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Der ganz normale Wahnsinn
(Oder: Wenn einem die Wirklichkeit mit dem nackten A - verlängerten Rücken voran ins Gesicht springt)


Ich dachte mir: Ich bin im Grunde
so schlau wie alle andren Leute,
ein Teil der ganz normalen Meute,
dann schlug mir die Erkenntnisstunde.

 

Und heftig, dreizehn Glockenschläge,
von links, von rechts, dann auf die Nase;
sie platzte, meine rosa Blase
und aus Geradem wurde Schräge.

 

Seither, da hängt mein Weltbild schief,
mahnt krumm an der Verstandeswand
und auch der Hammer, den ich fand,
traf meinen Daumen und ich rief:

 

"Verdammt seist du! Du - Wirklichkeit!
Was nagelst du an meinem Sarg?
Ich wills nicht wissen, lass den Quark,
du machst mich klug, das geht zu weit!"

 

Jahrzehnte war ich ausgewichen,
mein Leben einfach und gemütlich,
tat mich an Allgemeinem gütlich,
jetzt hat sich etwas eingeschlichen.

 

Ganz gegen meinen Wunschtraumwillen
muss ich die Wirklichkeit erkennen,
das Kind bei seinem Namen nennen,
kann meine Sehnsucht nicht mehr stillen,

 

die Sehnsucht nach der Illusion,
dass Menschen wirklich Menschen sind
und mehr als nur die Spreu im Wind;
die Körner trug die Zeit davon.

 

Was bleibt, sind Papageienaffen,
sie plappern, ohne zu verstehen
und äffen nach, was sie so sehen,
ums bis zum Gipfel hoch zu schaffen.

 

Napoleons, sich selbst am krönen,
mit Religion, mit Wissenschaft,
mit Ideologienkraft,
es lässt sich nichts daran beschönen.

 

Wir leben ohne Maß und Sinn,
vermehren uns in hellen Scharen,
mag auch auch die Welt zur Hölle fahren,
die Habgier brüllt: "Gewinn! Gewinn!"

 

Tja, irgendwann ist alles hin,
dann wird der Letzte sich beschweren,
den Göttern ihre Schuld erklären.
Und ich? Ich sitze mittendrin

 

und denke mir: Ich bin im Grunde
so dumm wie alle andren Leute,
ein Teil der ganz normalen Meute,
bis sie mir schlägt, die letzte Stunde.

 

 

(Anmerkung: Eine überflüssige Strophe entfernt. Mit Dank für den 'Schubs in die richtige (Blick)Richtung' an SalSeda:smile: )

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Hallo, Sternenherz,

 

erst mal: Danke für 'schönen Drive'. :smile:

 

Ja, das ist so eine Sache, die Sache mit der Selbsterkenntnis. Das ist weit mehr als nur eine 'Nabelschau' oder nur ein Blick ins eigene Innere. So, wie wir Menschen unser individuelles Ich nur dadurch erkennen können, indem wir ein Du in anderen erkennen, ist es auch hier. Es ist nicht möglich, sich selbst einfach 'rauszunehmen'. Man ist immer mit dabei, immer 'mittendrin'. 

 

Viele Menschen schaffen es nicht, diese Hürde zu nehmen. Das Anerkennen der eigenen Fehler und Schwächen. Sie beschäftigen sich lieber ausschließlich mit denen der anderen. 

 

Aber sich selbst - als Mensch - weiterzuentwickeln, das geht nur über die Selbsterkenntnis.

 

Ich = Du = Wir. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch. 

 

Da gibt es doch etwas, etwas über Splitter im anderen Auge und dem Balken im eigenen  ... :whistling: 

(Und hier bestehe ich tatsächlich mal auf Gleichberechtigung: 'Brüder' und 'Schwestern'.)

 

Danke für deinen Kommentar! :grin:

 

LG,

 

Anonyma

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Hallo Anonyma,

 

ja, das tut weh, wenn man im Spiegel sieht dass man auch nur ein Ar.. unter den vielen Är..en ist. Ein oft langer und schmerzhafter von Irrtümern gepflasterter Weg. Ein bisschen Bitterkeit darf da schon sein.

