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Dunkler Fluss - erste Versgeschichte - Kapitel 4/10


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Sein neues Zimmer bot Adalar,

was er daheim besaß, an Mobiliar.

Die Wirtsleute verlangten großzügig kein Geld.

Von Thyia, deren Tochter, wurde Bettzeug gestellt,

als sie wenig später fast unhörbar pochte,

und da er sich ihr nicht verschließen mochte,

sah sie ihm zu, halb im Rahmen, halb im Flur.

Meerblau schimmernde Augen unter der Zwirbelfrisur.

Ihre Anwesenheit trieb ihn jäh in einen Sog,

dem er sich, als er das Bett frisch bezog, nicht entzog,

hastig schwimmend zu einem rettenden Wort:

“Ist nicht unbedingt viel los hier im Ort.“

“Nicht viel los?“ – “Kaum wer auf der Straße, hier in der Bleibe.

In der Stadt verstünde man keinen Ton mehr beileibe.

Nur im Dunkel hörte ich vom Ufer jüngst Schritte.“

“Möchtest du mitkommen?“ – “Wie bitte?“

“Zum Fluss. Wir treffen uns dort jede Nacht.

Ich kann dich abholen, sobald mein Vater dicht macht.“

Nun verschlug es ihm endgültig die Sprache.

“Also, sehen wir uns nachher?“ – Sein Nicken bejahte.

 

Beide folgten einer Ader vom Ort hinaus.

Dort brach sie aus ihrem schmalen Gehaus,

ergoss sich zu reinweg flüssigem Land,

umgeben von Felswand und bröckligem Strand.

Doch nicht nur die Jugend, alle Altersschichten,

zu Hunderten sich im Gewässer erfrischten,

verquickt zu einem hautfarbenen Gemisch,

das ein Pinsel kreisend im Becken auswischt –

oder am mondklaren Ufer hofierten.

Einen Klecks sie als Roy identifizierten.

Adalars Hemmung spürte man deutlich,

ohne Bemerkung zog Thyia ihn mit sich,

einen Weg, still wie ihr Gefährte, hinauf,

weg von dem zwanglosen Menschenauflauf,

zu einer entlegeneren Quelle,

die Folge fließender Wasserfälle.

Auf der Stelle ließ sie seine Hand nieder,

fallen Beinkleid, Bluse samt Mieder,

und stieg nacktwandlerisch in den Pond,

ihre schwindende Rückenfront sein Horizont.

Dann versank diese Sonne vornüber im Meer,

auftauchend, nur Sekunden später:

“Das Wasser ist warm. Magst du nicht rein?“

Lockende Hände luden ihn ein.

Adalar staunte über so viel Freimütigkeit,

spontan zog es ihn aus, in die Flüssigkeit,

und je weiter er sich deren Dämpfen hingab,

desto weniger lief er, sog ihn etwas hinab,

bis es seinen Leib gänzlich wehrlos verschlang,

und nach Lebendigkeit atmend wieder entband.

Wild um sich schlagend suchte Adalar sich zu halten,

Thyias Arme ihm dabei umschlingend halfen.

Ihr verschwommener Körper vor seinem erschien;

in ihren Augen der Fluss.

Dann küsste sie ihn.

 

Kapitel 5: https://poeten.de/forums/topic/35998-dunkler-fluss-erste-versgeschichte-kapitel-510

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