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Die Erziehung des Mannes


Hera Klit

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Die Erziehung des Mannes

 

Er ist ein prächtiges Baby und der ganze Stolz seiner Mutter. Sein Vater schaut nur aus einiger Entfernung nach dem Wonneproppen.
Er wächst schneller heran als angenommen. Es werden tausende Fotos gemacht von der prächtigen Entwicklung dieses gut geratenen Burschen. 
Des Jungen Geschicklichkeit und sein Eifer im Spiel werden von der Mutter gelobt. Sogar im Schach schlägt er den etwas schwerfälligen Vater mit Leichtigkeit.

Schon wachsen ihm stramme Waden und die Mutter nimmt ihn bei Streitgesprächen gegen den Vater in Schutz. Auch seine guten Leistungen in der Schule erfreuen die Mutter von Herzen. Der Vater kann nur hilflos zuschauen, wie die Mutter seinen größten Konkurrenten hegt und pflegt. 

Doch plötzlich legt sich Mutters lieber Junge eine ganz linke Meinung zu und die Mutter muss öfter dem Vater durchaus recht geben, in heiß geführten Wortgefechten.
Was ist nur mit ihrem Jungen los?

 

Er wäscht sich nicht, er ist unrasiert und die langen Haare. Unmöglich so was. Die Mutter lässt ihn fallen, diesen linken Terroristensympathisanten, er muss sehen, wo er bleibt. Er sagt sich, er muss hier raus, die Enge dieses Hauses, dieser Kleinbürgermief bringe ihn sonst um.

 

Er studiert in der Stadt. Er hat eine Studentenbude. Trotz allem steuern die Eltern was bei. Endlich frei, keine Bevormundungen mehr. Das Studium zieht sich, er ist nicht so oft in den Vorlesungen. Er treibt sich wahrscheinlich herum. Der Vater sagt zur Mutter, er habe es ihr ja immer gesagt, dass es mit diesem Burschen nicht weit her sei. Die Mutter, sagt, dieser Bube sei die größte Enttäuschung ihres Lebens. Sie weint jetzt viel, wenn sie an ihn und seine Missratenheit denkt. Ob er jemals sein Studium abschließen wird? Ob er unter der Brücke enden wird?

 

Es kann jetzt alles passieren, er hängt irgendwie seelisch in der Luft. Aber dieses Gefühl der Freiheit ist das Risiko abzustürzen, absolut wert.

Er ist viel auf  Demos und in verrauchten Hinterzimmerdiskussionen, in denen Joints kreisen und Puppen auf den Tischen ohne BH und Schlüpfer tanzen.
Seine Partnerinnen wechselt er häufiger als seine Bettwäsche, denn er will auf keinen Fall ein Sparschwein wie sein Alter werden, der dauernd mit der selben pennt.

Er ist der Meinung, dass Gudrun und Andreas richtig liegen mit ihrer Interpretation des Freiheitskampfes. Vielleicht würde er nicht mitmachen, aber seine Wohnung würde er diesen Helden zur Verfügung stellen. Konspirativ eben. Man muss doch was tun für die richtige Sache. Dieser Tanz auf des Messers Schneide ist so was von geil, da spürt man, dass man lebt. Trau keinem über dreißig, macht kaputt, was euch kaputt macht, dazu steht er voll.

 

Dann trifft er seine Zukünftige zufällig in einem lahmen Schuppen, in den er eigentlich gar nicht gehen wollte. Sie mag seine Wildheit und Unberechenbarkeit, aber sie fragt sich schon, ob er noch zu retten ist. Obwohl er sie einige Male versetzt, hält sie zu ihm und gibt ihm noch eine Chance. Sie ist sich nicht sicher, ob er sie überhaupt will, aber sie wird ihn schon davon überzeugen. Er fühlt sich geschmeichelt, wenn sie sagt, sie schaue ihn gerne an und sie höre ihm so gerne zu. Plötzlich kann er sich eine feste Beziehung mit ihr irgendwie vorstellen, auch weil sie ihn so bewundert und alles, was er sagt und macht richtig toll findet.
Sie ist stolz auf ihn. So einen Mann hat sie sich immer gewünscht. So aufgeschlossen und emphatisch und so einfühlsam.
Schon haben sie eine eigene Wohnung und ein Kind kommt und er muss das Studium endlich abschließen. So ein Kind braucht einen Ernährer. Seine Frau traut ihm zu, dass er das alles schaffen wird, denn sie sagt, er sei doch intelligent und kein Rumtreiber mehr. Im Bett sei er auch viel besser als ihre Ehemaligen, sie sei noch nie so glücklich gewesen. Weil alles so prima läuft, beschließt man zu heiraten. Er ist sich jetzt ganz sicher, dass es richtig war, den bürgerlichen Weg einzuschlagen. Dank seines gut bezahlten Jobs kann man sich ein Haus kaufen. Die Raten sind hoch, er muss immer häufiger Überstunden machen, um auch noch den Urlaub bezahlen zu können. 