... besser eine verlorene Unschuld als eine bewahrte Hybris.

...und dann kanns richtig losgehen oder man wird altersmilde, jeder wie er kann.

Mir kommen da Gedanken zu dem Zauberspiegel von Schneewittchens Stiefmutter ( - er sagt die Wahrheit, aber was man daraus  macht .... sehr individuell und nicht jedem ist einer gegeben oder er wurde mit dunklem Tuch verhängt) und an: "Ich weiß, dass ich nichts weiß). Und dann steht man da als dummer Tor und ist so klug als wie zuvor.

vor 10 Stunden schrieb Anonyma:

die Sehnsucht nach der Illusion,
dass Menschen wirklich Menschen sind
und mehr als nur die Spreu im Wind;
die Körner trug die Zeit davon.

 

 Meine absoluten Favoritenzeilen.

Wobei meine Hoffnung bei den Körnern liegt, ob sie es schaffen zu keimen...

 

Wohingegen das mit dem Gewissen ein bisschen hinkt, weil ich glaub es ist anerzogen oder eine angeborene Form der Selbsterhaltung  oder entsteht es gar aus einem Egoismus (was man nicht will das  man dir tu...) Naja, das wäre hier eine zu weitgehende Diskussion.

Auch dass die Vernunft verloren ging glaub ich nicht, sie ist nur zeitweisig mundtot gemacht. Andererseits meine ich, dass wohl jeder der an das glaubt was er sich so zusammendenkt oder zusammenausredet, wie krude das auch sein mag, als sehr vernünftig ansieht. Also, was ist die reine Vernunft ? Sie kann gar nicht verloren gehen weil sie nicht lange existieren kann, sie ist einfach zu kurzatmig

 

Naja, nur ein paar angedachte Gedankenfetzen  die ich hier mit der Spreu verstreut habe... und träume mich nun zurück in meine Parallelrealität

Liebe Grüße

Sali

 

 

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Hallo, SalSeda,

 

vor 10 Stunden schrieb SalSeda:

ja, das tut weh, wenn man im Spiegel sieht dass man auch nur ein Ar.. unter den vielen Är..en ist. Ein oft langer und schmerzhafter von Irrtümern gepflasterter Weg. Ein bisschen Bitterkeit darf da schon sein.

... besser eine verlorene Unschuld als eine bewahrte Hybris.

...und dann kanns richtig losgehen oder man wird altersmilde, jeder wie er kann.

Mir kommen da Gedanken zu dem Zauberspiegel von Schneewittchens Stiefmutter ( - er sagt die Wahrheit, aber was man daraus  macht .... sehr individuell und nicht jedem ist einer gegeben oder er wurde mit dunklem Tuch verhängt) und an: "Ich weiß, dass ich nichts weiß). Und dann steht man da als dummer Tor und ist so klug als wie zuvor.

 

manchmal ist es auch weniger Hybris als vielmehr das hartnäckige Weigern, die Realität anzuerkennen. Weil sie manchmal ein Messer in der Hand hält. Und Schmerzen zufügt. Dann ist es mehr ein Beharren darauf, dass es so doch nicht sein kann. Nicht so schlimm. Junge Menschen fragen sich: Warum gehen die Menschen so miteinander um? Unfreundlich, aggressiv, rücksichtslos. Warum mobben sie sich, dissen sie sich, verletzen sie sich, hacken aufeinander ein etc. etc.? Wenn dann ein junger Mensch älter wird, an Lebenserfahrung gewinnt und oft über vieles nachgedacht hat, kann ein Prozess beginnen, der eine veränderte Perspektive zur Folge hat - die Erkenntnis, beispielsweise, dass die Antwort oft nicht so einfach ist, wie sie zu sein scheint. Dass Dinge kompliziert sind. Und dass man sich selbst eben nie 'rausnehmen' kann. Und sich damit auch nicht über jemand anderen stellen kann.

 

Was 'dann kanns richtig losgehen' und 'altersmilde' anbetrifft: Irgendwie (was jetzt mich persönlich betrifft) beides. :classic_laugh:

 

vor 10 Stunden schrieb SalSeda:

 Meine absoluten Favoritenzeilen.

