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Was man ist oder was man sein könnte


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Was man ist oder was man sein könnte

 

 

Wenn er als Knabe dereinst seine zarten Muskeln spannte und davon träumte, einmal einen Brustkorb und pralle Bizeps zu haben, wie der von ihm so bewunderte Bon Scott, der seiner Meinung nach wirklich der beste und authentischste Tarzandarsteller war, dann durchfuhr ihn ein Gefühl der tiefen, vorahnenden Befriedigung.

In Kämpfen und Raufereien mit Gleichaltrigen war er meist Sieger, aber weniger aufgrund seiner Stärke und Größe -denn er war fast immer der Kleinste seiner Schulklasse-, sondern wegen seiner Wildheit und Entschlossenheit zu siegen.

All die Filmhelden von Spartakus bis Lederstrumpf waren seine Leitsterne und bei seinen Mutproben und Wettkämpfen gaben sie ihm als Vorbilder die benötigte Kraft und Zuversicht.

Mit einer derartigen Einstellung kommt der glückliche Umstand einher, dass manche Niederlage, die vielleicht auch stattgefunden hat, schonend ausgeblendet wird, oder zumindest durch mildernde Ausschmückungen verkraftbar und vergessbar gemacht wird.

So darf man sagen, er befand sich auf der Siegerstraße, auf dem Siegeszug hin zu einem respektablen, von aller Welt geachteten und vielleicht sogar gefürchteten Mannsbild.

Manchmal sind es kleine Ereignisse oder leichtfertig hin gesprochene Worte eines Außenstehenden oder einer flüchtigen Bekannten, die ganzen Lebensläufen unvermittelt eine neue Richtung geben können. In seinem Fall waren es die kaum reflektierten Worte einer Nachbarin, die er zu seinen Eltern sagen hörte: „Euer Sohn sieht aus wie ein Mädchen.“

 

Diese zersetzenden Worte sickerten ein in sein noch kindliches Bewusstsein und begannen dort ihr unbarmherziges Zerstörungswerk an seinem Selbstbild und an seinen Zukunftshoffnungen. Der Schaden war angerichtet, die Sache war unumkehrbar.

Alle Helden sämtlicher Filme verfügten doch über kantige maskuline Gesichter, als eins ihrer wichtigsten Attribute. Kein einziger Held hatte auch nur den Hauch eines femininen Anflugs in seinem Antlitz. So etwas gab es definitiv nicht.

Nun wurde ihm klar, warum er, wenn er vor dem Spiegel mit gespannten Muskeln posierte, immer eine gewisse Unrichtigkeit gespürt hatte. Da waren die Muskeln eines heranwachsenden Mannes, aber das Gesicht eines lieblichen Mädchens. Eine Disharmonie, die sich durch nichts aus der Welt schaffen ließ.

Da er sich von jeher mit nichts weniger als der Perfektion zufriedengeben wollte, beschloss er noch in jener Nacht, sein Schicksal anzunehmen und sich nicht zum maskulinen Helden, sondern eben zur femininen Schutzlosen entwickeln zu wollen. Kaum, dass er diesen Entschluss gefasst hatte, glaubte er auch sich zu erinnern, solcherlei Anlagen und Vorahnungen doch auch schon lange unterschwellig gespürt zu haben. Hatte er nicht des Öfteren gehofft, bei der Rauferei mit einem größere, stärkeren Jungen, von diesem überwältigt zu werden und gefesselt und geknebelt als dessen Opfer und Beute betrachtet zu werden? Sicher, war das so gewesen. Jetzt konnte es heraus. Das war auch eine Befreiung.
So wird es niemanden wundern, wie schnell doch die äußere Verwandlung in ein feminines, androgynes Wesen dem inneren Herzensentschluss folgte.
Die Verwunderung seines Umfeldes war weniger groß, als er zunächst hatte annehmen und befürchten müssen.
Ja, manche Reaktion von Bekannten und Verwandten schien mehr darauf hindeuten zu wollen, dass da nun ein Prozess ablief, den man nicht weniger als selbstverständlich erwartet hatte.
Ist es nicht oft so, dass unsere Mitmenschen mehr über uns und unsere Bestimmung zu wissen im Stande sind, als wir selbst? Der erwartete Protest blieb gänzlich aus. Dennoch konnte er bemerken, von seinem Vater weniger zu Männerarbeiten herangezogen zu werden, als das bisher der Fall gewesen war. Mehr bewegte er sich nun im Haus in der Welt der Mutter und er beriet diese sogar in manchen Modefragen und war willkommen, mit seiner Meinung und seinen Ansichten über derartige Sachverhalte, die einen echten Mann nun wirklich nicht interessieren und nichts angehen.

