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Chaos

 

 

Also, so wie ich das sah, schrie er geradezu nach einer Schelle.

 

Er saß da auf der Mauer und rotze seinen dicken, gelben Schleim direkt vor meine Füße.

Seine Haut schien von einer seltenen Krankheit befallen. Viele Vertiefungen und Erhebungen. Eine Berg- und Talbahn mitten in seiner Visage.

Verquollen, verschroben und verstörend.

 

„Na du Sack!“ ,rief er mir freudig zu.

 

Ich sagte erst mal nichts. Mit meinem Scannerblick checkte ich die Umgebung, ob ein paar seiner Kumpels in der Nähe waren, um mir richtig was auf die Glocke zu geben.

Das Einzige, das mir sofort ins Auge fiel, war dieser abgefuckte Bauwagen. Irgendjemand hatte einen Schwanz mit riesigen Eiern drauf gemalt und sicher gedacht, das würde mich beeindrucken.

 

Tat es aber nicht.

 

Mein Ego war tausend mal größer, als diese Zeichnung oder der Witzbold auf der Mauer.

 

„Du machst hier ganz schön auf dicke Hose, Arschloch.“ ,entgegnete ich.

„Jeder, wie er kann.“ ,griente die nasse Hose.

„Heute schon auf die Fresse gekriegt?“ ,fragte ich so nebenbei.

„Nö.“ ,meinte er gelangweilt.

„Aber der Tag ist ja noch nicht zu Ende.“ ,stellte ich lapidar fest.

 

Er griente und verzog dabei sein Fischmaul zu einer Fratze. Sein Mund öffnete sich und sog reichlich Luft ein, um kräftig zu rülpsen.

 

„Hast du `ne Zippe?“ ,fragte er.

 

Ich warf ihm meine Lucky`s rüber und er fischte eine Zille aus der Packung und zündete sie mit seinem Sturmfeuerzeug an.

 

„Du bist in Ordnung. Neu zugezogen?“ ,stellte er eine neue Frage.

„Yep. Bin aber auf der Durchreise. Wenn ich 30 bin verzieh ich mich.

Los Angeles ist meine Stadt und nicht das Kaff hier.“

„Was hast du gegen Hamburg?“

„Zu eng. Zu viele Wichser und Arschlöcher.“

„Stimmt schon, was du sagst. Aber ich hab hier meine Gang. Ich kann nicht einfach gehen.“

„Man kann alles. Wie heißt deine Gang?“

„Hilltoppers.“

„Echt jetzt?“

„Ja.“

„Klingt wie eine Gesangstruppe der 70er Jahre. Aber irgendwie auch geil.“

 

Er sprang von der Mauer und stellte sich vor:

 

„George.“

„Echt jetzt?“

„Ja. Ich weiß klingt irgendwie nach einem Typen aus der Gesangstruppe der 70er.“

„Genau.“

 

Wir lachten. Jetzt bot er mir eine Zippe an. Marlboro.

 

„Der Geschmack der Freiheit. Ich heiße Hanniball.“ ,sagte ich.

„Echt jetzt?“ ,fragte George verdutzt.

„Scheiße nein. Meine Name ist James Cock.“

„Du weißt das Cock im englischen Schwanz bedeutet?“

„Genau deswegen habe ich ihn mir zugelegt.“

 

Wir lachten wieder.

 

Eine junge Frau, so um die 20 kam vorbei geschlendert. Jeans, schwarzes Shirt, Brüste, die nach draußen wollten. Heftiger Arsch. Genau meine Kragenweite.

 

„Hi.“ ,sagte ich.

 

Sie guckte mich von oben bis unten an und schnorrte eine Zippe bei George.

Dann lehnte sie sich lässig an die Mauer.

Sie hatte es drauf. Sie war cool. Wie ich schon sagte, genau meine Kragenweite.

 

Der Kran auf der Baustelle machte sich wieder an die Arbeit. Er riss einen Wohnblock ab. Ein Teddybär fiel aus dem 5. Stock und wurde unter dem Schutt begraben.

Es wurde höllisch laut. Meine Mum nahm mich manchmal mit zu ihren Baustellen.

Ein riesiger Spielplatz für einen 8 jährigen. Sie arbeitete dort als Assistentin für einen fetten Typen mit Glatze. Seine feisten Wangen und das Doppelkinn hingen immer über den zu engen Kragen. Das sah ekelhaft aus.

Eine große Staubwolke näherte sich unserem Dunstkreis und wir verzogen uns.

Wanderten durch die Straßen, warfen ein paar Fenster ein und traten ein paar geflügelte Ameisen tot.

 

So gesehen war der Tag schon mal erfolgreich.

 

Dieses blonde Gerät neben mir machte mich reichlich nervös. Immer, wenn sich die Gelegenheit ergab, starrte ich auf ihren üppigen Arsch.

 

Natürlich wusste sie, das ich auf sie abfuhr. Und sie wusste, das ich es wusste.

 

Geile Situation.

 

„Wie wär`s mit Billard?“ ,schoss ich so ins Blaue.

„Bock auf verlieren? Oder wieso schlägst du das vor?“ ,fragte sie.

„Hab schon mit Elvis in seinem Jungle Room gespielt.“ ,meinte ich so nebenbei.

„Elvis? Hast du noch mehr aus Omas Mottenkiste?“ ,setzte sie nach.

„Klar. Ich kann dir noch 20 Andere aus den 50ern nennen. Ist genau mein Ding.“

 

An der Wand hing ein Zigaretten Automat. George zog einen Schraubenzieher aus der Jackentasche und knackte das Ding.

Wir teilten die Kohle und die Zippen gerecht auf.

50% George und für uns je 25%. Logisch. Er hatte ja den Schraubenzieher.

 

Dann standen wir so rum und schauten uns die Penner mit den Anzügen und Krawatten an. Einer trug einen schwarzen Hut, den bewarfen wir mit Zigarettenschachteln und lachten uns schlapp, als er den Kopf einzog und sein

Hut in den Dreck fiel.

Das fand sie dann doch nicht so lustig und sie hob ihn auf, machte ihn sauber und entschuldigte sich.

 

„Blöde Schlampe!“ ,sagte er.

 

Woraufhin sie ihm eine Schelle auf den Hinterkopf gab und ihn anschrie:

 

„Verzieh dich du blödes Arschloch.“

 

Die war krass drauf. Bei der sollte ich meine Peitsche nicht vergessen, aber selbst das würde mich wohl nicht vor dem Untergang bewahren.

 

Scheiß egal. Ich wollte sie. Sie war genau die Art von Frau, vor der mich mein versoffener Dad immer gewarnt hatte. Sonntags nach dem Frühschoppen, wenn er angetrunken nach Hause kam, gabs immer mit dem Lederriemen. Wichser.

