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Hallo Gänseblümchen,

dein Gedicht enthält so manches Rätsel. Wenn du gestattest, teile ich ein paar Gedanken dazu...

Zunächst schreibst du sehr selbstreflektiert. Es gibt das LI, das Leben, das Alter Ego. Vielleicht geht es aber noch um mehr - ungenannte, verletzte Gefühle, Sichweisen und Ausblicke.

vor 2 Stunden schrieb Gänseblümchen:

Gestern war ich die Person,

die ich werden wollte.

Zunächst habe ich an einen Widerspruch gedacht. Jemand will etwas werden, was er/sie nicht ist, und ist es zugleich aber doch. Höchst anspruchsvoll, aber auflösbar durch zwei verschiedene Vergangenheitsperspektiven - früher und ganz früher. Etwa, 'mein Traum war es, dass...' - '...und dann wurde er wahr...'. Es bleibt die Frage, ob es sich um eine geplante Verwirklichung handelt, als schicksalshafte Fügung gefühlt wurde, oder eine Sehnsucht aus der Sicht der Gegenwart.

Jetzt darüber zu schwadronieren, was der Unterschied sein mag zwischen "etwas werden wollen" und "etwas sein wollen" wäre an dieser Stelle aber etwas kleinlich. Trotzdem einen Gedanken wert.

vor 2 Stunden schrieb Gänseblümchen:

Heute bin ich,

was ich nicht sein sollte.

Auch diese Stelle enthält zwei Perspektiven, die sich erst mit dem letzten Wort "sollte" offenbaren. Bezogen auf den ersten Absatz erwartet man eine Fortsetzung dieses Eingekapselt-Seins in kreisenden Gedanken. Hier kommt aber eine Fremdbestimmung hinzu. Der Leser fragt sich, wer das denn sein soll, der bestimmt, was dein LI sein oder werden soll? OK, vielleicht wolltest du eine Wiederholung von "wollte" vermeiden, aber ich glaube, die Wortwahl ist, vielleicht nur unbewusst, nicht zufällig. Was es auch immer ist, für das LI scheint diese Macht überwältigend zu sein, wahrgenommen erst im Nachhinein durch Verlust.

vor 2 Stunden schrieb Gänseblümchen:

Morgen lauf ich meinen Leben nach,

welches bergab rollte.

Trotz dieses deprimierenden Abschlusses bleibt die Spannung bestehen. Auch hier existieren zwei Zeitperspektiven, ähnlich wie im ersten Absatz. Der Satz bezieht sich auf die Zukunft, aber auch auf eine weitere Zukunftsperspektive, die die erste in der Vergangenheit reflektiert ("rollte"=Vergangenheit). Es bleibt die Frage offen, was es bedeutet, einem Leben nachzulaufen. Ein Leben zu suchen beinhaltet ein Gefühl, aktuell nicht lebendig zu sein. Der (einzigen bekannten) Lebendigkeit nachzulaufen greift eine gewisse Alternativlosigkeit auf, die auf die Überwältigung des zweiten Absatzes zeigt, hält aber ganz deutlich an der anderen Gegenwarts-Perspektive fest, die - wörtlich - abwärts rollt.

Schön geschieben und perspektivisch interessant verdichtet. Gern gelesen und kommentiert.

Bis bald, VLG Peter

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