Wobei meine Hoffnung bei den Körnern liegt, ob sie es schaffen zu keimen...

 

Danke. :smile:

 

Was die Körner betrifft: Mein Gefühl hofft das auch. Mein Verstand zweifelt und fragt sich, was geschieht, wenn sie auf dem falschen Nährboden landen, was in der Vergangenheit zu oft der Fall war ... wie heißt es so treffend: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert ...

 

vor 10 Stunden schrieb SalSeda:

Wohingegen das mit dem Gewissen ein bisschen hinkt, weil ich glaub es ist anerzogen oder eine angeborene Form der Selbsterhaltung  oder entsteht es gar aus einem Egoismus (was man nicht will das  man dir tu...) Naja, das wäre hier eine zu weitgehende Diskussion.

Auch dass die Vernunft verloren ging glaub ich nicht, sie ist nur zeitweisig mundtot gemacht. Andererseits meine ich, dass wohl jeder der an das glaubt was er sich so zusammendenkt oder zusammenausredet, wie krude das auch sein mag, als sehr vernünftig ansieht. Also, was ist die reine Vernunft ? Sie kann gar nicht verloren gehen weil sie nicht lange existieren kann, sie ist einfach zu kurzatmig

 

Dafür möchte ich mich ganz besonders bei dir bedanken. :grin: Zum einen, weil ich erkannte, dass die Formulierung mir hier offenbar nicht gut genug gelungen ist. Eigentlich sagt die Strophe aus, dass das Gewissen nicht angeboren ist, dass 'es', also das Gewissen, vom Leben geformt wird und je nachdem, in welcher Kultur oder Gesellschaft ein Mensch lebt, auch von diesen geformt wird. Wenn das aber nicht klar 'herüberkommt', dann ist da ein 'Defizit'. Was deine Anmerkungen über die Vernunft angeht, das ist eine Frage der Perspektive, denke ich. 

 

Worum es mir aber jetzt in erster Linie geht: Ich las mir mein Gedicht noch einmal besonders gründlich durch (zum ungefähr elfundneunzigsten Mal, wie immer :biggrin:) und stellte mir dann die Frage: Braucht das Gedicht diese Strophe überhaupt? Und kam dabei zur Erkenntnis: Nein. Nun, bei Gedichten geht es ja bekanntlich auch um Ver-dichten. Überflüssiges wegzulassen. Und, wenn das Gedicht diese Strophe nicht braucht, dann - ist sie überflüssig. 

 

Und deshalb nehme ich sie auch raus. Hier und bei mir zu Hause im Original. Ich meine es ernst, wenn ich mich dafür wirklich bedanke. In manchen Foren wurde und wird manchmal der Begriff 'Betriebsblindheit' verwendet - und hier war ich, ganz offensichtlich, betriebsblind und erkannte das selbst vorher nicht. Dein Kommentar hat mir da einen nützlichen 'Schubs' gegeben und deshalb konnte ich das jetzt selbst erkennen. Weniger ist oft mehr, so auch hier. 

 

vor 10 Stunden schrieb SalSeda:

Naja, nur ein paar angedachte Gedankenfetzen  die ich hier mit der Spreu verstreut habe... und träume mich nun zurück in meine Parallelrealität

 

Mehr als angedachte Gedankenfetzen, interessante und hilfreiche Gedanken. :smile:

 

LG,

 

Anonyma

 

 

______________________________________________________________________

 

 

Hallo, Carlos,

 

vor 2 Stunden schrieb Carlos:

Midlife crisis?

 

nö, wenn ich denn tatsächlich eine hatte (da bin ich mir nicht sicher), dann liegt sie jedenfalls schon seit einer Weile hinter mir. :wink:

 

Veränderung ist immer ein Prozess. 

 

LG,

 

Anonyma

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vor 11 Stunden schrieb Anonyma:

Braucht das Gedicht diese Strophe überhaupt? Und kam dabei zur Erkenntnis: Nein. Nun, bei Gedichten geht es ja bekanntlich auch um Ver-dichten. Überflüssiges wegzulassen. Und, wenn das Gedicht diese Strophe nicht braucht, dann - ist sie überflüssig. 