Ein paar Jahre später, als er es wieder versuchte, hab ich ihm mit der Faust direkt ins Gesicht geschlagen. Da hat er geheult, also hab ich ihm noch eine gegeben.

 

Dann bin ich abgehauen und hab ihn nie wieder gesehen. War kein Verlust, nur um meine Mum tat es mir leid.

 

Egal!

 

George, die Hammerbraut und ich gingen einfach weiter, bis eine Kneipe auftauchte:

 

ZUM GEIER

 

 

Davor standen Motorräder. Die geilsten Teile, die du dir vorstellen kannst.

Viel Chrom. Viel schwarzes Leder. Das war genau mein Ding.

Wenn ich mir meine Zukunft ausdachte, sah ich immer eine laaaaaaaaaaaaaange Straße in Amerika. Rechts und links Wüste. Route 66.

Ich saß auf einem Shopper und brauste über den Highway.

 

Meine Mum sagte dann immer:

 

„Deine Träume sind das Tor zu deinem Glück.

Geh einfach hindurch und mache sie wahr.“

 

Ihre Worte waren, wie eine Decke in die sie mich in einer kalten Nacht einhüllte.

 

Eine vergilbte, abgefuckte Gardine teilte das verdreckte Schaufenster der Kneipe in zwei Teile. Aus der geöffneten Tür dröhnte ein Song von Metallica.

Die Schallwellen brachen sich an den Maschinen. Sie knallten dagegen und blieben auf der Strecke. Irgend ein Biker würde kommen und sie in den Staub treten.

 

Es war ein ewiger Kreislauf. Die ganzen geilen Dinge stellten sich vor und im nächsten Augenblick, war es auch schon wieder vorbei.

 

Ich hatte noch nicht den Dreh gefunden, wie ich sie festhalten konnte.

 

Wir gingen rein und da saßen ein paar langhaarige Typen und tranken Bier.

Alle glotzten sofort mein Mädchen an. Heute würde es wohl noch ein paar gebrochene Nasen geben.

Ich bestellte das übliche:

 

Cognac.

Bier.

Sandwich.

 

Die Lady schoss natürlich quer und orderte einen Whisky für sich.

 

Klar sie wollte mich testen, aber darauf ließ ich mich nicht ein und trank ihren Cognac und drei weitere, bis es in der Kehle kribbelte.

So. Fertig.

 

Die Rocker lachten und soffen. Ihr Leben schien sich um zwei Dinge zu drehen:

 

Ficken oder gefickt werden.

 

So einem Typen konntest du nichts vormachen. Das führte unweigerlich zum Verlust der Schneidezähne oder des Augenlichts.

Denen konntest du nichts vorheulen oder an ihren guten Willen appellieren.

 

Die machten immer auf dicke Hose. Mussten sich immer beweisen. Die wollten einfach immer gewinnen.

 

Das fand ich gut. Ich war genau so.

 

Ein Knirps mit vernarbten Gesicht und Ohrmuscheln die mich an das Zelt meiner Großmutter erinnerten, zeigte mit dem Finger auf mich und fing an zu lachen.

Die schienen sich prächtig zu amüsieren

 

Nun ja, ich sah das als Aufforderung mal so richtig die Sau rauszulassen.

 

Als erstes drückte ich E 498 in der Musikbox. Peter Alexander mit dem Song:

 

Die kleine Kneipe.

 

Damit schoss ich den Vogel ab und war sofort bei der ganzen Truppe beliebt. Sie losten schon mal aus, wer mir als erstes was aufs Maul geben durfte.

 

Ein Wichser mit tierischen, schwarzen Koteletten glotzte mich die ganze Zeit mit hervorgetretenen, grünen Froschaugen an.

Sein Akne vernarbtes Gesicht stellte ich mir in einer Horrorshow auf dem Jahrmarkt vor.

Die kreischenden Mädchen. Die, vor Angst bibbernden, harten Kerle.

Die ganzen kleinen Pisser, die noch an Mamas Rockzipfel hingen.

 

„Ey, geile Koteletten.“ ,schrie ich zu ihm rüber und grinste ihn an.

 

Er warf seine leere Bierflasche nach mir und dann brach die Hölle los.

In dessen Verlauf schlug ich jemanden die Zähne aus und bekam selbst eine verpasst. Das führte zu einer heftig, blutenden Platzwunde auf der Stirn.

 

Stühle flogen durch die Luft und Glas zerbrach mit lautem Getöse.

Es war ein Riesenspaß.

Wir konnten fliehen und rannten die Straße runter. Dann die nächste hoch und versteckten uns hinter ein paar Mülltonnen.

Meine Lady kam ganz nah an mich ran.

 

„Du bist so ein Arsch.“ ,flüsterte sie mir ins Ohr.

„Sag mir nicht, was ich schon weiß.“ ,flüsterte ich zurück.

 

Sie schlug mir mit der Faust auf die Schulter und das hatte ganz schön Rumms. Mittlerweile hatte auch die Nacht zugeschlagen und zwar genau in die Fresse.

Es war dunkel. Kein Mond. Keine Sterne.

Nur die magere Straßenbeleuchtung und da hatten die Oberen der Stadt reichlich gespart.

Naja, ich hatte absolut Verständnis dafür. Irgendwie mussten sie ja die Nutten bezahlen.

 

Ein Waschbär kreuzte unseren Weg und schleppte eine tote Katze hinter sich her. Das war echt eklig, aber nicht so eklig, wie die Ratten die sich vor ein paar Tagen direkt vor meiner Haustür paarten. Ich dachte ich spinne. Alter! Kopulierende Ratten. So was hatte noch niemand gesehen und wollte auch niemand sehen. Scheiße. Das behielt ich am besten für mich.

 

Meine Lady meinte, wir müssten jetzt erst mal in den nächsten Club.

Ein bisschen abzappeln. Angestaute Energie loswerden.

 

Das war mir völlig unbekannt. Bei mir staute sich nichts an. Ich ließ immer alles gleich raus. Machte jemand einen Hammer Witz, lachte ich. Benahm sich jemand daneben, gab`s auf die Fresse. So einfach war das.

 

Trotzdem tat ich ihr natürlich den Gefallen.

 

Auf dem Weg dorthin machten wir an Hugo´s Fritten Bude halt und knallten uns Schaschlik zwischen die Kauleiste.

Da stand so ein Typ mit Bademantel und nuckelte an seinem schalen Bier.

Der sah verdammt traurig in seinen Badelatschen aus.

 

„Na. Alles klar, Alter?“ ,fragte ich ihn.

„Sicher.“

„Und wie läuft`s?“ ,löcherte ich ihn

„Die Welt steht am Abgrund.“

„Tut mir leid, Mann.“ ,sagte ich.

