenkt.

zaghaft durch die Tür herein.

 

Schließlich streift sie sanft die Wand.

Scheinbar wie vom Mond gebannt,

Seine Hand ist fast zu spüren.

lässt er seine Finger führen

Beinah trotzt sie kühn dem Raum.

hin zur Wand; sie trennt schon kaum.

 

So als würden Hand an Hand
endlich beide sich berühren.
Dennoch bleibt es nur ein Traum.

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liebes schmuddelkind,

 

ich kann gar nicht nachvollziehen, wieso dieses wundervolle gedicht noch keinen kommentar bekommen hat. na, dann mache ich jetzt einfach mal den anfang. :classic_smile:

 

du hast das gedicht in zwei zunächst unvollständigen sonetten geschrieben, die sich auch rein optisch gegenüber stehen und die sichtweisen von *ihr* und *ihm* verdeutlichen. *sie* und *er* in zwei zimmern, räumlich getrennt durch eine wand. und so räumlich sind auch deine sonettverse voneinander getrennt. da sind sie nun also, die beiden liebenden in den getrennten zimmern und erinnern an die königskinder, die nicht zueinander fanden. beide sehnen sich nach dem anderen, beide liegen wach und hängen ihren gedanken an den anderen nach. jetzt passiert etwas sehr schönes in deinem gedicht: du stellst nicht zwei völlig verschiedene sichtweisen gegenüber, sondern lässt die verse jeweils die situation des gegenüberliegenden verspartners und LIs aufgreifen. so kommt es, dass *sie* ihm der tür entgegen hoffnung schenkt und *er* daraufhin diesen hoffnungsschimmer an seiner tür fast sehen kann. das ist eine so schöne idee, dass ich ins schwärmen geraten könnte. :biggrin:

 

die getrennten sonette vereinen sich schließlich in einer gemeinsamen schlussstrophe, als sich auch die beiden protagonisten gedanklich oder doch zumindest im traum vereinen. man sagt ja immer, dass die form den inhalt spiegeln oder doch zumindest ergänzen soll, hier korrelieren form und inhalt perfekt miteinander. besonders berührt mich der moment, in dem beide ihre hand an die wand legen und sich fast zu spüren glauben, fast schon die physische barierre rein aus liebe überwinden. ach! 

 

eine winzige kleinigkeit stört mich am gesamtwerk: der leise prasselnde regen. prasseln und leise passt für mich nicht ganz zusammen. vielleicht magst du da noch ein zärtlicheres wort für den leisen regen finden.

 

sehr gern gelesen und hineingefühlt! :grin:

 

lg

sofakatze

 

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Liebe sofakatze,

 

vielen lieben Dank für deine kohärenten und tiefschürfenden Gedanken zu meinem Gedicht. Da ist wirklich weit mehr drin, als ich von einem Kommentar erhoffen kann. Wow!:scared:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

ich kann gar nicht nachvollziehen, wieso dieses wundervolle gedicht noch keinen kommentar bekommen hat.

Naja, es sieht ja auch auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich und experimentell aus. Das mag abschrecken, obwohl es ja auf die klassische Form schlechthin baut. Ach, ich kann mich generell nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen, erst recht nicht nach deinem wundervollen Kommentar.:grin:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

*sie* und *er* in zwei zimmern, räumlich getrennt durch eine wand. und so räumlich sind auch deine sonettverse voneinander getrennt.

Ja, die räumliche Aufteilung des Gedichts in ein linkes und ein rechtes Sonett soll die räumliche Trennung der beiden Liebenden verdeutlichen. Ein wenig hatte ich dabei wohl auch Pyramus und Thisbe im Sinn. V.a. aber war es eine Gelegenheit, mal mit der Sonett-Form zu spielen. Die formale Spielerei ist es wohl in erster Linie, die das Gedicht ausmacht.

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

du stellst nicht zwei völlig verschiedene sichtweisen gegenüber, sondern lässt die verse jeweils die situation des gegenüberliegenden verspartners und LIs aufgreifen.

Oh, ich bin wirklich hin und weg, dass du das bemerkt hast. Ich fand es reizvoll, die Liebe so zu beschreiben, dass sie gewissermaßen über die räumliche Trennung hinweg transzendiert, dass Liebende in ihrer Gedanken Gleichklang finden, selbst wenn sie physisch nicht zueinander finden. Danke, dass du das so treffen herausgestellt hast!:blume:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

so kommt es, dass *sie* ihm der tür entgegen hoffnung schenkt und *er* daraufhin diesen hoffnungsschimmer an seiner tür fast sehen kann. das ist eine so schöne idee, dass ich ins schwärmen geraten könnte.

Könnte! Schwärmen sollte man nur im Konjunktiv.:wink:

Manchmal ist es ja so, dass man die Hoffnung des Anderen in sich spürt, bis in einem selbst Hoffnung aufkommt. Durch die Erzählperspektive in der dritten Person konnte ich diesen Vorgang begreifbar machen. Dennoch bleibt bei beiden diese Hoffnung am Ende ja unerfüllt, weil sie einander eben doch nicht berühren - nur fast. Wobei ich mich frage, was schlimmer ist: Sich nicht zu berühren oder sich fast zu berühren?

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

die getrennten sonette vereinen sich schließlich in einer gemeinsamen schlussstrophe, als sich auch die beiden protagonisten gedanklich oder doch zumindest im traum vereinen.

Gut Beobachtet! Dadurch, dass beide Sonette in dasselbe Terzett münden, wären beide ohne diese gemeinsame Strophe unvollständig, wie sich ja auch die Liebenden ohne die Berührung des anderen unvollständig fühlen, trotz der gedanklichen und emotionalen Konsonanz. Ach Mensch! Es macht echt Spaß, meine Gedichte mit dir durchzugehen. Da lese ich ja meine eigenen Gedichte sogar gerne.:wink:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

man sagt ja immer, dass die form den inhalt spiegeln oder doch zumindest ergänzen soll, hier korrelieren form und inhalt perfekt miteinander.

Danke! Ich hatte gehofft, das zu erreichen und bin froh, dass zumindest du es so sehen kannst.:classic_smile:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

besonders berührt mich der moment, in dem beide ihre hand an die wand legen und sich fast zu spüren glauben, fast schon die physische barierre rein aus liebe überwinden. ach! 

Dieses Bild hat mich ebenfalls schon berührt, bevor ich es verschriftlicht habe. Dieses Gefühl, einander ganz nah zu sein, fast zu glauben, man könne sich berühren. Aber eben nur fast! Fast ist hier das schlimmste Wort, glaube ich (um meine Frage von vorhin nun zu beantworten, nachdem ich drei Absätze Zeit hatte, darüber nachzudenken).:sad:

 

Am 15.5.2020 um 17:57 schrieb sofakatze:

eine winzige kleinigkeit stört mich am gesamtwerk: der leise prasselnde regen. prasseln und leise passt für mich nicht ganz zusammen. vielleicht magst du da noch ein zärtlicheres wort für den leisen regen finden.

Du hast recht. Das muss ich ändern. Passt "plätschern" besser? Oder geht plätschern auch eher laut? Was gibt es denn noch für Verben, die den Regen beschreiben können?:gruebeln_yellow:

 

Vielen Dank noch einmal für die Mühe, die du dir gemacht hast, mit deiner ausführlichen Analyse. Habe oft das Gefühl, meine Gedichte besser zu verstehen, wenn ich deine Kommentare lese.:thumbsup:

 

LG

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