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Schmuddelkind

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Alle erstellten Inhalte von Schmuddelkind

  1. Lieber gummibaum, lieber Dali Lama, lieber Sidgrani, danke für die zahlreichen und tatsächlich ja sogar durchweg positiven Kommentare. Das überrascht mich ein wenig, dass das Gedicht bisher so gut ankommt, weil ich schon so lange raus bin. Ist mein erstes Gedicht seit einer gefühlten Ewigkeit. Gut zusammengefast, lieber gummibaum!👍 Ja, so habe ich mir die Situation beim Schreiben auch vorgestellt: Eine Trennung, obwohl noch viele Gefühle füreinander da sind. Das ist natürlich herzzerreißend für die Beteiligten und daraus resultiert dann dieses Hin und Her. Danke, lieber Dali Lama!🙂 Ich wollte hier auch halbwegs subtil bleiben, Gefühle mehr andeuten, als sich explizit zu beschreiben, damit da mehr Raum ist, sich in das LI oder auch das LD hineinzuversetzen. Die Stelle war mir auch besonders wichtig. Dieses Zögern, das sich in der nonverbalen Kommunikation offenbart korrespondiert ja auch mit anderen Stellen, in denen eine uneindeutige Haltung zum Ausdruck kommt: z.B. die zitternden Lippen und die leuchtenden Augen, ungerichtete Handbewegungen als Übersprungshandlungen, die dann doch in einer klar zärtlichen Geste oder zumindest einer Geste der Verbundenheit münden etc.. Diese Interpretation gefällt mir und lässt sich gewiss gut aus dem Gedicht herauslesen. Ja, auch diese Abschiede sind schmerzhaft. Aber tatsächlich hatte ich sogar eine endgültige Trennung im Sinn: Ein Paar, das seine Beziehung beendet, obwohl die beiden einander noch lieben und da ist dann eben auch gar nicht sicher, ob sie es wirklich wollen, ob sie es verkraften können etc.. Dann sucht man Trost bei demjenigen, dem man am meisten vertrauen kann, der ironischerweise der Grund ist, warum es überhaupt des Trosts bedarf. Insofern ist es tatsächlich ein Liebesgedicht, obwohl es eben auch ein Trennungsgedicht ist. Zwei Menschen offenbaren ihre Liebe bei der Trennung. Ich mag diese herrlich ambivalenten oder gar widersprüchlichen Situationen - also, zumindest in der Lyrik. Danke, Sid!🙂 Ja, so ist es. Tatsächlich kann eine Trennung schmerzhafter sein, wenn beide noch viel füreinander übrig haben. Ich meine, wenn man an einem Punkt angelangt ist, an dem man einander anfängt zu hassen, kann eine Trennung natürlich sehr hässlich werden und dann fallen unschöne Sätze. Das kann natürlich auch verletzen, aber zumindest kann man dann die Trennung als ein eindeutiges Freischwimmen oder so wahrnehmen. Wenn man immer noch Gefühle füreinander hat, ist dieses Loslassen evtl. schmerzhafter. LG
  2. Auf deinen Lippen zittert Mut und Zweifel strahlt in deinen Blicken. Du fragst ein letztes "Geht's dir gut?" Ich ringe um ein schwaches Nicken. Ich frag, ob du dir sicher seist. Dann sagst du "ja" und schaust nach unten, wo deine Hand verlegen kreist. Schon hat sie meine Hand gefunden. Erst gehst du halb, dann bleibst du ganz. Wir finden Trost in trauten Armen, als Tränen wie zum letzten Tanz einander hoffnungslos umgarnen. Und schließlich öffnen sich die Lider. Du schaust mich an, wohl um zu sehen, ob ich auch deinen Blick erwider. Erst bleibst du halb, um ganz zu gehen.
  3. Lieber gummibaum, vielen Dank für dein Lob! Ja, die Zeit ist ein übler Mittäter im Gewand der Neutralität. LG
  4. Schmuddelkind