„Ich wach` jeden morgen auf und denk` sie is noch da. Dann werd` ich langsam nüchtern und mir wird klar, das sie jetzt in einer Urne auf dem Friedhof lebt.“

„Fuck.“ ,meinte George.

„Ja. Fuck.“ .stimmte der Mann ihm zu.

 

Lange standen wir da rum und sprachen nicht. Wir glotzten still in die Nacht und der Sekundenzeiger der speckigen Uhr bei Hugo blieb stehen.

 

„Komm Alter. Du musst mal was anderes sehen.“ ,sagte ich und packe ihn am Bademantel.

„Ne lass ma.“ ,meinte der Mann.

„Doch. Komm. Wir müssen los. Du auch.“ sprach meine Lady ganz ruhig zu ihm.

 

Und so setzten wir uns in Bewegung. Der Mann schlurfte mit seinen Schlappen neben uns und lutschte den Rest von seinem Bier aus der Pulle.

 

Der sah total müde aus, so als hätte er die letzten dreihundert Jahre auf einer Burg gelebt und Hühner gezüchtet.

Und, wie langsam der ging. Alter. Ich sah auf meine Uhr, um zu prüfen, ob sie schon rückwärts lief. Tat sie aber nicht. Zwanzig Schnecken überholten uns und riefen uns Schimpfwörter zu. Ich war kurz davor ihn über meine Schulter zu werfen, aber schließlich standen wir doch vor dem Club. Halleluja.

 

Zum Waschsalon!

 

 

Geiler Name. Sogar das Ausrufungszeichen gefiel mir. Überlegte, ob ich Schlappenheinrich samt Bademantel in den Trockner schieben sollte. Ließ es aber, weil ich befürchtete, das er total verfilzt wieder raus käme.

 

Wir schauten nach oben und das Gebäude nahm kein Ende. Es war riesig.

Ging über mehrere Stockwerke.

 

Im Erdgeschoß, Disco. Da hingen die ganzen Spacken ab.

 

Stock Reggae. 2. Stock Hardrock. 3. Stock Damenabteilung.

 

Im Keller gab es geheimnisvolle Räume voller Düsternis und Romantik.

Die Typen da, hatten alle schwarze Klamotten an und machten auf Dracula.

 

Im größten Raum, waberten Rauchschwaden von einer Nebelmaschine über den Boden. Fühlte mich, wie in > Fog – Nebel des Grauens < .

 

Die Deppen mit ihren Anzügen machten auf cool.

Natürlich, waren die sowas von uncool, das mir spei übel wurde.

Das konnte ich diesen ABC – Schützen nicht durch gehen lassen.

 

In der Mitte stand ein weißes Klavier.

 

Das sah Hammer aus.

 

Da saß ein dünner Kerl mit triefenden Augen dran. Den zog ich gleich mal vom Stuhl und haute in die Tasten. Kannte drei Akkorde und die ließ ich explodieren. Little Queenie von Jerry Lee Lewis war mein Song und das ließ ich die Ignoranten wissen.

 

Scheiße war ich gut. Zwischendurch kämmte ich meine blonde Tolle und stelle einen Fuß auf die blankpolierten Tasten.

Ich wackelte mit meinem Arsch und die Weiber flippten aus.

 

Ich schlug und trat und schrie. So wie es sich gehörte. Ließ die Sau so richtig raus.

Aus den Augenwinkeln sah ich das es meiner Lady gefiel. Sie lehnte entspannt im Türrahmen und drehte sich mit einer Hand eine Zippe und flippte sie elegant zwischen ihre roten, makellosen Lippen.

 

Boah. Die Braut, war ja so geil.

 

Als wir später am Tresen saßen und auf die Pool Miezen glotzten, drehte sie sich zu mir um und sagte ganz trocken:

 

„Du glaubst bestimmt, das du eine ganz heiße Nummer bist, aber wenn du bei mir punkten willst, musst du ganz andere Sachen am Start haben.“

 

Das ließ ich mal so wirken. Schaute mir die anderen Zappelhasen in dem Laden an und bestellte drei Wodka. Zwei für mich und einen für die Nieren.

Irgendjemand sagte mir mal, das Trinken lebensnotwendig sei.

Es lag aber durchaus im Bereich des Möglichen, das ich dies in einem anderen Zusammenhang gehört hatte.

 

Plötzlich spielte der Heini am DJ Pult Tush von ZZ Top. Geil.

 

Das war der Startschuss. Ich griff mir die Hand meiner Mörderbraut und zog sie mit nach draußen. Dort knackte ich den teuersten Schlitten der da so rum stand.

George, der gerade seine Hand unter dem Rock einer Braut hatte, verabschiedete sich auf die althergebrachte, indem er ihr seine Pranke auf den Hintern knallte und sprang auf den Rücksitz.

Ich hielt meiner Frau die Tür auf und schob den Bademantel, mit dem traurigen Typen drin, zu George.

 

Ich warf ein paar Zippen in die Runde und schon ging es ab zu Onkel Ivan.

 

Seine Bretterbude hieß:

 

Lummerland

 

 

Natürlich dachte ich sofort an Jim Knopf und die wilde 13 und diesen bescheuerten Lokomotivführer, dessen Name mir nicht einfiel.

Ich dachte auch an meine Mum und wie sehr sie mich geliebt hat.

 

Sie las mir immer diese Geschichte vor, wenn ich im Bett lag.

Ihre Stimme hatte diesen schönen Klang. Ganz hell. Wie Himmelsglocken. Sie trug ihre blonden, gewellten Haare offen. Engelshaar.

Ich mochte es, wenn sie mir zum Abschluss ihre kühle Hand auf die Wange legte und mich auf die Stirn küsste.

 

„Wir träumen heute Nacht von Gelegenheiten und das wir sie ergreifen.“

,sprach sie oft.

„Und von Amerika.“ ,fügte ich hinzu. Denn das war mein Abenteuerland.

„Ja, und Amerika. Das Land der freien Menschen.“ ,flüsterte sie leise.

 

 

d

 

 

Der grüne Schriftzug erschien und meine Füße stiegen auf die Bremse.

Wir wurden in die Gurte gepresst, wie zwei Astronauten beim Start.

Ich spürte, wie es sauer in meiner Kehle wurde, aber das gab sich wieder.

Ich hievte meinen Körper, als erster aus dem Sitz und öffnete ihr die Tür.

So, wie es sich gehörte.

Sie lächelte. Das erste Mal. Ich hatte alles richtig gemacht.

 

Da standen wir also. Bereit den nächsten Wahnsinn in uns aufzusaugen.

 

In dieser Szene Kneipe gab es die beknacktesten Leute.

Alter. Die hatten tatsächlich einen Türsteher. Einen Türken. Unrasiert.

