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Der Weg zur Sehnsucht

 

Was ich fühlte, als ich fiel?  

Angst. Und Sehnsucht nach Gefühl.  
Sehnsucht nach Bestand

als der Boden meiner Kindheit
unter meinen Füßen wankt'.
 
Damals ging ich ehrfürchtig zum Strand.  
Erstaunt, wie Bohlen mächtig ragten aus dem Meer,  
als ich an dessen Ufer stand.  
Anders als daheim, wo die Furcht vor neuen Wegen
lähmte Phantasie und Sein.  
Wie Halme unter Winterstürmen  
schien mir alles dort zu sein.  
 
So ging ich hin, begab mich an des Strandes Säulen.  
Beständigkeit zog mich dahin.  
Zum Meer, wo Fels und Stein
Jahr für Jahr trotzen Sturm und Gischt.
Holz, stark genug für Schiffe  
zum Aufbruch in ein andres Leben,  
das so vieles mir verspricht.
Doch angefüllt mit Kisten auch, die zu bewegen  
brauchen mehr als nur ein Leben.  
 
Und nun, wo sind sie hin?  
Stützen meiner Träume,
gefällt durch die Gezeiten.  
Vom Meer umspült und fortgetragen
in unbekannte Weiten.  
 
Von einem Kind nie hinterfragt.
Nie geglaubt sie könnten enden.  
Das Bild von einst, es stimmt nicht mehr.  
Der Blick liegt frei, zu frei zum Denken.  
 
Doch frei wofür?  
Umzukehr'n, zurück zu geh'n
durch diese alte Tür?  
Freiheit bedeutet Werden.  
Statt zu werten muss ich lernen,  
zu versteh'n.  
Einen alten Weg das erste Mal –  
und doch nicht neu zu gehen.  
 
Einen Weg,  
vergessen aus Geschäftigkeit.  
Gegangen einst von Landschaftsmalern,  
Beobachtern der Zeit.  
 
Entmutigend verwachsen,  
doch zu wahr, zu echt  
um ihn zu lassen,  
um nicht zu folgen, der Anmut seiner Pfade. 


Die schroffen Klippen, statt zu meiden  
für ihre unwirtlichen Seiten,  
viel mehr zu schätzen, ja zu lieben  
für ihre Einzigartigkeit.  
 
Tief empfund'ne Worte,  
soweit das Auge reicht.  
Der Weg, er ist so schön,  
wie konnt' ich ihn  
nur all die Jahre überseh'n?  
Das Auge sieht nur, was der Verstand  
bereit ist zu versteh'n.  
Deshalb verbarg sich mir  
die Schönheit dieses Weges nur auf Zeit.  
 
Ich gehe weiter.
Seh' aufgegeb'ne Schätze,  
gleich am Wegesrand.  
Sie sprechen zu mir, still,  
auf eine neue Weise.  
 
Ich fühl' mich angekommen,  
weil ich so weit weg bin durch die Reise
von den Ängsten alter Zeit.  
 
Und in den Wogen neuer Bilder
entdecke ich das Leben selbst.  
Kinderträume, Hochgefühle, Phantasie –  
ja jede Leidenschaft der Seele.  
 
Gespürt, sie zu begraben wäre Sünde.  
Zu lang gedacht, es doch zu müssen.  
Was immer schon zu mir gehörte –  
jetzt erst traue ich es mich zu wissen.  
 
Sünde ist nicht, zu versteh'n.  
Nur den Weg nicht als man selbst zu geh'n.
 
 
DavidPessoa, (2017) 2019

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Hallo Alexander, danke für dein Willkommen und dein Feedback. Es ist tatsächlich sehr lang. Es ist mein Erstlingswerk und noch dazu quasi therapeutisch zu verstehen. Ich habe darin sozusagen mein bisheriges Leben bis zu einem einschneidenden Ereignis aufgearbeitet. Es ist also ursprünglich eher für mich als für die Öffentlichkeit gedacht. Die Weiteren werden aber kürzer, keine Sorge Und bitte nie hinter dem Berg halten mit konstruktiver Kritik.

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Hi DavidPessaoa,

 

Aus der therpeutischen Perspektive ist es sicher ziemlich knapp, aus der lyrischen könnte es teilweise komprimierter oder weniger umständlich formuliert sein, für mein Gefühl halt.

 

Die letzten beiden Zeilen? Ist das eine Conclusio? Ich verstehe das nicht. Liegt es vielleicht an den Satzzeichen?

 

loop

 

 

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vor 1 Stunde schrieb DavidPessoa:

Sünde ist nicht, zu versteh'n.  
Nur den Weg nicht als man selbst zu geh'n.


Sünde ist, wenn man nicht versteht den Weg so zu gehen wie das Selbst es konstellieren will .. so verstehe ich es.