    Das Spiel

    Das Leben, sagt man, sei ein Spiel. Doch kenne ich die Regeln nicht. Sehr nebulös ist auch das Ziel und Schummeln, scheint mir, ist hier Pflicht. So irre ich von Feld zu Feld und frage mich, wer mich bewegt. Da seh ich plötzlich, rings umstellt, wie jemand meine Dame schlägt. Der Täter würfelt eine Drei und spielt nun eine Karte aus: "Du kommst aus dem Gefängnis frei." Derweil bin ich vor seinem Haus - an Miete darf man ja nicht geizen. Wer hat ein Holz? Ich geb drei Schaf. Denn damit lässt sich nicht gut heizen. Ein Würfel jüngst auf Kiew traf. Nun mangelt's auf dem Brett an Weizen. Das Spiel ist wohl nicht ganz mein Ding. Es ist sehr lang und umständlich. Auch fehlt hier noch das Balancing. Nein, spielt mal lieber ohne mich.
  5. Schmuddelkind

    Des Todes Lobbyist

    Wohin eilen die Sekunden wie des Todes Lobbyist, wenn sie rasch die Welt umrunden, bis ein Tag vorüber ist? Wohin wollen all die Jahre, die sich nur im Kreise drehn? Und dann steht an einer Bahre: "Gehn Sie weiter - nichts zu sehn."
  6. Schwer nur lässt die Zeit sich wiegen. Zynisch muss die Frage klingen: "Was wird wohl die Zukunft bringen?" Schließlich sind wir Eintagsfliegen. Heute muss die Glocke werden! Und sie wird wie Donner läuten, Staub aufwirbeln, den wir streuten, wie im Himmel, so auf Erden.
  7. Ein Traum ist eine Wirklichkeit, die sich in mir verschwendet und, öffne ich die Augen weit, bei Licht betrachtet, endet.
  8. Schmuddelkind