Megalanger Schnurrbart. Brennende Augen.

In seinem Blick lag die Lust auf Ärger. Man sah das er seinen Job liebte.

Konnte nicht jeder von sich behaupten.

 

„Keule.“ ließ ich so beim vorbeigehen fallen.

„Halt die Fresse.“ ,sagte er nur.

„Mensch Ali. Kennst du mich nicht mehr?“

„James?“

„Ja, Alter.“

 

Wir umarmten uns und er schlug mir auf den Rücken, das ich dachte mein Kreuz würde brechen. Ich ließ mir natürlich nichts anmerken, denn ich war ja auch Macker. Genau, wie Ali.

 

„Wir sehen uns später. Müssen erst mal was trinken.“ ,erklärte ich.

„Klar Mann. Trinken is voll wichtig.“ ,sagte er und lachte.

„Genau, Alter.“ ,bestätigte ich ihm.

 

Der Wirt wog 160 Kilo und stank nach altem Fisch. Der Tresen klebte, denn obwohl ein dreckiges, rot-schwarz-gold gesteiftes Geschirrhandtuch auf seiner Schulter lag, hatte die Theke wohl seit der Jahrhundertwende keiner abgewischt.

 

Ich warf ihm ein paar Scheine rüber und er gab mir eine Flasche Wodka.

 

Seine Frau, die Gisela stakste auf ihren streichholzdünnen Beinen über den schmierigen Boden und quatschte jedem eine Frikadelle ans Knie.

 

Sie wäre unglücklich, weil ihr Goldfisch den grünen Star hätte, aber total happy, weil sie ihren Fingernagel, der ihr gestern abgebrochen war, wiedergefunden hätte.

 

Ich fragte mich nur, ob die Anstalt heute wieder Ausgang hatte, oder ob sie nach dem letzten Freigang einfach nicht wieder zurückgegangen ist.

Ihre Kinder, 18, 20, 24, waren dumm wie Brot.

Alle drei Jungs schoben einen Schwabbelbauch vor sich her.

 

Der Jüngste schien vor Fett zu triefen. Es hing an ihm herunter und führte ein Eigenleben. Es hob und senkte sich zu eigenartigen Formen. Skurril.

 

Damals. In meiner Kindheit, gab es vor den Gruselfilmen immer diese kleine Einleitung. Ein schauriges knarren. Fürchterliches, geheimnisvolles Geheul.

Eine Tür wurde geöffnet und ein unheimlicher Zwerg mit langen Armen und dicklichen Körper stand im Rahmen.

Dann diese dunkle, schauerliche Stimme:

 

„Monstren. Mumien. Mutationen.“

 

Der 18 jährige passte genau in dieses Schema er sah aus, wie ein Knoblauchbrot, das grad vom Grill kam. Seine kleinen Schweinsaugen waren gerötet und die Sonne hatte sich seine Haut vorgenommen und verbrutzelt. Sie flatterte im Wind und die kleinen Fetzen ließen sich leicht mit den Fingern lösen.

Damit verbrachte er einen Hauptteil des Abends.

Die abgerissenen Stückchen sammelte Zwergnase in einem kleinen, goldenen Kästchen. Da war extra ein kleine Schloss dran, damit ihm niemand seine tote Haut stahl.

 

Irgendjemand der ihn hasste, hatte ihm den Namen Hagen verpasst.

 

Sein 20 jähriger Bruder, Micky Maus, hatte einen nervösen Tick von seinem Ur Großvater, dem hundsgemeinen Frankie Underwood, geerbt. Alle paar Sekunden zuckte sein Kopf nach rechts und für einen Moment verwandelte sich sein Gesicht in eine verzerrte Fratze. Dann schüttelte er seinen ganzen Körper und lachte kurz und schrill auf.

 

Er, wiederum, sah aus, wie eine Kaffeebohne, die man mit kaltem Wasser abschreckte und dadurch ein paar Stellen abplatzten, die dann hell hervorschimmerten.

 

Ragnar und Micky hätten Zwillinge sein können, wenn sie nur nicht so verschiedenen gewesen wären.

 

Ragnar, der Odin Verschnitt legte seine Haarpracht in Locken. Wahrscheinlich, weil er dachte das die Bräute darauf abfuhren.

 

Jedem der dies vor, oder schon hinter sich hat, sei gesagt:

 

Ich kenne keine einzige Frau, die das geil findet. Im Gegenteil. Es ist der totale Abtörner und führt nur zu Enthaltsamkeit.

 

Ich wusste von Gisela, das die drei noch nie einer Puppe unter den Pullover gegriffen oder ihr Ding in etwas anderes, als einen Staubsauger gesteckt hatten.

 

Die drei Jungrauen machten immer total auf hektisch und führten sich auf, als würde ihnen der Laden schon gehören. Dabei war der total abgefuckt.

 

An den Wänden hingen Bilder von Wilhelm dem II. und Quasimodo, dem Glöckner von Notre Dame. Fragte mich, wann die Zigeunerin Esmeralda um die Ecke blinzelte und ihren Feuertanz vollführte.

 

Die Spinnweben unter der Decke waren vollbesetzt und an den abgeschrammelten Tischen riss man sich die Hände blutig.

 

Das Einzige, was mich in diese Spelunke führte, war diese geile Mucke.

Rock `n Roll vom Feinsten.

 

Ich fand`s großartig einfach dazusitzen, den Alkohol in mich hinein fließen zu lassen und dieses Gefühl der puren Lebensfreude zu genießen.

 

Scheiße, das ich das Rauchen aufgegeben hatte, doch ich genoss, perverserweise, den Kuss einer Frau die rauchte, aber nur, wenn ich schon ein paar intus hatte und der Glimmer in meinem Schädel seine Runden zog.

 

Als ich den Arm um meine Süße legen wollte, boxte sie mich wieder, aber gleichzeitig fasste sie mir an den Arsch und lachte laut auf. So, als hätte jemand einen Bombenwitz gemacht.

 

Wollte ihr direkt an die Wäsche. War mir egal wie viel Leute in den Rängen hockten. Einfach die Klamotten runter reißen und die erogenen Zonen checken.

 

Aber sie zierte sich, also stakste ich zur Musicbox und drückte E212

It`now or never von Elvis.

Fand den Song hammermäßig, deshalb nahm ich sie zärtlich in den Arm und drehte sie langsam über den versifften Boden direkt in die Südsee.

Spürte, wie so ein gelber Plastikmond in meinem Schädel aufging.

 

„Du gehörst zu mir.“ ,flüsterten meine Lippen in ihr Ohr.

Sie sagte gar nichts, aber lächelte zuckersüß. Mann, fühlte sich gut an.

Bekam direkt eine Gänsehaut, bis hoch zur Halskrause.