 

Ich freue mich, dass Du Dich auf den Weg machst und wir zukünftig dabei sein dürfen

 

mes compliments 

 

Di

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vor 5 Minuten schrieb Dionysos von Enno:


Sünde ist, wenn man nicht versteht den Weg so zu gehen wie das Selbst es konstellieren will .. so verstehe ich es.

 

Ich freue mich, dass Du Dich auf den Weg machst und wir zukünftig dabei sein dürfen

 

mes compliments 

 

Di

 

Also dann so?

 

Sünde ist, den Lebensweg nicht

als man selbst zu gehen.

 

Also dann:

 

Lyrik ist nicht, möglichst

verschwurbelig zu schreiben!

 

 

loop

 

 

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Danke für die Hinweise und eure Zeit. Es stimmt, die letzten beiden Zeilen bilden eine Schlussfolgerung.

 

Nach eurem Feedback fällt mir tatsächlich auf, dass es etwas schwer ersichtlich ist, wieso "verstehen" Sünde sein soll . Der Gedanke war wohl etwas zu weitreichend, für mich damals aber notwendig. 

 

Die angedeutete unausgesprochene Erwartung, meine Interessen "zu begraben" lag in Wirklichkeit in etwas dogmatischen Erwartungen von außen begründet und hängt mit Umfeld, Familie und Glaube zusammen. Deshalb auch der Bezug zum Terminus Sünde.

 

Für mich lag die Essenz als Mittel zur Auflösung darin, die Perspektive zu verändern, Mut zu mir selbst zu entwickeln und weniger auf menschliche Erwartungen als auf höhere Prinzipien Acht zu geben.

 

Für manche ist tatsächlich allein die Beschäftigung mit gewissen Themengebieten Sünde oder zumindest "gefährlich". Wenn man ein Leben lang derartiges Misstrauen gegenüber dem Unterscheidungsvermögen des Einzelnen gewöhnt ist, fällt es schwer, zu seinen Leidenschaften und Interessen zu stehen, ohne gleich mit allem anderen radikal zu brechen, was man für wahr hält.


Also vielleicht soweit zum Hintergrund. Allgemeinverständlich ist das natürlich nicht und wahrscheinlich werde ich das noch ändern.

 

Danke und liebe Grüße!

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Hallo DavidPessoa,

ich denke auch, dass es in Deinem Gedicht Passagen gibt, die vielleicht, ohne Deinen persönlichen Hintergrund zu kennen, "keinen Sinn ergeben", aber meiner Meinung nach beschreibt das Gedicht auch wunderbar die Gefühle eines Heranwachsenden allgemein. Ich jedenfalls finde mich an vielen Stellen wieder.

vor 15 Stunden schrieb DavidPessoa:

So ging ich hin, begab mich an des Strandes Säulen.  
Beständigkeit zog mich dahin.  
Zum Meer, wo Fels und Stein
Jahr für Jahr trotzen Sturm und Gischt.
Holz, stark genug für Schiffe  
zum Aufbruch in ein andres Leben,  
das so vieles mir verspricht.
Doch angefüllt mit Kisten auch, die zu bewegen  
brauchen mehr als nur ein Leben.

Das gefällt mir besonders gut, das Meer als Metapher für die Empfindungen und Widersprüche des Erwachsenwerdens: Man sehnt sich zwar nach Beständigkeit und Sicherheit, doch gleichzeitig verspürt man auch eine Vorfreude auf das Neue, Unbekannte. Und dann gibt es da die Bestandteile des Lebens, die man hinnehmen muss, die man so einfach nicht ändern kann.

vor 15 Stunden schrieb DavidPessoa:

Der Blick liegt frei, zu frei zum Denken.

Sehr wahre Worte, wenn man auf einmal all seine alten Prinzipien und Selbstverständlichkeiten ablegt, dann kann das entwaffnend wirken, da man keine Anhaltspunkte mehr hat, die einem wenigstens die Grundrichtung weisen. Wofür soll man sich entscheiden, wenn alles plötzlich gleichermaßen richtig erscheint?

vor 16 Stunden schrieb DavidPessoa:

Freiheit bedeutet Werden.

Das erinnert mich an eine Weisheit, die ich einmal gelesen habe: Leben heißt Werden und Werden kennt keine Sicherheit

 

Gefällt mir Alles in Allem sehr gut

 

Liebe Grüße, Hase

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Hallo Hase, lieben Dank für deine Einschätzung und dass du auch konkret sagst, was dir gefallen hat . Es ist, wie du sagst. Als junger Mensch sehnt man sich zum einen nach Sicherheit, Verlässlichkeit und vielleicht auch nach Prinzipien, an die man sich halten kann. Je nach dem, wie man erzogen oder nicht erzogen wurde, denn meist sucht man das, was man daheim nicht bekommen hat, was oft in einer Protesthaltung mündet.

