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Wir besuchten u.a. größere Städte, wie Huntsville, mit seinem von Wernher vom Braun aufgebauten “Space Flight Center“ und Tuscaloosa am “Black Warrior River.

Ich gebe gerne zu, dass ich mich an Details heute kaum noch erinnern kann außer, dass diese Städte in ihren Zentren alle ziemlich uniform aussahen, weil sie noch nicht einmal 200 Jahre existierten und ihnen über Jahrhunderte gewachsene Baustrukturen und Baustile, ja die ganze Geschichts - und Kulturentwicklung Europas, als Hintergrund  fehlte. 

Nach Taladega mit seinem “Super Speedway Rundkurs“, begleitete uns Leroy, sodass wir gemeinsam an einem Autorennen mit seinen bunten, hochgetunten Alltagsautos teilnehmen konnten. Eine wirklich verrückte Erfahrung, weil die Autos mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit, wie in einer Versuchsanlage, Runde um Runde drehen. Die Stimmung war toll, da die Amerikaner wirklich autobegeistert sind und das Tuning von Autos einen hohen Stellenwert hat. Eine echte Familienveranstaltung, ganz anders als die Tourenwagen Rennen am Nürburgring, an denen ich mit Freunden teilgenommen hatte, und die damals, im Gegensatz zu heute, eher von Motorsportenthusiasten besucht wurden. Von einem dieser Rennen ist mir ein Ford Cobra Fahrer in Erinnerung geblieben, dessen Hände durch die permanent notwendigen Lenkradbewegungen der kurvigen Rennstrecke blutig aufgerissen waren. Handschuhe und Haut hingen in Fetzen herunter. Bei einer reinen Rundstrecke konnte das nicht passieren.

Leroy lud mich dann auch noch zu einer Bootsfahrt, unter Männern, mit seinem schnellen Motorboot, auf einen der großen Flüsse, Alabamas ein, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. Der Fluss führte durch ein riesiges Urwaldgebiet, in dem wir, bis auf allerlei Getier, das in den Bäumen turnte oder plötzlich aus dem Wasser schoss, allein zu sein schienen. Nur einmal entdeckten wir einen auf einen farbigen Menschen, der mit seiner Angel selbstvergessen am Ufer stand und uns mit der anderen Hand zuwinkte. Der Himmel über uns war von den riesigen Baumkronen und dem unendlichen Gewirr von Blättern und Ästen fast zugedeckt. Überall hingen Lianen und andere Schlingpflanzen von oben ins Wasser. Nach etwa 2 1/2 Stunden Fahrt mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit, drehten wir um, da zu befürchten war, dass uns sonst der Sprit ausgehen würde, was in diesem unbesiedelten Gebiet nicht angeraten schien.

   „Wir könnten noch ein paar Stunden weiterfahren“, sagte Leroy, dann hätten wir den Hauptfluss, in den dieser Seitenarm mündet, immer noch nicht erreicht.“

 Natürlich war ich von der Fahrt durch den Urwald beeindruckt, hatten wir doch zuerst giftige Wasserschlangen vertreiben müssen, bevor wir ins Boot steigen konnten. Leroys Warnruf „Take care oft he snakes“ hatte ich, noch völlig im deutschen Denken verhaftet, so verstanden, als solle ich mich vor den Mücken (Schnaken) in Acht nehmen. Erst als er mit einem Holzknüppel gezielt die Schlangen vertrieb, die ich überhaupt nicht wahrgenommen hatte, wusste ich, was er gemeint hatte. Das war meine erste Begegnung mit dem Urwald, von dem ich als Kind in allen möglichen Abenteuerbüchern gelesen hatte.

Leroy war ein zuverlässiger und aufmerksamer Führer, der sich rührend um mich kümmerte und sich große Mühe gab, mir alle Fragen in Bezug auf Pflanzen und Tiere, die ein unerfahrener, junger Mann so stellen kann, zu beantworten. Ein Grund mehr für mich, mich auf keinen Fall mit seiner Frau einzulassen.

Wenn sie mich schon nicht “haben“ konnte, so wollte Karla sich wenigstens mit mir sehen lassen. Deshalb besuchten wir gemeinsam mit einer Nachbarin, heiß genug war es ja, einen großen, öffentlichen Badesee, um uns dort zu sonnen und schwimmen zu gehen.

Als wir unsere Tickets für das Strandbad lösen wollten, sah ich auf dem Tisch neben der Kasse etwa zwanzig Gläser mit unterschiedlichen kleinen Schlangen stehen. Als Karla mein Erstaunen bemerkte, sagte sie:

“ Das ist die Arbeit des Bademeisters. Bevor Gäste eingelassen werden fischt er alle Schlangen aus dem See und veranstaltet einen tüchtigen Krach, damit die, die er nicht fangen konnte, wissen, dass sie hier nichts mehr zu suchen haben. Ich hoffe, das macht dir nichts aus“.

Was blieb mir anderes übrig, als tapfer zu nicken. Als ich sah, dass die anderen Gäste auch keine Angst hatten ins Wasser zu gehen, traute ich mich ebenfalls hinein und hatte die Schlangen im kühlen Nass bald vergessen. Außer uns waren auch einige sehr gut gebaute dunkelhäutige Männer und Frauen anwesend. Sie strahlten, wie man neidlos zugestehen muss, eine selbstverständliche Kraft und Eleganz aus.

Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, warum man den farbigen Mitbürgern solange unterdrückt und ihnen ihre Rechte vorenthalten hatte: Ihnen gegenüber wirkten ihre weißen Mitbürger in ihren Badehosen eher schlaff und farblos. Die Weißen hatten, das war mein Gefühl, unbewusst Angst vor einem Ausbruch der Energie, die diese Menschen ausstrahlten und die sich ja auch gegen sie wenden könnte. Grund genug hätten die früheren aus Afrika verschleppten Sklaven gehabt, die man lange Zeit nur ausgenutzt und schlecht behandelt hatte. Auch ich konnte mich der Wirkung ihrer Körperlichkeit nicht entziehen und hätte mich sicher nicht mit ihnen angelegt. Die Rassentrennung war, auch in Alabama, gegen den Widerstand der weißen Bevölkerung aufgehoben worden.

 

aus: Reise New York /Adger/Alabama/Panama City/Georgia /New York 1969

© Thomas W.Bubeck                                         „Buntes Leben“ 21    

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