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Wahrnehmung im späten November


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Wahrnehmung im späten November

 


Des späten Herbstes bunte Flor
verwandelt sich in Grau.

 

Aus voller Traufe Regenwasser tropft,
als zählte einer Zeit, die uns noch bleibt.

 

Lichte Tagesstunden rasch verblassen.
Schatten, lang und länger, tauchen ab in Dunkles.

 

Autolichter sprühen Pfützen auf das Pflaster.
Heimkehren schafft neuen Sorgen Platz.

 

Hinter Fenstern Illusionen flimmern,
Kälte aus der Welt nach innen drängt.

 

Warum Messen für jene, die gegangen?
Niemand weiß, wohin. Erreichten unsere Gebete sie?

 

Verschlossen das Tor zur anderen Welt.
Manchmal öffnet es sich ein wenig im Traum.

 

Kein Trost in Flaschen. Wem danken für Gebrechliches?
Immerhin: stundenweises Vergessen gratis im Schlaf.

 

Demnächst will uns die Hochglanzwelt wieder
leuchten ins Heim. Dieses Mal jedoch gedämpfter.

 

„Black Friday“ steht auf dem Merkzettel. Seit 1929!

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Dein Gedicht gefällt mir, lieber Carolus. 

Vergleiche ich es mit der Malerei, würde ich sagen: Es fängt impressionistisch an und endet expressionistisch.

Bis "Autolichter sprühen Pfützen auf das Pflaster" ist es impressionistisch, ab dort tritt, wie bei den deutschen Maler jener Stilrichtung, das Innere in den Vordergrund, die Umwelt wird von der inneren Welt des Malers überschattet.

Liebe Grüße

Carlos

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Lieber Carlos,

 

herzlichen Dank für Deine kluge Analyse, denn sie deckt sich ohne Abstriche mit der zentralen Intention des Textes: 

- Zuerst die Eindrücke des Atmosphärischen des "Malers" von einem jahreszeitlich typischen späten Novembertag ("Impressionen"), anschließend der Ausdruck seelischer Bedrängnisse, für die es allenfalls stundenweises Vergessen im Schlaf gibt. ("Expressionen")

Zum Schluss die unsanfte Rückkehr zur Realität aus ironisch distanzierender Sicht.

Besonders gefallen hat mir der Vergleich mit den beiden Stilrichtungen der modernen Malerei, wobei mir die expressionistische als die konsequentere

in der Gesamtentwicklung der Malkunst erscheint.

 

Dir einen möglichst noch sonnigen Novembergruß

 

Carolus

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Lieber Carolus,

 

die Herbststimmung in deinem Gedicht hat mich erreicht! Ich möchte dazu ein paar Stellen

hervorheben:

 

Am 24.11.2022 um 09:04 schrieb Carolus:

als zählte einer Zeit, die uns noch bleibt.

Irgendetwas mahnt uns, immer öfter daran zu denken - das Wasser aus der Traufe, mal schneller, mal langsamer, ist gut geeignet, da es einschläfernd und betäubend wirkt und nachdenklich stimmt. Ich mag es, den Tropfen zuzuhören - sie haben einen ganz besonderen Klang, bei dem man träumen kann.

 

Am 24.11.2022 um 09:04 schrieb Carolus:

Schatten, lang und länger, tauchen ab in Dunkles.

Es fällt auf, dass du nicht "ins Dunkle" schreibst (das einheitliche). Im "Dunklen" sehe ich viel mehr und finde, dass es gut zum Thema passt.

 

Am 24.11.2022 um 09:04 schrieb Carolus:

Heimkehren schafft neuen Sorgen Platz.

🙂😉

Nicht zuletzt diese:

Am 24.11.2022 um 09:04 schrieb Carolus:

Hinter Fenstern Illusionen flimmern,
Kälte aus der Welt nach innen drängt.

 

Es freut mich, dass du das so klar aussprichst:

Am 24.11.2022 um 09:04 schrieb Carolus:

Warum Messen für jene, die gegangen?
Niemand weiß, wohin. Erreichten unsere Gebete sie?

Man wüsste es gerne, doch manchmal - warum auch immer - öffnet sich gerade dieses Tor (der Traum) nicht oder nur ganz selten.

 

Ich wünsche, dass das alljährliche Leuchten, das ins Haus steht, auch in diesem Jahr mehr von innen kommt und aus der Freude des Zusammenseins mit der Familie!

 

Dein Gedicht leuchtet schon - und zur richtigen Zeit! Vielen Dank dafür! 🙂

 

Einen lieben Gruß und einen schönen ersten Advent

in den Wald der dichten Stämme! (Ganz weit haben es meine Grüße nicht bis dahin.)

 

Nesselröschen

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Liebe Nessie,

 

was kann einem Schreibenden von Gedichten Besseres widerfahren als die Nachricht, dass der Inhalt einem anderen Menschen berührt und dieser sich mit den Zeilen näher auseinandersetzt.

 

Gefreut habe ich mich über die ausgewählten Stellen und Deine Anmerkungen, besonders über "das Wasser aus der Traufe", über "Illusionen flimmern", verbunden mit "Kälte von außen" und über " jene, die gegangen? Niemand weiß wohin."

 

Wie aufmerksam Du den Text gelesen hast, lässt schon eine kleine Beobachtung ("in Dunkles" statt "ins Dunkel" erkennen. Das ist schlichtweg das Tüpfelchen vom "i" in Deinem Kommentar.

 

Abgesehen von Deinem "lieben Gruß", bewegt mich Deine abschließende Feststellung: "Dein Gedicht leuchtet schon - und zur richtigen Zeit! Vielen Dank dafür! 🙂". In diesem Falle möchte ich mich herzlich für soviel Lob bei Dir bedanken und Dir und Deinen Lieben eine innerlich erfüllende Adventszeit wünschen.

 

Liebe Grüße

Carolus

 

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