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Älter werden, begleitet von Demenz


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Vergessenes hervorgeholt

im Jetzt der dunklen Nacht,

schon bald ist alles umgepolt

die Finsternis erwacht.

 

Getragen und geliebt zugleich,

was war, wird jetzt gesucht,

die Welt war so gedankenreich,

man fühlt sich fast verflucht.

 

Erinnerungen kommen

und gehen ohne Zeit,

Gefühltes ist verschwommen,

zurück bleibt nur das Leid.

 

Solange dieses Denken

beherrscht die Gegenwart

sind Gedanken noch zu lenken,

erlauben wohl einen Start.

 

Verwirrung ohne Frage

ist Schwermut und Verlust,

müde werden die Tage,

begleitet von viel Frust.

 

Man klammert sich an Worte,

an Gefühle, an Vertrauen,

geht durch die eine Pforte

verändert ist das Schauen.

 

Die Seele geht nach Hause

ins tiefe eigene Ich,

der Tag macht eine Pause,

im Kalender nur ein Strich.

 

Das Außen neigt sich nieder,

lässt keine Regung zu,

die Ziele werden bieder,

sie betten dich zur Ruh.

 

Reduziert aufs Menschenleben

ohne Anspruch auf ein Wollen

darf man nun Träume weben,

die der Seele Wegrecht zollen.

 

Befreit von Schmerz und Gram

zirkulieren die Gedanken,

vergessen ist die Scham,

man muss nicht mal mehr danken.

 

Die Welt hat sich verändert,

in die man sich begibt,

egal, ob man nun kentert,

gehasst oder geliebt.

 

Man geht den einen Weg,

den alle einmal gehen,

egal, wie lang der Steg,

du wirst das Ende sehen.

 

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Danke liebe @Gina für deinen Kommentar, der mir aus der Seele spricht. Ich bin tagtäglich (auf Besuch) im Altenheim und erlebe dieses leise "Gehen", ohne es steuern zu können.

Darum komme ich wieder auf den Augenblick zurück, der mehr wert ist, als wir uns vorstellen können.

Mit liebem Gruß

Sonja

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Hallo Sonja, 

 

ja das ist ein Thema das auch mich betroffen hat. Hab mich 2 Jahre lang um meinen Großvater gekümmert der in seinen letzten Jahren an Demenz erkrankt war. Es ist eine grausame Folter. Und manchmal eine extreme Belastung für alle beteiligten. Vor allem die Wesensänderung die diese Personen manchmal mitmachen. Ich hab meinen Opa in seinen letzten Jahren nicht mehr wiedererkannt. 

Mein Gedicht über Demenz handelt von einem alten nackten Mann der alleine und durstig in der Wüste umherirrt. Vielleicht werde ich es irgendwann hier veröffentlichen... hab ich aber nicht vor, ehrlich gesagt. 

Wie dem auch sei, deines hat mir gut gefallen. Eine Priese Hoffnung lese ich auch heraus, aus den letzten drei Abschnitten, auch wenn andere es vielleicht anders sehen. 

 

LG JC

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Hallo Sonja,

mir gefällt dein Gedicht.

Bei der ersten Lektüre weiß ich nicht genau, welches Fazit du damit anstrebst.

Wochen lang habe ich meine Todkranke Frau begleitet. Bis zum Schluss war sie ganz klar im Kopf.

Mit einer Ausnahme. Einmal, von jetzt auf gleich, erkannte sie mich nicht. Ein seltsames Lächeln stand auf ihrem Gesicht. Das dauerte ein paar. Stunden. Sie schlief irgendwann ein. Am nächsten Morgen war sie wieder da, konnte sich nicht an ihren Zustand erinnern.

Was ich sagen will ist Folgendes: Trotz der Schmerzen ihres Verlustes, ein Schmerz, den ich immer noch spüre, woran ich fast gestorben bin. Trotz alledem, das ist nicht das Schlimmste: Das Schlimmste waren jene Stunden, in denen sie mich nicht erkannte, die Stunden, in denen ich für sie nicht existierte.

Da habe ich zum ersten Mal verstanden, wie schlimm die Demenz sein kann für die Menschen, die eine Demenzkranke Person lieben.

Liebe Grüße

Carlos

 

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vor einer Stunde schrieb Joshua Coan:

Es ist eine grausame Folter. Und manchmal eine extreme Belastung für alle beteiligten.

Ja, liebe @Joshua Coan und ob wir wollen oder nicht,  werden wir alle irgendwann einmal damit konfrontiert. Im positivsten  Fall nur aus Erzählungen und Schilderungen von Betroffenen.  Wenn man dieser Krankheit begegnet,  wird man demütig und denkt über das Leben intensiver nach.  Und das ist mein Ansatz. Vielleicht mehr den Moment wahrzunehmen,  denn Gegenüber konkrete Aufmerksamkeit zu schenken, um keine Minute zu versäumen. Weil die Zeit ein Ablaufdatum für jeden von uns in sich trägt.  

Du weißt,  wovon ich spreche,  wenn du es bei deinem Großvater erleben musstest. Gut,  wenn du für ihn da warst.  

Ich sage immer, wenn jemand älter ist als ich,  dass er nur ein Stück des Weges vor mir ist.  Mehr nicht.  

Einen schönen guten Tag wünsche ich dir

Sonja

vor 46 Minuten schrieb Carlos:

Mit einer Ausnahme. Einmal, von jetzt auf gleich, erkannte sie mich nicht. Ein seltsames Lächeln stand auf ihrem Gesicht. Das dauerte ein paar. Stunden. Sie schlief irgendwann ein. Am nächsten Morgen war sie wieder da, konnte sich nicht an ihren Zustand erinnern.

Das glaube ich dir lieber  @Carlos, dass sich diese Momente für immer einprägen und eine Traurigkeit und Angst, es könnte so bleiben,  hinterlassen,  wie man es erst verstehen kann,  wenn man solch eine Situation direkt vor Augen hatte.  Geliebte Menschen diesen unbekannten Wegen ausgeliefert zu sehen und das innere Band trotzdem stark und fest in sich zu spüren,  verletzt bis tief in die Seele.  Ich erlebe dies täglich und seit Jahren mit einer Freundin. Seit 6 Jahren begleite ich ihren Krankheitszustand. 4 Jahre lang habe ich ihr täglich das Mittagessen gegeben.  Meine Familie hat das akzeptiert. Zum Glück.  Seit 4 Jahren kann meine Freundin nicht mehr sprechen, seit einem halben Jahr nur noch liegen und sich nicht mehr bewegen.  Ich suche in ihren Augen bei vielen Gesprächen Erinnerung und meine, sie hin und wieder auch zu finden.

Danke für deinen Kommentar und deine Öffnung,  aus deinem Leben zu erzählen.  Dieses Forum ist mehr als nur ein Poetenzuhause, es führt uns auch gedanklich sehr zusammen.  

Habe einen schönen unbeschwerten Tag,  der dir die Vergangenheit in ihrer schönsten Form gedanklich näherbringen möge.  

Sonja 

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Danke liebe Poetenfreunde, die ihr mir ein Like gegeben habt, ob mit "Herz", vorzugsweise ein "traurig". Freue mich über jedes einzelne sehr!

Es freut mich, wenn gerade so ein sensibles Thema auch Anklang findet, da es in ihrer Schwere erst angenommen werden darf. 

Mit liebem Gruß

Sonja

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