Das kribbelte richtig. So innendrin. Machte mich ganz brummkreiselig.

 

Plötzlich sprang Ragnar über den Tresen und zog dem Gast der einen weiten Trenchcoat trug, mit der Flasche eins über den Kopf. Oskar und Gisela zogen den Sack nach draußen und warfen ihn in den Rinnstein.

 

„Der zahlt immer mit `nem Hunderter. Das macht der nur, um gut vor den Frauen dazustehen. Nur Show. Und wir mögen hier keine Angeber.“

,meinte Gisela

 

Alles klar. Gut das ich meine Rechnung nicht bezahlen würde, denn ich war pleite.

 

Plötzlich ging die Tür auf und der Typ kam wieder rein, knallte einen Hunderter auf den Tresen und riss seinen Trenchcoat auf. Er zeigte allen, was er zu bieten hatte und lachte dabei total hysterisch.

 

Jetzt wurde es doch ein wenig spooky.

 

Wir verzogen uns und rauschten in dem geklauten Schlitten Richtung aufgehende Sonne. Der Wind zischte durch die geöffneten Fenster und zerzauste unsere Haare. Wir begannen zu lachen. Versuchten es genauso hysterisch wie Spannenlanger Hansel in seinem Trenchcoat hinzubekommen.

Aber nur Heinrich war in der Lage den Ton zu treffen und versank danachwieder in seiner Melancholie.

 

Mann. Wir kannten echt merkwürdige Leute.

 

Irgendwo hatten wir George verloren, dafür war Ali jetzt an Bord und der laberte die ganze Zeit von irgendeiner Tussi, die er in Sin City, vor drei Tagen, kennenlernte und die ihm jetzt nicht mehr aus dem Kopf ging.

 

„Ey. Die hat riesen Möpse, Alter. Macht Body Building. Auch Wettkämpfe und son Scheiß. Ich will die unbedingt flachlegen.“ ,redete er die ganze Zeit und assimäßig auf uns ein.

„Meine Frau ließ sich nie einfach so flachlegen. Die wollte es immer romantisch. Kerzenschein. Gutes Essen. Leise Musik. Richard Claydermann.“ ,nuschelte Schappenheinrich vor sich hin und zog einen silbernen Flachmann aus seinem Bademantel.

 

Dann fischte er die Knarre aus der Tasche. Eine Walther PPK. 9mm.

„Manchmal überlege ich, ob ich das Baby hier benutzen sollte. Einfach abdrücken und alles ist vorbei. Aber ich glaub der richtige Moment ist einfach noch nicht da.“ ,sinnierte Schlappe.

„Richtig Alter. Das ist noch nicht der Zeitpunkt. Wir wollen doch noch zu Helga.

Du weißt schon. Meine germanische Kriegerin.“ ,fing Ali an.

„Oh, sicher.“ ,sagte er völlig klar und steckte das Schießeisen wieder weg.

 

 

Pause

 

 

„Meinst du, wir finden George wieder?“ ,frage ich meine Lady.

„Der kommt schon klar.“ ,sagte sie. „Wo geht`s jetzt hin?“ ,fragte sie weiter.

„Westwärts.“ ,sprach ich und rauschte mit 180 über die Autobahn.

 

Direkt an der Ausfahrt saß ein Typ mit weißem Overall auf der Leitplanke und hielt ein Schild in der Hand.

 

 

Sin City

 

 

Da wir einen Platz frei hatten und ohne hin auf dem Weg zum Sündenpfuhl waren hielt ich an und lud ihn zu einem Höllenritt in die Unterwelt ein.

 

„Ich bin der Chicken Man.“ ,stellte er sich vor.

„Interessanter Name.“ ,sagte meine Lady

„Arbeite auf einer Hühnerfarm. 10.000 Stück. Brathähnchen.“ ,erzählte er.

„Lecker.“ ,sagte Ali. „Meine Tussie liebt Hähnchen.“

„Ich hasse sie. Ich hasse ihre Federn. Ihre Schnäbel und ihr Gehabe. Ihr scharren mit den Füßen und das Picken auf dem Boden.“ ,meinte Chicken Man.

„Sie konnte gut Hähnchen machen. So knusprig.“ ,sabberte Heinrich vor sich hin.

 

Ganz automatisch lenkte ich die Karre auf die Bundesstraße und dann in ein Waldstück.

 

Ich dachte daran das sie Rasputin auch hinaus in den Wald zerrten und ihn im eiskalten Wasser ertränkten. Zuvor aß er, mit Zyankali vergifteten, Kuchen und man schoss ihm dreimal in die Brust. Doch der Verrückte Wanderprediger wollte nicht sterben. Das war 1916. Man munkelte das er auf best Friend mit der Frau des Zaren machte und Nikolaus II Hörner aufsetzte.

Naja, ein paar Monate später, war es ohnehin Essig mit der ganzen Familie.

Lenin übernahm das Ruder in Russland und ließ die ganze Zarenfamilie hinrichten.

 

Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

 

Wir stiegen alle aus. Der schlappe Lappen Heinrich stellte sich direkt an den Baum. Er brauchte bloß den Bademantel zur Seite schlagen.

 

Ich ging mit meiner Lady ein ganzes Stück in den Wald.

 

In der Ferne hörten wir einen Specht der einen Baum zerlegte. Ein Uhu über uns gab Laut und verfehlte mit seinem morgendlichen Stuhlgang nur knapp unsere Köpfe.

 

Sie lachte und gab mir einen Kuss.

 

Eine Krähe schrie und in mir jubilierten die Trompeten von Jericho. Geil.

 

Sie steckte ihre Hand in meine Hose und fummelte an meinem Arsch. Das machte mich ganz schön spitz, also griff ich in ihre Haare und zog sie leicht nach hinten. Ihr Becken drückte sich hart an meinen Oberschenkel.

 

Plötzlich raschelte es im Unterholz und ein weißer Wolf schaute aus dem Dickicht hervor. Einfach so. Wir drehten uns um und warteten.

 

3 Minuten passierte nichts. Dann sprang er heraus, jagte an uns vorbei und attackierte ein Reh. Ich sah den Geifer der aus seinem Maul flog.

Das Reh machte eine Rechtsdrehung und floh ins Dickicht.

 

„WOW! Ein Wolf. Ist das zu glauben?“ ,rief ich.

 

Ich jedenfalls glaubte es nicht. Selbst jetzt dachte ich, das es gar nicht passierte.

 

Kam mir vor, wie in diesem Horror Film: Underworld.

Mit dieser mega geilen Braut. Kate Beckingsale.

Die trug immer so enganliegendes Leder. Konnte ich mir bei meiner Lady auch gut vorstellen.

Ihr kleiner runder Arsch würde sicher gut zur Geltung kommen. Dazu ihr hübsches, unschuldiges Gesicht, das durch blonde, feine Löckchen umrahmt wurde.

