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Was wär ich ohne dich, du mein geliebtes Fleisch?
Du bist so rosig, zart und reizend anzuseh’n.

Und dieser süße Duft macht mich verrückt, ich nähm‘

dich ganz allein. Doch sieh: Wir haben Gäste. Husch,


Freund Publikum, ihr müsst nicht länger warten, nascht!

Friss, Made Nimmersatt, dich reichlich fett und schön.

Lass, feine Fliege, uns dich herzhaft schmatzen hör‘n.
Gebt ein Konzert zum Schmaus und knuspert, knirscht und zischt.
 

All mein Empfinden ist indes ein Selbstgespräch.
Kein Laut könnt sagen, was mein Schweigen sagen kann.
Die Gier in schwarzen Augen wird dir nicht gerecht.

 

All meine Freude über dich, mein Fleisch, bleibt stumm.

So lange, bis du ganz und gar verschwunden bist. Und ich?

Ich bleib unendlich, Tod und Schöpfer, der ich bin.

 

 

_________

© 2020

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Hallo Dali Lama,

nur ein Vokal trennt dich von jenem mysteriösen Menschen, von dem, ab und an, in den Medien berichtet wird.

Dein Gedicht ist großartig. 

Der Leser kann hier drei Konnotationen entdecken: Eine erotische, eine gastronomische, eine eschatologische. 

Dabei sind sie alle drei, irgendwie, eng verbunden. 

Einer der Höhepunkte im Leben eines Stadtmenschen ist es, in einem Bistro in Paris einen Rumpsteak zu essen. Das ist etwas, was Veganer nie verstehen werden. 

Dabei wird ihr Fleisch, nach dem Tod, mit großem Appetit von den Maden verzehrt. Genau wie bei den Fleischfressenden.

Nach einem guten Orgasmus einen Chateaubriand im Café de la paix, das ist das Paradies, viel besser als Licht im Licht sein.

Liebe Grüße

Carlos 

 

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Moin Dali Lama,

 

ich sehe hier ein modernes Sonett in Alexandrinern, das mich nicht nur von der Form an Andreas Gryphius' "Es ist alles eitel" erinnert. Die Vergänglichkeit ist auch bei dir der Leitgedanke, allerdings nicht aus menschlicher Sicht, sondern aus der Perspektive der Schöpfers. Das macht den Text interessant!

 

Hochinteressant wird es dann in den Terzetten! Hier führt das Vanitas-Motiv nicht etwa zur Vertröstung auf ein Leben nach dem Tod. Nein, hier erfahre ich, dass der Schöpfer sich nur im Selbstgespräch befindet und seine Freude über die Erschaffenen stumm bleibt. Das lese ich als Religionskritik. Die heiligen Schriften werden ja von den monotheistischen Religionen als Gottes Wort ausgelegt, was der Schöpfer hier aber klar dementiert. 

 

Sehr schön, wie sich die Vergänglichkeit in der Formgestaltung niederschlägt. Die Quartette haben noch eine deutliche Mittelzäsur, die dann mehr und mehr verschwimmt und sich in den Terzetten ganz verliert. Auffällig sind auch die Assonanzen (der Mensch kann sich keinen rechten Reim auf den Schöpfer machen) in den inneren Quartettversen. Besonders gelungen finde ich den Vokalwechsel in den "Reimwörtern" der äußeren Quartettverse. Hier ist der Reim gewissermaßen schon in Verwesung übergegangen und hat sich in den Terzetten dann völlig aufgelöst.

 

In V13 fällt ein 7. Versfuß auf:

 

So lange, bis du ganz und gar verschwunden bist. Und ich?

 

Das zusätzliche "Und ich?" stützt hier wunderbar die Aussage und leitet geschickt den Schlussvers ein.

 

Eine klasse Arbeit! Ich bin sehr angetan! Es lohnt sich mit Sicherheit, hier inhaltlich noch viel mehr ins Detail zu gehen. Da gibt es noch einiges zu entdecken. Ich hoffe, ich finde die Zeit, oder jemand anderes schaut nochmal genauer hin.

 

LG Claudi

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Hallo Dali Lama,

 

dein Sonett gefällt mir ebenfalls sehr gut und in der Tat gibt es einiges zu entdecken.