 

Hallo Anonyma,

 

wenn ich ehrlich bin, hatte ich genau das empfunden und mir auch überlegt, ob es diese Strophe braucht und  es mich nur  nicht so deutlich ausdrücken mögen/trauen  - ich geh ja immer davon aus, dass das was jemand schreibt demjenigen auch wichtig ist und ich nicht nur gerade im Moment auf dem Schlauch stehe  

Ich finde die Radikalkur tatsächlich erleichternd, also besser so und finde es hebt nun das Ganze. Gratulation zu deinem Mut! 

Aufheben kann man das Baby aber schon....  so als Randnotiz im Arbeitsblatt, man weiß ja nie ob  nicht noch irgendwann  irgendwas daraus werden kann.

 

 

vor 11 Stunden schrieb Anonyma:

Eigentlich sagt die Strophe aus, dass das Gewissen nicht angeboren ist, dass 'es', also das Gewissen, vom Leben geformt wird und je nachdem, in welcher Kultur oder Gesellschaft ein Mensch lebt, auch von diesen geformt wird. Wenn das aber nicht klar 'herüberkommt', dann ist da ein 'Defizit'. Was deine Anmerkungen über die Vernunft angeht, das ist eine Frage der Perspektive, denke ich. 

 

doch doch, du hattest es schon ganz klar und deutlich ausgedrückt, fand ich und es ist  auch so, dass die Moralvorstellung der Gesellschaft da Gewissen bestimmt . Meine Überlegung war nur nicht präzise formuliert. Was ich meinte war, dass das was wir nonverbal als Kind vermittelt bekommen, wirkt später eher als Gefühl denn als Bewusstheit. Denn mit der Sprache entwickelt sich auch das klare Denken und deswegen würde ich die im Laufe des Lebens erworbenen Moralvorstellungen nicht als Gewissen bezeichnen, das für mich eher ein Gefühl als eine rationale Überlegung bzw die Anpassung an die soziale Gruppe ist,   wie es  z.B. Létranger in seinem Gedicht mit dem morgentlichen Ankleideritual  darstellt.

- ich hoff ich hab mich jetzt nicht noch mehr verstrickt-

Und eben die in der von dir gestrichenen Strophe angedachte Idee, meine ich ist schon wieder eine eigene Geschichte, über die Fesseln die uns die allgemeine Moral als Erwachsene auferlegt. Ein Gedanke der mir neulich auch so gekommen ist, dass wir uns vielleicht gerade mit unerwünschten Reaktionen davon hin und wieder explosionsartig davon befreien, sei es durch Lachen (bei überzogenen Witzen) oder durch üble Nachrede bzw Anschuldigungen oder Hasspredigten. Das stelle ich mir so vor, als wollte das nackte pure menschliche Ich sich von allem Zwang und jeder Einengung befreien um zu "sein" ein Ganzsein ohne Einschränkung... was wahre Freiheit wäre. Aber natürlich muss ein Zusammenleben auch reglementiert werden um das Überleben der Gruppe zu sichern

jetzt habe ich mich schon wieder dazu verleiten lassen Gedankenfetzen dazulassen  ... wer weiß was daraus  wird...

 

Liebe Grüße

Sali

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Nur zum Titel: Buchtipps:

Der Wahnsinn der Normalität, von Arno Gruen.

Die Pathologie der Normalität, von Erich Fromm, aus dem Nachlass

Beides Psychologen.

 

Wer möchte nicht normal erscheinen

und doch sich von der Welt losleinen?

Wer möchte schön verrückt erscheinen

und klinisch über Trümmer weinen?

 

Wer nur normal ist, scheint verrückt,

da ihm nicht eine Wahrheit glückt.

Wer nur verrückt ist nach der Wahrheit,

entgeht im Eifer manche Klarheit.

 

Drum lass uns einfach Sinne schauen,

dem Herz-Geist in der Seele trauen,

tätig täglich Arbeit tun

und mit der guten Laune ruhen.

.

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