Sie packte meinen Nacken und drückte mich gegen den Stamm. Feine Äste Knacktenunter unseren Füssen. Ein Eichhörnchen, das wie: The little red Riding Hood aussah, hüpfte von Baum zu Baum und warf Eicheln auf meine Nüsse.

Sie zog mir die Hose runter und stülpte ihre Lippen darüber. Geil.

 

Meine Hände krallten sich an dem Baum fest und ich ritzte bei der Gelegeheit gleich mal ihren Namen in den Stamm.

 

 

Lady Starlight

 

 

Sie kam hoch und hielt mir den Mund zu. Ich packte sie und drehte sie herum, dann rammte ich ihn rein.

 

Kleine Sterne tanzten vor meinen Augen. In den Sternen sah ich sie.

 

„Spritz nicht in mich rein.“ ,keuchte sie.

 

Ich zog ihn heraus und mein Strahl schoss direkt auf den Waldboden.

 

Stellte mir vor, wie die Millionen meiner Kumpels sich auf dem Blätterteppich verteilten und dort Kolonien bildeten. Erst wäre es nur ein kleines Dorf mit einer Mühle. Dann käme ein Rathaus und eine Kirche dazu. Auf den Äckern schufteten die Bauern, während die Oberschicht in Saus und Braus lebte.

Irgendwann käme es zur Rebellion und zum Sturz der Oberen. Dann würden sie einen Bauernstaat gründen. Doch die Hoffnung, das nun alles in Ordnung käme, war dem Untergang geweiht.

Denn die Raffgier nahm nun von den Bauern Besitz und die wurden ihrerseits zur Oberschicht. Das komplette Programm:

 

Unterdrückung.

Propaganda.

Folter.

Verbot.

Mord.

Sicherung der Ressourcen.

Aufbau eines Sicherheitsapparats.

Vernichtung aller nicht gewollten Individuen.

Aufzucht, der folgenden Generationen im richtigen Geiste.

Eroberung und Verbreitung der wahren Lehre.

Schaffung von Lebensraum der eigenen Rasse.

 

Scheiße. Alter. Wie im richtigen Leben.

 

Ist doch eigentlich immer die gleiche Show.

 

Das alles lief innerhalb von 12 Sekunden in meinem Schädel ab.

Entweder hatte ich den totalen Durchblick oder nicht mehr alle Latten am Zaun.

 

„Alles Okay?“ ,fragte sie.

„Sicher.“ ,antwortete ich abwesend.

 

Sie nahm mich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Lippen.

 

Der war so zart das ich ihn kaum spürte, aber der ging direkt in mein Herz.

 

Das musste wohl diese beknackte Zärtlichkeit sein, von der alle redeten und die ich immer ins Lächerliche zog. Scheiße. Irgendwie doch ganz geil.

 

Jetzt musste ich mir aber unbedingt einen antrinken.

 

Wir liefen zurück zum Auto. Leider ließ er sich nicht starten, also versenkte wir ihn in einem tiefen Baggerloch und schlurften zur Straße.

 

Ein Fiat hielt mit quietschenden Reifen direkt vor unseren Füssen. Ein langer, langhaariger Typ saß mit langem, eingeknickten Hals hinter dem Steuer.

Seine roten Albino Augen glotzten müde nach vorn.

Er schien in einer anderen Welt zu sein. Sagte kein Wort. Saß einfach nur da.

 

Auf dem Beifahrersitz hockte sein Kumpel im Schneidersitz.

Seine Haut glänzte, als hätte ihn jemand in ein Ölfass getaucht und an seinen Ohren wieder raus gezogen.

 

„Ich bin Schnecken-Udo.“ ,stellte er sich vor.

„Ach was.“ ,entgegnete Schlappenheinrich.

„Dann bist du wohl der langsamste Typ auf Erden.“ ,lachte Ali.

„Nö. Aber ich mach jede Braut klar, die du dir vorstellen kannst.“ ,erklärte er.

 

Also DAS konnten wir uns überhaupt nicht vorstellen.

Auf dem Kopf zeigte er seiner Umwelt so eine Prinz Eisenherz Frisur.

Die sah echt Scheiße aus, als hätte jemand einen Nachttopf auf seinen Schädel gedrückt und alle überschüssigen Haare abgeschnitten.

 

Er schien gut drauf zu sein und nachdem er jedem einen Joint in die Hand drückte quetschten wir uns zu fünft auf den Rücksitz.

 

Da saßen wir dann, wie Hühnchen eingepfercht auf 50 cm in einem rostigen Fiat.

Schlappenheinrich, der nörgelnd seinen Bademantel zurechtzuppelte, damit nichts von seinen Kronjuwelen raus fiel.

Ali, der immer noch von seiner Helga erzählte und uns allen auf den Wecker fiel.

Chicken man, der Horrorstory`s von seinem Job vom Stapel ließ und uns dazu brachte nie wieder ein Hähnchen zu essen.

Lady Starlight und ich. Über uns gab es nichts zu berichten. Wir sahen weiterhin gut aus und waren die einzigen mit Verstand in diesem Auto für Zwerge.

 

Der Fahrer, mit seinem Giraffenhals, trug einen himmelblauen Overall auf dem ein Aufnäher angebracht war. Feuerstein stand da drauf.

Entweder war das sein Name oder sein Ur Ur Ur Ur ect. Vorfahr hieß Fred.

 

Wie auch immer.

 

Er warf uns gleich einen Sechserpack Bier nach hinten, machte sich damit bei

uns allen beliebt und legte einen Kickstart hin, so das der Waldboden danach einen halben Meter tiefer lag.

 

Er sang irgendeinen Scheiß, den wir nicht verstanden.

 

„Ist von AC/DC. Geil ne`?“ ,schrie Feuerstein schrill und drohend nach hinten.

Er drehte sich eine sehr lange Zeit zu uns um und sah uns an, als wollte er uns umbringen, sobald wir auch nur blinzelten.

 

Ich dachte an meine Mum. An den Tag, als wir uns stritten, weil ich unbedingt diesen Gruselfilm sehen wollte. Sie sagte ich wäre zu jung und bekäme Alpträume.

 

Natürlich wusste ich es besser und natürlich bekam ich Alpträume.

 

Sie blieb die ganze Nacht an meinem Bett und verjagte all die bösen Seelen.

Sie stellte sich vor mich und würde eher selbst drauf gehen, als mich meinem

Schicksal zu überlassen.

 

Mumien. Monstren. Mutationen.

 

Feuerstein schien wohl die Strecke im Schlaf zu kennen, denn er gab dem Lenkrad einen kleinen Schlenker und wir fuhren um die Kurve.