 

Ich kann leider nur kurz einen weiteren Aspekt in die Runde geben:

 

Bei "Freund Publikum" fiel mir das Gedicht von Goethe ein, das ich hier, lange genug ist es ja her, zitieren möchte.

 

 

Was wär ich
Ohne dich,
Freund Publikum!
All mein Empfinden Selbstgespräch,
All meine Freude stumm.

 

Ja, das wurde in diesem  Sonett sehr gelungen neu in Szene gesetzt, mit einem düsteren Touch von Einsamkeit ( Die Gier in schwarzen Augen wird dir nicht gerecht ), wie ich finde, wenn Maden und Fliegen von dem mystischen Einen als "Freund Publikum" angesprochen werden, mit denen er sich sein geliebtes Fleisch, seine Schöpfung teilt. 

 

Sehr gerne gelesen,

Mi

 

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Liebe Mi,

 

vor einer Stunde schrieb Miserabelle:

Bei "Freund Publikum" fiel mir das Gedicht von Goethe ein,

 

wo ist der Hammer, den mensch sich auf den Kopf haut, wenn es erkennt, wie vernagelt es war? Boah, wie konnte ich das übersehen? Schön wäre es auch, hier unsere beiden Interpretationsstars @Gewitterhexe und @SalSeda mit auf den Plan rufen zu können. Den Versuch ist dieses Sonett jedenfalls wert.

 

LG Claudi

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Liebe alle, vielen Dank für eure rege Beteiligung 🙂

 

 

Moin @Herbert Kaiser,

ja, dieser Schöpfer schweigt und genießt, er bittet aber gar nicht so exklusiv nur den Mensch zur Tafel. 
Alles Lebende, Atmende ist ihm willkommen!

 

 

Moin @Carlos,

ja, diesem Namen gingen schlaflose Stunden und intellektuelle Höchstleistungen voraus. Und dann ist es doch nur dieser geworden. Kann man nichts machen!
Danke für deine thematische Aufschlüsselung. Mein primärer inhaltlicher Anstoß war die Vergänglichkeit, dein Begriff klingt aber deutlich cooler! 
Das Kulinarische und auch das Verführerische waren da durchaus als Nebenspieler gewollt, sind sie doch ebenso betroffen von Vergänglichkeit. 
Auf dass du noch lange vom Chateaubriand im Café de la paix zehrst und dieser Bissen hier dir nicht den Appetit verdirbt!

 

Moin @Claudi,

 

also wenn du die Claudi bist, von der ich denke, dass sie's ist, freu ich mich ja gleich doppelt, dich hier unter meinem Text zu sehen 😉

 

Danke für deine spannenden Gedanken. Beim Thema "Schöpfung" ist der Weg nicht weit zu Gott und so habe ich deine Verknüpfung auch zur Religionskritik gespannt gelesen. Ich bin nicht sicher, ob der Schöpfer hier in meinem Text Gott ist, vielleicht ein Teil? Im Endeffekt ist ja alles Gott und wir alle steuern einem Schicksal entgegen^^

 

Ja, da ich recht formversessen bin, war es mir wichtig meine Thematik auch darin irgendwie darzustellen. 
Das Klinggedicht kam mir daher gelegen, möglichst unklingend, missklingend die Vergänglichkeit voranzubringen. 

 

Danke für dein genaues Auge bei Vers 13!
Nun ist es eine Weile her, dass ich den Text geschrieben habe, daher kann ich nicht mehr mit Gewissheit sagen, mit welcher Intention ich den Vers verlängert habe. Die Fokussierung zurück auf den Schöpfer, nachdem er so lange genoss und schwieg, ist aber auf jeden Fall nötig. Sicherlich hätte ich den überzähligen Versfuß auch vermeiden können, da muss ich mich selbst noch einmal durchinterpretieren 😉

 

Moin @Miserabelle,

 

danke für deine aufmerksame Auflösung, ja, genau: Diese Verse von Goethe sind die Grundlage meines Textes. 
Leider war das gar nicht meine eigene geniale Idee. Der Text ist im Rahmen eines Forenwettbewerbs entstanden - ich weiß gar nicht mehr, wie mein Text da abgeschnitten hat - aber das Forum gibt es leider auch nicht mehr, was mich überhaupt (wieder) hierher geführt hat. 
 

 

Ich freue mich jedenfalls, dass wir hier so produktiv zusammenfinden, danke 🙂

 

LG Dali Lama

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