 

Dann gibt es scheinbar stabile Persönlichkeiten, die einem vermeintlich genau das versprechen. Irgendwann aber wird man auch von ihnen enttäuscht werden und steht plötzlich ganz allein da. Dieses Gefühl, nicht nur den Menschen zu verlieren sonder auch den Halt, den man durch dessen Vorbild bekam, macht einem in der Jugend Angst. Nun kann man natürlich blindwütig diesen Menschen ablehnen und es sich leicht machen, indem man sein Verhalten leichtfertig verurteilt. Daran würde man aber nicht wachsen. Man muss versuchen, zu verstehen.

 

Spinoza drückte das so aus:

"Nicht weinen, nicht zürnen, sondern begreifen."

 

Du hast dich wirklich sehr weit eingedacht und eingefühlt in meine Zeilen, vielen Dank dafür! Es tut ziemlich gut, wenn man auf diese Weise verstanden wird .

 

Liebe Grüße,

David

  

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Hallo David,

ich konnte dein erzählerisches Gedicht gut verstehen.

Das Einzige, was ich glatt weg machen würde, ist die Schlussfolgerung.

Diese beiden, sich reimende Verse erinnern mich an die Schlussfolgerungen von moralischen Fabeln. 

Du weißt sicherlich, dass Pessoa erst posthum "entdeckt" wurde.

Früher lebte man eher unbekannt. Anonymität in Internet Zeit ist unmöglich.

Dein Gedicht gefällt mir wirklich sehr gut.

Liebe Grüße

Carlos

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Was ich meine? Eben das, was ich gesagt habe: In der heutigen Zeit ist es UNMÖGLICH so wie Pessoa damals, unerkannt zu bleiben. Zumal dass er, unter drei verschiedenen Pseudonymen, für Zeitungen geschrieben hat.

Pessoa war schon ein Außenseiter und Eigenbrötler.

Ursprünglich hat er nur auf Englisch geschrieben.

Interessant bei diesen drei verschiedenen Pseudonyme ist, dass darunter DREI vollkommen verschiedene Menschen steckten!

Du hast dich nach ihm benannt, so bringst du mich auf solche Gedanken.

 

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Ach so tut mir leid, ich nahm zuerst einen Bezug zu meiner Anonymität im Internet an. Da hatte mich der Satz, dass die nicht möglich ist, etwas beunruhigt. Und dann noch der Hinweis, dass Pessoa erst posthum entdeckt wurde... Da geht die Phantasie mit einem durch .

 

Nun freue ich mich aber, einen Kenner meines persönlichen Helden gefunden zu haben. Genau diese Eigenschaften von ihm, die du beschrieben hast, machen ihn mir so sympathisch. Gerade das Uneitle, das unedeckte Genie. Hier eins meiner Lieblingspassagen von ihm:

 

"Der Mensch sollte sein eigenes Gesicht nicht sehen können. Nichts ist schlimmer. Die Natur verlieh ihm die Gabe, sein Gesicht so wenig sehen zu können, wie er sich in die eigenen Augen sehen kann. Nur im Wasser der Flüsse und Seen konnte er sein Gesicht betrachten. Und die Haltung, die er dabei einnehmen musste, war symbolisch. Er musste sich bücken, beugen, um die Schande zu begehen, sich zu sehen. Der Schöpfer des Spiegels hat die menschliche Seele vergiftet."

(Fernando Pessoa)

 

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Grüß Dich David,

 

so ein wunderbar tiefgründiges Erstlingswerk. Du hast den Prozess der Selbstfindung und den Umgang mit der Angst gut und nachvollziehbar beschrieben. 

vor 22 Stunden schrieb DavidPessoa:

Was ich fühlte, als ich fiel?  

Angst. Und Sehnsucht nach Gefühl.  

Schon der Anfang ist klasse und das Ende sowieso. Die Mitte würde ich hier und da von der Länge der Sätze her kürzen, aber das nur am Rande. Es ist gut, wie es ist. Ich freue mich auf weitere Werke von Dir und wünsche Dir hier viel Spaß. 

 

Schönen Tag wünscht Darkjuls

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Hallo Darkjuls,

 

vielen Dank für deine liebe Einschätzung. Ich habe schon viele gute Anregungen hier bekommen, das hätte ich als Neuling hier so gar nicht erwartet, bei der Fülle an Werken hier.

 

Wahrscheinlich wäre es besser, zwei Varianten bestehen zu lassen, eine für mich und eine Allgemeinverständlichere. Das hätte ich vorher bedenken sollen, dann hätte ich es gleich etwas zurechtgestutzt veröffentlicht. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer .

 

Also danke und Grüße!

David

 

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