Gerade rechtzeitig, sonst wären wir gegen eine Mauer geknallt.

 

Als er wieder nach vorne sah, schrie er:

 

„Scheiße. Falsch abgebogen.“

Also verließ unser Todesengel die Straße und donnerte über ein Feld.

Wir wurden ordentlich durchgeschüttelt und der Fiat hing zeitweise mit allen vier Rädern in der Luft.

Ali kotzte aus dem Fenster und ein paar Spritzer der grün-braunen Soße blieben an Heinrichs Bademantel hängen.

 

„Das geht doch nie wieder raus. Was soll ich denn jetzt anziehen?“ ,schrie er.

„Wie wär`s mit `ner Hose? Liegen wieder unheimlich im Trend, Alter.“

,sendete Ali.

„Ich kann keine Hosen tragen, Mann. Sonst hätte ich ja wohl eine an.“

„Jetzt haltet doch mal eure Fresse.“ ,ging Chicken man dazwischen und sprach uns allen aus der Seele.

 

Der Fiat, mit den ganzen Vollpfosten brauste eine ganze Zeit im Wald umher.

Ein Specht, 2500 rote Ameisen, ein Igel und ein halbes dutzend Spatzen blieben dabei auf der Strecke.

 

Schließlich kamen wir auf einen Wanderweg und fuhren an einer Gruppe Reiter vorbei, die uns aus großen Augen anstierten.

 

Feuerstein grüßte freundlich und öffnete das nächste Bier. Er warf einen weiteren Sechserpack nach hinten.

Danach hatte ich einen sitzen und sang mit ihm zusammen irgendwelche Lieder die ich nicht kannte.

 

Hatte lange nicht soviel Spaß. Jetzt fand ich Hamburg doch ganz geil.

 

Dieser Höllenhund fuhr mit uns zu einer Dorf Disco. Da saßen dann die ganzen Bauernmädels, wie Hühner auf der Stange und warteten auf den Abschleppdienst. Naja, ich war ja nun versorgt und konnte ihnen nicht helfen, aber Feuerstein tat sein bestes um bei ihnen zu landen.

 

Er machte auf cool, wehleidig , Muttersöhnchen und Macho. Nichts half.

Seine Person, war einfach nicht gefragt.

Letzten Endes bekam er von einem Typen, in roten Gummistiefeln und Ostfriesenpelz, eins auf die Fresse.

 

Bei Schnecken-Hgo lief die Sache anders. Der hatte das volle Programm drauf, denn obwohl der echt Scheiße aussah, besaß er dieses bestimmte Etwas.

 

Das, bei dem die Schlüpfer der Mädels nass wurden.

Irgendetwas Geheimnisvolles.

Eine nicht zu eratende Zutat.

Er ging mit den zwei Hübschesten, Blonden Geräten aufs Klo und kam mit diesem Angeber Grinsen wieder zurück.

 

„Ich hab`s euch gesagt. Ich mach jede Schnecke klar.“ schrie er uns zu.

 

10 Minuten später waren wir wieder on Tour.

 

„Dicke Lippe riskiert?“ ,fragte ich Feuerstein.

 

Er griente und meinte lapidar:

 

„Jo. Passiert. Kein Problem. “

 

Wir gröhlten wieder Songs, die ich nicht kannte. Zwischendurch übergab sich unser Fahrer in den Aschenbecher. Die Kotze lief über den Rand auf den Beifahrer Boden. Über solche Kleinigkeiten sahen wir hinweg, denn schließlich waren wir Gentleman.

 

„Lass mal Club gründen.“ ,meinte Ali.

„Ich find Club Scheiße.“ ,erklärte Schlappenheinrich.

„Ne, mann. Club is voll gut. Hab` ich immer schon mal haben wollen. Weil, wir sind voll die netten Leute und so.“

„Ach was.“ ,gab Schlappenheinrich von sich.

„Ja, Mann. Wir sind voll der Gentleman Club e.V.“ ,fuhr Ali fort.

„Sollen wir auch einen Blutschwur machen?“ ,fragte Feuerstein lachend.

„Ja. Is gute Idee. Und dann hacken wir noch sechs Hühnchen den Kopf ab.“ ,flüsterte Ali.

„Alter. ICH mach das aber nicht!“ ,rief Chicken man.

„Das ist Scheiße eng hier hinten.“ ,schrie Schlappenheinrich.

„Wir brauchen ein neues Auto.“ ,stellte Feuerstein fest.

„Was machen wir mit deinem?“ ,fragte meine Lady.

„Das ist nicht mein Auto.“ ,meinte er und brauste in die Stadt.

 

Auf St. Pauli fanden wir einen Mercedes der uns gefiel.

Knallrot, mit Plüsch Würfeln am Rückspiegel im Innenraum. Der war mit blauen Samt ausgeschlagen und roch nach Jasmin.

 

Die Braut habe ich mal vor tausend Jahren im Loveland kennengelernt.

Das ist eine Absteige im Rotlichviertel, wo die Nutten auf Freier warten und die Luden Patrouille laufen. Die Jasmin war eine Trucker-Braut mit einem Tatoo von `nem Lastwagen auf der Hüfte und hat die Zimmer der Huren sauber gehalten.

 

Davon erzählte ich meiner Lady besser nichts.

Unser Schlitten zog mit 160 an der David Wache vorbei. Sofort hatten wir die Bullen am Arsch.

Scheiße. Das war wie im Kino. Ich musste die ganze Zeit lachen und öffnete ein Bier nach dem anderen.

 

„Macht euch keine Sorgen. Das schaffen wir.“ ,lallte Feuerstein.

 

Er trieb den Wagen in eine Seitengasse und wir schleuderten gegen eine Mauer. Dann flüchteten wir und schafften es unerkannt in die Blockhütte.

 

Die Tresenbedienung war ein Typ in Frauenklamotten.

Mann, der hatte echt Stil. Seine Federboa waberte um seine femininen Züge und mit rauchiger Stimme sagte er:

 

„Hello Sweethearts. Was verschlägt euch in meinen Laden?“

„Das Leben.“ ,keuchte unser Feuerstein.

„Ja und der Durst. Mach mal `ne Brause klar.“ ,setzte ich dazu.

„Logisch Süßer. Brause kommt sofort. Direkt aus der Quelle?“

„Ne´laß mal stecken. 13 Bier. 13 Kurze. Der mit der Pott-Frisur zahlt.“ ,meldete sich meine Lady.

 

In der Hütte spielten sie Country Music. Der Live Act hieß: Trommelwirbel.

Ich war gespannt. Bei so einem bescheuerten Namen, mussten sie entweder Scheiße Gut oder grottenschlecht sein.

