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Beste Freundinnen?


Paula

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Wie jeden Samstag um zehn Uhr treffen sich Mary und Emma vor ihrem Lieblingscafé in der Innenstadt von Köln. Sie sind beide zum vereinbarten Zeitpunkt erschienen.

Pünktlichkeit ist eine der wenigen Charaktereigenschaften, die, die sonst so unterschiedlichen Frauen gemeinsam haben.

Mary und Emma strahlen sich an. Vor der Gaststätte sind das erste Mal in diesem Jahr Tische und Stühle aufgestellt. Sie umarmen sich zur Begrüßung und suchen sich einen Platz in der Frühlingssonne.

Ihre Samstagstermine sind ihnen heilig. Die Freundinnen sind beide solo und beruflich erfolgreich. Mary leitet die Filiale einer kleinen Parfümerie mit drei Angestellten und Emma ist Geschäftsführerin eines mittelständischen Bauunternehmens. Es bohrt wie ein Stachel im Selbstbewusstsein von Mary, dass Emma beruflich wesentlich mehr Verantwortung trägt. Emma kann es langsam nicht mehr hören, wenn Mary in jedem zweiten Satz betont, dass sie ein Geschäft leitet, deshalb hütet sie sich, noch Salz in die Wunde zu streuen.

Dafür kennt sie Mary schon zu lang.

 

Sie lernten sich schon während des Studiums kennen. Emma bewunderte Mary damals sehr. Sie war so völlig anders als sie selbst. Tough, scharfzüngig, schön und außergewöhnlich, wie es Emma zu gern gewesen wäre. Mary genoss Emmas Bewunderung. Emma war in ihrer einfach strukturierten Art ein Mädchen, dass sich zu formen lohnte. Mit der Zeit erkannte Mary, dass auch Emma auf eine andere Art etwas Besonderes war.

 

Es heißt ja immer, Gegensätze ziehen sich an. Die beiden Mädchen schweißte es geradezu zusammen.

 

Mary strahlt heute von innen heraus. Sie war ganz offensichtlich beim Friseur und bei der Kosmetik gewesen. Durch ihre roten Haare, die in allen Nuancen in der Sonne schimmern, weht sanft der Frühlingswind. Sie fühlt sich trotz ihrer achtundvierzig Jahre schön. Deshalb verteilt sie auch gutgelaunt Komplimente an Emma, die den Großmut ihrer Freundin zu schätzen weiß.

 

Es sind schon einige Tische im Café besetzt. Gerade nehmen ganz in ihrer Nähe drei Herren im passenden Alter Platz. Marys Augen funkeln und sie tritt Emma mit ihrem Fuß gegen das Schienbein, dass diese vor Schmerz zusammenzuckt. Das bedeutet wohl: „Schau hin! Gutes Material! “ Emma grinst. Zu gut weiß sie, was jetzt gleich abgeht.

 

Mary setzt sich in Pose. Die eine Seite ihres Pullis rutscht, natürlich ganz zufällig, etwas zu weit nach rechts und lässt latent aufreizend ein Stück der Schulter frei. Der Augenaufschlag ist gekonnt und Mary spricht laut, aber für Emmas Gefühl etwas zu aufgesetzt. Sie erzählt ihrer Freundin von ihrem Job. Es geht um Mitarbeitermotivation, ihr Lieblingsthema. Sie untermauert die erzieherischen Maßnahmen, die sie ihren drei "Hanseln" verpasst hat, mit den neuesten wissenschaftlichsten Erkenntnissen der Psychoanalyse. Emma verfolgt ihre Ausführungen gespannt. Den Eindruck vermittelt sie zumindest Mary. Insgeheim allerdings amüsiert sich Emma, denn seit sie bei Mary zu Hause in den Psychojournalen, in die diese monatlich viel Geld investiert, gelesen hat, weiß sie, dass Mary ganze Absätze, die sie in Neonfarben markiert, daraus auswendig lernt, um ihre Umgebung zu beeindrucken. In der Regel klappte das auch.

