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  • 2 Wochen später...

liebes schmuddelkind,

 

politische gedichte sind schwer zu schreiben, zumindest für mich. ich habe nur ganz wenige im repertoire, obwohl ich sicher mehr zu sagen hätte. aber trotz dieser themen einen lyrischen ton zu treffen, ist nicht leicht und so scheue ich oft vor der herausforderung zurück.

 

wie man ein politisches gedicht lyrisch schreibt, zeigst du mir hier in deinem gelungenen gedicht. schon die ersten beiden verse lassen mir bilder im kopf von wehenden flammenfahnen entstehen, die löcher in die südstaatenflagge brennen, bis sie völlig verschwunden ist. ich sehe aber nicht nur die südstaatenflagge brennen, sondern auch das sternenbanner, weil darunter ja ebenfalls rassismus weiterschwelen konnte. die glut im letzten vers bezieht sich dann auf die unzufriedenheit der schwarzen, die nun hochkocht und überschäumt, ohne das du weiter ins detail gehen musst, um das zu verdeutlichen.

 

auch die zweite strophe ist gelungen. die *ältren farben* umfassen das sternenbanner und die verschiedenen hautfarben, aber bestimmt auch einfach die grundeinstellung vieler menschen, abzulehnen, was sie nicht kennen, besonders wenn es andere kulturen und menschen aus diesen anderen kulturen betrifft.

 

eine mahnung, sich der wurzel des übels anzunehmen und nicht nur die symptome zu bekämpfen. klasse gemacht und sehr gern gelesen!

 

lg

sofakatze

 

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Liebes Schmuddelkind,

was wäre einem so klugen Kommentar noch hinzu zu fügen?

Vielleicht ein Hinlenken auf den Schlussvers: "in noch ältren Farben hassen." Die Vielen, die es da noch gibt, die solches tun sollten uns immer als Bedrohung präsent sein. Es gilt, noch so einige Fahnen zu verbrennen.

Liebe Grüße,

Hayk

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Vielen lieben Dank, ihr beiden!:smile:

 

Eure tiefen Blicke in das Gedicht und die ihm zugrundeliegenden politischen Verhältnisse bestärken mich in der Ansicht, es sei richtig gewesen, dieses Gedicht zu schreiben.

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

politische gedichte sind schwer zu schreiben, zumindest für mich. ich habe nur ganz wenige im repertoire, obwohl ich sicher mehr zu sagen hätte. aber trotz dieser themen einen lyrischen ton zu treffen, ist nicht leicht und so scheue ich oft vor der herausforderung zurück.

Diese wenigen Gedichte würde ich aber auch gerne mal sehen. Aber du hast recht: Politische Gedichte sind wirklich eine enorme Herausforderung, weil es leicht ist, einen von zwei Fehlern zu begehen - entweder zu sehr zu analysieren, sodass das Poetische verloren geht oder sich zu sehr in Metaphern zu verlieren, sodass die politische Botschaft unklar wird. Deswegen habe ich auch nur sehr wenige (und zumeist sehr schlechte) politische Gedichte geschrieben. Umso bedeutsamer ist für mich dann dein Lob zu diesem Gedicht, da mir augenscheinlich diese delikate Balance gelungen ist.:smile:

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

schon die ersten beiden verse lassen mir bilder im kopf von wehenden flammenfahnen entstehen, die löcher in die südstaatenflagge brennen, bis sie völlig verschwunden ist.

Ja, v.a. die Konföderationsflagge hatte ich vor Augen, als ich von jenen alten Fahnen sprach. Mir war es schon immer unbegreiflich, wie man diese Flagge noch hochhalten konnte, wenn man bedenkt, in welchem politischen Kontext sie entsand und was sie für viele Afroamerikaner symbolisiert. Oft wird ja die Verteidigung bemüht, die Südstaatenflagge stehe einfach für den Stolz auf die "besondere" Geschichte und Lebensweise des Südens. Aber worin gründet denn letztendlich diese Besonderheit? Es gibt keinen Bereich des kulturellen Lebens und politischen Diskurses in den Südstaaten, der nicht durch die Geschichte der Sklaverei geprägt ist. Dass nun Statuen der "Helden" rassistischer Unterdrückung niedergerissen werden, halte ich für längst überflüssig und vermutlich brauchte es hierzu diesen Wutstau. Da sind mir die fragwürdigen nostalgischen Gefühle derjenigen egal, die diese Statuen weiterhin stehen lassen wollen.