 

Schaute mich erst mal um. 3 Opas auf der Südseite. Eine abgewrackte Nutte am Tresenende. Zwei besoffene Girls, die von irgendeiner Fete kamen und sich lautstark über irgendeinen Typen mit riesigem Schwanz und Segelohren unterhielten.

 

Ich wollte grad so, auf witzig, nach vorne rufen, das ich keine Segelohren hätte, als die Tür aufschlug und George hereintrampelte. Voll, wie tausend Russen.

 

Er setzte sich an die Bar und schlief sofort ein.

 

So kanns gehen.

 

Ein Lude, der sich grad, in aller Ruhe, `ne Line reinzog, saß neben ihm und eine Gruppe Chinesen, die sich mal die Reeperbahn anschauen wollten hockten ein paar Stühle weiter am Fenster und fotografierten die Kakerlaken an der Decke.

 

Die hatten später sicher nur gutes über Germany in ihrer Heimat zu berichten.

 

Diese lustige Mischung machte uns allen Spaß und wir fühlten uns wie zu Hause.

 

Als die Band auftrat: Waschbrett, Fiedel, Snare Drum, Gesang, hatten wir schon reichlich getankt und waren kurz davor den Überblick zu verlieren.

 

Durch einen glasigen Vorhang beobachteten wir die 3 Typen und das dicke Mädchen die einen Song von Waylon Jennings spielten:

 

Mamas don`t let your Baby`s grow up to be Cowboy`s.

 

Boah. Die waren Scheiße schlecht. Wir klatschen trotzdem, wie blöd und Trommelwirbel bedankten sich mit gratis Drinks. Die sahen echt happy aus.

Wahrscheinlich bekamen sie sonst faule Eier, wurden ausgebuht und angespuckt.

 

So das reichte jetzt aber auch als gute Tat für dieses Jahr. Ich kam schließlich nicht von der Heilsarmee.

 

Plötzlich erwachte George neben mir und bestellte ein Bier. Sein Gesicht sah aus, wie ein Boxsack auf dem der Hulk eingedroschen hatte. Er wisst schon diese große, grüne, mutierte Hohlbirne von den Marvel Comics.

 

Über dem rechten Auge von George klaffte eine Platzwunde aus der Blut troff.

 

„Das muss genäht werden.“ ,meinte meine Lady trocken.

„Klammern geht auch.“ ,erklärte die Tresen Schlampe und zog einen kleinen Tacker, mit der man sonst lose Blätter zum Kuscheln bringt, aus einer Schublade hervor, setzte sie an die Augenbraue und presste die Haut zusammen.

Ein kurzes, knappes Klacken und alles war erledigt.

George schrie kurz auf, dann war die Welt wieder am rechten Platz und der allwissende Gott hatte sein Blut bekommen und gab Ruhe.

 

Ich nahm meine Lady an die Hand, zog sie auf die Herrentoilette und rammelte sie erst mal richtig durch.

 

Tja. Wie ich schon sagte. Die Welt ging wieder ihren gewohnten Gang.

 

Als wir wieder kamen, so 3 Minuten später, tanzte George mit der Dicken und Feuerstein saß heulend in einer Ecke und jammerte nach seiner Mutter und das er sie vermissen und alles bereuen würde. Die ganze Scheiße, die er gebaut hatte und ab jetzt ein gutes Leben führen wolle.

 

Tja, Baby der Zug war wohl abgefahren. Jammern half da auch nichts.

 

Dachte an einen schwarz/weiß Film von Fellini und fühlte mich in einer anderen Dimension.

Eine Motte kam im Sturzflug auf mich zu und feuerte aus allen Rohren.

 

Jemand gab mir eine Ohrfeige.

 

„Du warst total weggetreten.“ ,sprach meine Lady.

„Haben wir es getrieben?“ ,war meine einzige Äußerung.

„Ja.“ ,sagte sie.

„Gott sei Dank.“ ,sagte ich. Dann gingen die Lichter wieder aus.

 

Die Dunkelheit lag wie ein Leichentuch auf meinen Augen. Sie waren offen und trotzdem war da NICHTS.

 

Ein leichter Windhauch zog über meine Pupillen. Kühl. Mein Körper brannte und schmerzte.

 

Entweder stand jemand auf meinem Kopf oder ich hatte zu viel gesoffen.

 

Versuchte den Wichser von meinem Schädel zu wischen. Gelang mir nicht.

 

Irgendwann schnallte ich, das der Grund für die Dunkelheit, die Lederimitat Jacke auf meinen Augen war. Schwein gehabt.

 

Brachte meinen Körper in eine senkrechte Position und fand mich im Stadtpark, auf einer Bank sitzend, wieder.

 

Ich saß geraume Zeit so rum und versuchte mich an die letzten Stunden zu erinnern. Fiel mir nicht mehr ein. Da war einfach eine große, schwarze Lücke.

 

Nach einer viertel Stunde, könnten aber auch 15 Minuten gewesen sein, bemerkte ich einen Typen, der einen Meter neben mir auf der Bank saß und eine Filterlose rauchte.

 

„Hey Kumpel. Hast du eine.“ krächzte ich.

 

Er reichte mir eine Zippe und gab mir Feuer.

 

„James. James Cock“ ,sprach ich.

„Alex.“ ,erwiderte er und reichte mir eine gekühlte Bierdose aus dem Innenfutter seiner Jacke.

 

War mir sehr sympathisch.

Wir stießen an und die Welt drehte sich weiter.

 

Irgendwann würde ich aus diesem Scheiß Kaff schon rauskommen.

 

 

 

 

 

 

Aber vielleicht,

war ich auch

genau da,

wo ich hin gehörte.

 

 

 

 

 

Februar 2020 von Axel Bruss

 

 

 

 

 

 

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Hi Alex,

 

cooler Schluss! 

 

 

 

 

Echt, wenn mich jemand dazu bring ne völlig sinnfreie und überflüssige Story zu lesen als würd ich kurz vorm verdursten mit dem Kopf ins Wasserfass tauchen und es versuchen leer zu saufen, gibts dafür nur einen Grund: sie ist einfach nur saugut geschrieben.

 

Bist ne coole Socke!

Und, ich glaube ein scharfer Beobachter und Zuhörer!

Und ich war so gefesselt, dass ich nur bei 2 dass hängengeblieben bin.

naja gut und hier: in der Kneipe (Mist Namen vergessen, wo Ali vor der Tür stand) da legt er am Anfang Kohle auf den Thresen kriegt ne Flasche russischen Grappa und sagt am Schluss, dass er eh nicht bezahlen kann ... hmm du meist ich wär wieder zu pingelig, gell und dann gibts da Rockn`roll vom feinsten und ne Music Box - 

Und: so viel nebenbei erwähnte Hammerformulierungen - ich wusste schon nach deiner ersten Story hier: du bist einfach gut!

 

Liebe Grüße

Sali

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