 

Jetzt atmet Mary tief durch und schaut beifallheischend Emma an, die ihr mit Blicken applaudiert. Da der erste Kaffee ausgetrunken ist, überlegt man, was man sich noch Gutes antun könnte. Emma hat Lust auf einen Eisbecher. Mary konstatiert: „Du hast in den letzten Wochen ganz schön zugelegt“. Um die Missbilligung noch zu unterstreichen, zeigt ihr Mary, indem sie mit einer Geste ihrer Hand eine Kugel über dem Bauch formt, was sie meint. Emma fällt nichts Dümmeres ein, als ihr leise zu offenbaren, dass sie sich deshalb ihr erstes Miederhöschen gekauft hat. Mary lacht arrogant und stellt triumphierend klar, dass sie selbst so etwas Gott sei Dank noch nicht nötig hat. Emma schluckt die Erniedrigung herunter, die sie sich mit ihrer blöden Ehrlichkeit selber eingebrockt hat.

 

Hochrot und kurz davor in Tränen auszubrechen bestellt sich Emma beim Kellner den größten auf der Karte zu findenden Eisbecher mit einer extra Portion Schlagsahne. Den braucht sie jetzt einfach. Ihre Freundin nimmt demonstrativ ein Wasser und einen Obstsalat ohne Sahne.

 

Beim Essen überlegt Emma, dass Mary mit Sicherheit das größere Hinterteil hat und außerdem Krampfadern. Deshalb sieht man Mary auch nur in Hosen. Emma weiß, wie heiß Mary sie um ihre tollen Beine beneidet. Deshalb nimmt sie auch ständig Anstoß an deren Rocklängen.

 

Emma schlägt nun diese, ihre Beine so provokant übereinander, dass es am Nebentisch gut wahrgenommen werden kann. Den drei Herren bleiben die Bissen im Hals stecken und Mary entgleiten die Gesichtszüge. "Ja, meine Liebe," denkt ihre Freundin, "was so ein Miederhöschen ausmacht!"

 

Mary hat sich schnell wieder in Gewalt. Gekonnt steckt sich mit einer faszinierend selbstvergessenen Geste eine Zigarette zwischen die Lippen. Ihr Feuerzeug funktioniert nicht.

 

Bevor Emma ihres aus der unendlichen Tiefe ihrer Tasche gekramt hat, kommt einer der Herren vom Nachbartisch mit seinem Feuerzeug zu Hilfe. Er wird mit einem strahlenden Lächeln belohnt. Mary fühlt sich wieder versöhnt mit dieser Welt. Leise flüsternd teilt sie Emma mit, dass sie mit dem Herrn schon öfter Blickkontakt hatte und das er voll ihr Typ sei. Aus dem Gespräch der Männer hat Mary entnommen, dass es sich wohl um einen Geschäftstermin in lockerer Runde handelt und der Mann mit dem Feuerzeug Mauritz heißt. Sie spricht den Namen betont und übertrieben französisch aus: "Moriiiiißö". Außerdem weiß sie zu berichten, dass sein Feuerzeug "ein Dupont" ist, was auf viel Kohle schließen lässt. Mary ist glücklich.

 

Emma betrachtet den Mann genauer. Sein Haar ist weiß, obwohl er wohl erst um die fünfzig sein muss. Das Gesicht ist gebräunt und bildet einen angenehmen Kontrast zu dem etwas länger belassenen dichten Haupthaar und den grüngrauen Augen. Er trägt ein graues T-Shirt zu einem grauen Anzug.

 

Emma ist so in seinem Anblick versunken, dass er ihren Blick spürt und belustigt herüber schaut. Mary ist das nicht entgangen. Gönnerhaft wendet sie sich ihrer Freundin zu und fragt, passend zur Situation, nach Emmas Liebesleben.