 

Interessanterweise schwappt diese Debatte (wenn auch in etwas künstlicherer Form) nach Deutschland über. Da gibt es jetzt ja auch Diskussionen, ob denn z.B. Kant-Statuen abgebaut werden sollten. Ich hatte solche Debatten schon vor längerer Zeit vorhergesagt für den Fall, dass wir mal einen Anlass zu einer solchen Debatte haben. Ich finde zwar, dass die Sache mit Kant nochmal was anderes ist (denn diese Statuen stehen ja nicht für den Rassismus Kants, sondern für den Geist der Aufklärung), aber irgendwie zeigt es ja - egal welche Position man einnimmt, dass es vielleicht generell gar keine so gute Idee ist, eine Statue von einer Person zu machen oder überhaupt eine Person zu idealisieren, zu einem Vorbild und Idol zu erklären - egal um welche Person es sich handelt. Denn Menschen machen Fehler und ihr Handeln ist immer nur vor dem Hintergrund ihrer Zeit begreiflich.

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

ich sehe aber nicht nur die südstaatenflagge brennen, sondern auch das sternenbanner, weil darunter ja ebenfalls rassismus weiterschwelen konnte.

Das hatte ich zwar selbst nicht so ganz im Blick in dem Vers, wohl aber im späteren Verlauf des Gedichts, wie du ja auch herausgestellt hast. Aber klar: Der Rassismus wird ja nicht nur unter dem Banner der Südstaaten betrieben, sondern (wie nicht nur recht aktuelle Beispiele zeigen) sehr wohl auch im Zeichen des Sternenbanners.

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

die glut im letzten vers bezieht sich dann auf die unzufriedenheit der schwarzen, die nun hochkocht und überschäumt, ohne das du weiter ins detail gehen musst, um das zu verdeutlichen.

Ja, dies ist wohl einigermaßen aus der Aktualität der Ereignisse verständnlich. Das ist übrigens aber generell eine Schwäche politischer Gedichte (selbst wenn sie sehr gut geschrieben sind), dass sie immer nur in einem ganz speziellen zeitlichen Zusammenhang verstanden und wirklich nachempfunden werden können.

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

die *ältren farben* umfassen das sternenbanner und die verschiedenen hautfarben, aber bestimmt auch einfach die grundeinstellung vieler menschen, abzulehnen, was sie nicht kennen, besonders wenn es andere kulturen und menschen aus diesen anderen kulturen betrifft.

Das ist eine ganz scharfe Beobachtung von dir, für die ich besonders dankbar bin. Ja, hier wollte ich, v.a. durch das "noch" auf die Flagge der USA hinweisen, in deren Zeichen eben auch rassistisch motivierte Gewalt verübt wird. Der Fall "Floyd" ist ein recht aktuelles Beispiel dafür, aber eben auch leider kein Einzelfall. Auch wird struktureller Rassismus ganz gut verborgen, weil Vieles im Kontext "amerikanischer Werte" gedeutet wird. Das ist es, was ich generell an ideologischem Nationalismus gefärhlich finde, dass man den größten Unsinn rechtfertigen kann, wenn es einem höheren, sehr diffus gehaltenen nationalen Ziel dient.

 

Aber auch die Deutung, dass es sich bei den noch älteren Farben, um Hautfarben handelt, hatte ich von Anfang an im Sinn. Damit wollte ich wohl auch auf die Gefahr verweisen, wie man generell mit Unterscheidungen, mit den Worten "Wir" und "Ihr" Hass schüren kann. Und insofern hast du recht: Man ist oft verführt, abzulehnen, was man nicht kennt, insbesondere, wenn man vorab definiert, dass die "Fremden" nicht zur Wir-Gruppe gehören.

 

Am 26.6.2020 um 21:54 schrieb sofakatze:

eine mahnung, sich der wurzel des übels anzunehmen und nicht nur die symptome zu bekämpfen. klasse gemacht und sehr gern gelesen!

Dankeschön!:smile:

Aber: Diese Wurzel zu ziehen, kommt der Quadratur des Kreises gleich.:wink:

Insofern bin ich halbwegs pessimistisch, dass es da noch eine verständige Lösung geben kann. Es gab ja schon so viele Punkte, da man dachte: "So kann es ja nicht mehr weitergehen" und dann ging es so weiter. Wieder ein Grund mehr, gegen die Realität zu sein. :wink:

 

vor 14 Stunden schrieb Hayk:

"in noch ältren Farben hassen." Die Vielen, die es da noch gibt, die solches tun sollten uns immer als Bedrohung präsent sein.

Absolut. Danke für dein kluges und emotionales Schlusswort, lieber Hayk!:thumbup:

Geschichte wiederholt sich, wenn man nicht daraus lernt.

 

LG

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