Naturgemäß kommt er spät von der Arbeit und dann ist er freilich ziemlich gerädert und es fällt ihm dann schwer, adäquat auf die Probleme seiner Frau einzugehen. Sie wünscht sich einen Mann, der zuhört und geduldig ist und der Lösungen anzubieten hat. Im Urlaub ist er missmutig, weil die Sorgen um den Job und der Konkurrenzkampf ständig zunehmen. Die Jahre ziehen sich. Man schleppt sich hin.

 

So hat sich seine Frau das nicht vorgestellt. Seine Uninteressiertheit an ihr, seine Unordnung, seine stinkenden Socken und seine Lustlosigkeit im Schlafzimmer. Von ihren Ehemaligen kenne sie solch ein Versagen nicht. Die hatten es echt drauf, das müsse sie jetzt schon mal feststellen. Auch sei deren Männlichkeit irgendwie größer gewesen. 
Aus! Damit hat sie ihn fallen lassen. Er hängt in der Luft. Irgendwie kommt ihm das Gefühl bekannt vor.

 

Warum gab er seine Freiheit auf? Das war extrem unvorsichtig gewesen, er hätte die weibliche Seele doch kennen müssen. Er ist für sie nur gut, lieb, schön und intelligent, solange er ihre Wünsche erfüllt. Ansonsten ist er absolut wertlos, wie ein Droschkengaul, der den Wagen nicht mehr ziehen kann.

Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten für ihn. Er kann dem Suff verfallen und abrutschen, er kann sich eine andere suchen und das Spiel noch mal von vorne beginnen, oder er kann als seelenloser Zombie so weitermachen, wie seine Frau es von ihm erwartet.

 

All diese Aussichten kommen an den Traum seiner Jugend, als er glaubte, in Che Guevaras Fußstapfen treten zu können, nicht im Mindesten heran.

Das war nichts besonderes, nur ein durchschnittliches Männerschicksal.


Solange Männer hauptsächlich von Frauen erzogen werden, wird es Kriege geben.

                                 


 

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Liebe Hera, Sehr gut geschrieben. Halb erfunden, paar Fünkchen Wahrheiten?.....Durch diese Schilderung sehe ich wie das LI schlechte Erfahrungen mit dem Weiblichen Geschlecht machte einerseits. Andererseits ist der letzte Satz mächtiger Zündstoff. We are all colored by our experiences in life. Wir sind alle durch unsere Erfahrungen im Leben gefärbt.....wobei dies in Deutsch merkwürdig klingt. Will heissen.....erlebtes dient auch der Fortbewegung des Lebens und die daraus schliessende Entscheidungen die man trifft sowohl auch Absichten die man vertritt oder unverändert  drauf beharren. Ich vermute LI fühlte sich zu verhätschelt als Junge. Die Ablehnung der Mutter, in sein Erwachsen werden, ihn nicht als Individium akzeptiert.  (übrigens tun manche Väter auch nach diesen Muster agieren. Goldig als Kind. Und schwupps wächst es auf. Hat seine eigene Meinung die nicht mit übereinstimmt.....und schon ist der Streit vorprogrammiert.) I want to tell Lyrische Ich "Nicht Jede/Jeder ist so" Your Text is revolutionary. And opens the door to much discussion. You are a brilliant writer. Engaging reader in thought and opinion. Dein Text Revolutionär. Öffnet die Türe der Diskussion. Du bist begabte Schriftstellerin. Bewegst  die Leser in Gedanken, Meinungen, Einstellungen, und  im Standpunkt. 

Liebe Grüsse, Donna

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vor 3 Minuten schrieb Donna:

Liebe Hera, Sehr gut geschrieben. Halb erfunden, paar Fünkchen Wahrheiten?.....Durch diese Schilderung sehe ich wie das LI schlechte Erfahrungen mit dem Weiblichen Geschlecht machte einerseits. Andererseits ist der letzte Satz mächtiger Zündstoff. We are all colored by our experiences in life. Wir sind alle durch unsere Erfahrungen im Leben gefärbt.....wobei dies in Deutsch merkwürdig klingt. Will heissen.....erlebtes dient auch der Fortbewegung des Lebens und die daraus schliessende Entscheidungen die man trifft sowohl auch Absichten die man vertritt oder unverändert  drauf beharren. Ich vermute LI fühlte sich zu verhätschelt als Junge. Die Ablehnung der Mutter, in sein Erwachsen werden, ihn nicht als Individium akzeptiert.  (übrigens tun manche Väter auch nach diesen Muster agieren. Goldig als Kind. Und schwupps wächst es auf. Hat seine eigene Meinung die nicht mit übereinstimmt.....und schon ist der Streit vorprogrammiert.) I want to tell Lyrische Ich "Nicht Jede/Jeder ist so" Your Text is revolutionary. And opens the door to much discussion. You are a brilliant writer. Engaging reader in thought and opinion. Dein Text Revolutionär. Öffnet die Türe der Diskussion. Du bist begabte Schriftstellerin. Bewegst  die Leser in Gedanken, Meinungen, Einstellungen, und  im Standpunkt. 

Liebe Grüsse, Donna

Vielen Dank, liebe Donna.

 

Liebe Grüße

Hera

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