Unter dem Tisch tritt Emma von einem Fuß auf den anderen. Schließlich verkündet sie Mary, dass sie schon seit zwei Monaten einen Freund hat. Mary ist perplex, dass sie die Neuigkeit jetzt erst erfährt. Wie konnte Emma diese Liaison nur so lange für sich behalten? Emma winkt ab. Sie möchte keine Details erzählen. Wie sie befürchtet hat fragt Mary, ob es denn schon geknallt hätte. Emma kann das verräterische Grinsen, dass sich jetzt in ihrem Gesicht breit macht, nicht unterdrücken.

 

Sie berichtet Mary, dass sie ihn damals kurz vor 20 Uhr während eines eiligen Einkaufs bei Aldi kennen gelernt hat. Bei der Erwähnung von Aldi runzelt Mary missbilligend die Stirn, hört aber begierig weiter zu. Emma erläutert, dass man sich damals durch den minimalistisch befüllten Einkaufswagen und die späte Uhrzeit voreinander als arbeitende Singles geoutet hat. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. Er lud Emma zum Essen ein. Es war ein prickelnder Abend und obwohl Emma so etwas noch nie zuvor getan hatte, ging sie mit zu ihm und sie landeten im Bett. Na ja, genaugenommen nicht im Bett, aber das behielt Emma dann doch lieber für sich. Emmas himmelblaue Augen sprühen Funken bei den Gedanken an diese Nacht. Ihre Wangen glühen und sie wirft ihrer Gesprächspartnerin einen vielsagenden Blick zu.

 

Mary ist sprachlos. Einer der seltenen Momente bei ihr. Emma schwankt zwischen Scham und Triumph. Das erste was ihrer Gesprächspartnerin schließlich einfällt, ist die Frage: „Habt ihr ein Kondom benutzt?“ „Natürlich“ lügt Emma und feixt innerlich. Eins hätte sowieso nicht gereicht.

 

Marys Augen weiten sich. Sie schiebt den Kopf etwas vor und starrt ihre Freundin entrüstet an. Hin und her gerissen von ihrer Neugier mehr Details zu erfahren und dem Wunsch ihre Freundin zu reglementieren, beschließt sie, Emma ins Gewissen zu reden. Ihre Freundin benimmt sich immerhin wie eine Schlampe. Ihre Standpauke prallt aber von Emma ab und Mary entscheidet, weitere neugierige Fragen hinunterzuschlucken und sich anderen Themen zuzuwenden.

 

Sie wirft ihre langen Haare mit einer anmutigen Kopfbewegung über die Schulter. Emma ist sich sicher, dass die Gute das stundenlang vor dem Spiegel eingeübt hat. Es funktioniert! Die Männer versinken in Marys Anblick.

 

Selbst Emma muss sich eingestehen, dass es anerkennende Blicke hagelt. Marys Laune verbessert sich schlagartig.

Die beiden Freundinnen erzählen sich noch dies und das, aber die Stimmung ist dahin. Mary nimmt es Emma sehr übel, dass sie heute erst mit ihrem Liebesabenteuer herausgerückt ist und Emma schämt sich ein wenig wegen ihres zur Kenntnis gegebenen Hormonausbruchs.

 

Sie winken dem Kellner um zu zahlen. Der kommt mit einem übertrieben freundlichen Lächeln auf sie zu und erklärt, dass ihre Rechnung bereits von den Herren am Nebentisch beglichen wurde. Ein Ruck geht durch Marys Körper und mit dem charmantesten Lächeln, das Emma jemals an ihr gesehen hat, nickt diese dankend zu den Herren hinüber. Emma wagt nicht aufzusehen.

 

Nun schlendert Mauritz "Moriiißö" lässig zu den beiden Frauen, denen das Herz bis zum Hals schlägt.

 

Er beugt sich zu Emma, gibt ihr einen Kuss auf den Mund und meint schmunzelnd: “Bis heute Abend, mein Schatz.“

 

Mary scheint einer Ohnmacht nah.

Emma resümiert mit einem triumphierenden Ausdruck im sonst stets freundlichen Gesicht, dass die Vorstellung ihres Freundes ein voller Erfolg war. :wink:

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