So mutierte er natürlich folgerichtig letztlich zu.... Zu was? Zu etwas, was es nicht geben kann und darf. Denn nun war er kein Mann und leider auch keine Frau. Ein Geschöpf, das in den meisten Regionen dieses unseres Landes nicht einordenbar ist.

Was soll mit einem solchen Menschen geschehen? Welchen Platz soll er finden im Leben? Einem Mann kann er keine Kinder schenken, aber einer Frau schon.

Deswegen heiratete er bei der nächst besten Gelegenheit. Hatte er doch eine Frau gefunden, die sich nach vielen wenig erbaulichen Erfahrungen mit durchschnittlichen maskulinen Unholden, darauf besonnen hatte, es einmal mit einem weniger maskulinen und machohaften, aber dafür netten und freundlichen und strebsamen und arbeitsamen Burschen zu versuchen.
Solche Frauen erkennen ja letztlich fast immer, dass die sexuelle Anziehung und die sexuelle Befriedigung nicht folgerichtig in ein friedfertiges und ordnungsgemäß geführtes Familien- und Eheleben einmünden muss. Nein, oft verhindert sie dies geradezu.


Nun könnte ja alles seinen guten Gang gehen. Kinder werden geboren und die Familie wächst und Karrieren werden gemacht und Urlaube und Urlaubsbilder mit Töchtern und Söhnen auf dem Arm und in den Kinderwagen, mit dem schiefen Turm im Hintergrund und alles läuft wie vorbestimmt. Doch Hoffnungen, Sehnsüchte und tiefes Verlangen können lange in Herzen schlummern wie Larven von bunten Schmetterlingen in unansehnlichen graubraunen Kokons, aber irgendwann wollen sie heraus.

Und so ist man dann im Österreichischen und wandert und kam unter in einer Ferienwohnung bei einem resoluten und herrschsüchtigen gestrengen Herren. Und plötzlich, ganz unerwartet kommen da Gefühle ins Spiel, die in eine geregelte Ehebeziehung nicht hineinpassen.


So etwas ist nicht vorgesehen. So etwas kann nicht gutgehen. Da fühlen plötzlich beide Eheleute ein Hingezogensein zu jenem dominanten Herbergenbesitzer und jener versteht es Zeichen zu deuten und seine Chancen zu nutzen und, da selbst nicht wählerisch und festgelegt, die beiden unbedarften und in solcherlei Dingen ungeübten Protagonisten getrennt voneinander heranzunehmen und auszunutzen.

Man weiß nichts davon, dass sich auch der/die andere hingab, sich die Geräte und Spielsachen im versteckten Keller zeigen ließ und sich verführen ließ, diese auszuprobieren und es genoss sich bis auf Blut demütigen zu lassen und benutzen zu lassen.

 

Jeder für sich beschließt Stillschweigen zu bewahren und die Sache als zwar geschehen, aber für den Alltag als nicht relevant zu behandeln.

Das ginge auch gut, wenn da nicht der Wunsch nach Wiederholung als ständig nagernder Störfaktor die Herzen aufwühlen würde.

So dauert es dann gar nicht lange, bis im Einerlei des Alltags ein Grund auftaucht oder gefunden wird, der eine sofortige Trennung unabwendbar erscheinen lässt.

Dann findet man sich alleine in einer bescheidenen Dachwohnung, in irgendeinem heruntergekommenen verrufenen Stadtteil, mit nichts als der Hoffnung im Herzen seinen nagenden Wünschen nun ungestraft freien Lauf lassen zu dürfen.

 

Sind wir so gnädig und lassen hier unseren zarten androgynen Helden alleine und wünschen wir ihm Glück auf seinem weiteren, gewiss auch schwierigen, aber vielleicht erfüllteren Lebensweg. Es soll ja vorkommen, dass es funktioniert.

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