    Entwertet

    Mein Traum: Im Boot die Welt umrunden. Ich sparte daher lang und fleißig und machte viele Überstunden. Doch war die Yacht dann höherpreisig. So ging es mir noch viele Male. Denn immer wenn das Boot in Sicht, so rief ich nach: "Bleib hier! Ich zahle." Dann war es mir doch schon entwischt. Nun bin ich schon ein müder Greis. Ein Boot wär mir nun nichts als Last. Auch ohne ging es stets im Kreis. Ach, hätt ich doch das Geld verprasst!
  9. Lieber Alex, lieber Pegasus, liebe Darkjuls, liebe Letreo, liebe Sali und lieber gummibaum, vielen Dank für eure lieben Worte! Wenn plötzlich ein neuer Mensch da ist, ist es irgendwie kaum zu fassen, auch wenn man sich neun Monate lang darauf vorbereiten konnte. Es ist ein unglaubliches Glück, das ich versucht habe, halbwegs in Worte zu fassen. Ja, man darf. In meiner Verwandtschaft gab es vorgestern Zuwachs und ich war total aus dem Häuschen. Insofern: Prost! Das freut mich sehr, denn mir war der letzte Satz auch besonders wichtig. Ein Baby, das in guten Händen ist, ist es ja auch wortwörtlich. Das verweist darauf, wie sehr ein Kind auf seine Eltern angewiesen ist und dass es gar nicht selbstverständlich ist, in die richtige Familie hineingeboren zu werden. Hier ist das aber zum Glück der Fall. LG
  10. Nun glänzt das warme Lebenslicht in deinen ersten Blicken. Du kleiner Mensch, du weißt noch nicht, wie sehr sie uns beglücken. Dein erster Schritt wird holprig sein, doch wirst du nah begleitet bei jedem fiesen Stolperstein, der Mühe dir bereitet. Die Welt ist groß, ein Labyrinth. Das ist nicht abzuwenden. Doch was mich zuversichtlich stimmt: Du bist in guten Händen.
  11. Lieber Oilenspiegel, liebes Sternenherz, vielen Dank für das Aufspüren der Ironie! Ich schätze, die Bilder von verzweifelten Menschen, die sich auf der Flucht vor den Taliban an Flugzeugfahrwerke festklammern und von dort in den Tod stürzen, werden uns genau so lange begleiten, bis hier der nächste Lockdown kommt und es wieder nur ein Thema gibt. Das ist wohl die bitterböse Wahrheit, die man nur mit bitterbösem Spott halbwegs verarbeiten kann. 20 Jahre lang haben wir aus reinem Selbstinteresse ein Land auf den Kopf gestellt und glauben nun, damit sei unserer Verantwortung genüge getan. Und 20 Jahre lang hat es niemanden interessiert. Und nach der Bundestagswahl wird es auch niemanden mehr interessieren. Jepp, so war es gemeint. @Arturo Siehe oben LG
  12. Ein Thema nur seit über einem Jahr: Der Lockdown, Inzidenz und Covid-Kranke. Doch was ich heute in der Zeitung sah, erschien wie Renaissance, ein stilles "Danke": Ein Ebola-Ausbruch, dort brennt der Wald, die Erde bebt und Flut in der Türkei. Ein Krieg: Die Taliban gewinnt schon bald. Was bin ich froh! Die Krise ist vorbei.
  13. Das nahm ihr nicht die Sorgen. Sie sprach zu mir zurück: "Es gibt gewiss kein Morgen in diesem Augenblick."
  14. Vielen lieben Dank, Alexander! Ich gehe nicht davon aus, dass es einem guttun würde, wenn man die genauen Gedanken anderer kennen würde, aber es ist natürlich schon reizivoll, für einen Moment sich selbst durch die Augen eines anderen zu sehen, allein schon, um zu verstehen, womit genau man einen geliebten Menschen so glücklich macht. Denn das sind ja oft so unscheinbare Kleinigkeiten, denen man selbst vielleicht gar keine emotionale Wirkung zusprechen würde, weil sie einem selbstverständlich erscheinen. Und dann erfährt man in der Freude des anderen so eine große, verwirrende Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und dem Bild, das der andere hat. LG
  15. Hallo Nesselröschen und danke für deinen Interpretationsansatz! Dieser unterscheidet sich sehr von meinem und bislang, bin ich auch nie auf die Idee gekommen, dass das LD sich die Hand abschneidet. Muss dazu aber sagen, dass es in der Urfassung hieß: "Drum muss ich dir die Hand abschneiden." Da war es also sehr viel eindeutiger. Aufgrund diverser starker kosmetischer Eingriffe habe ich mich dann aber gezwungen gesehen, den Vers derart zu ändern, dass er wohl inzwischen recht interpretationsoffen geworden ist, was wohl nicht zuletzt am Wegfall eines Subjekts und eines gebeugten Verbes liegt, womit der Satz zu einer Ellipse wurde. Jedenfalls finde ich deine Interpretation interessant. Wenn ich mir so vorstelle, dass das LD unglücklich in der Beziehung ist und dennoch nicht ganz die Trennung schafft, weil es sich wohl irgendwie dem LI gegenüber "verpflichtet" fühlt oder so, könnte diese Selbstverstümmelung der verzweifelte Versuch sein, den inneren Widerspruch aufzulösen. Finde ich auch ziemlich cool. LG
  16. Hallo loop, ich fürchte, du hast es umständlicher gelesen, als ich es gemeint hatte: Der (derjenige) nur soll es einmal sehen, der mein Leid empfinden kann. Also nur Personen, die sich aufgrund des Leides, das auch das LI ergreift, im See ertränken, sind es wert, den wahren Grund für das Leiden des LI zu erfahren. Traurig ist das. Aber inwiefern ist es kitschig? LG
  17. Vielen Dank für eure Kommentare, lieber Dionysos und lieber Hase! Ferci feaucoup! Da hab ich ja einen Glückstreffer gelandet. Hatte mir nämlich gar nicht so viel bei dem Titel gedacht - machte halt irgendwie "Sinn" wegen der ganzen "f" und weil etwas Melancholisches mitschwingt. J'aime des poèmes courts et faciles, parce qu'ils sont plus directs et plus émotionnelles à mon avis. Je suis heureux, que tu le trouve joli. LG
  18. Und ich lass dein Bild voran bis zum Seegrund untergehen. Der nur soll es einmal sehen, der mein Leid empfinden kann.
  19. Schmuddelkind

    Wie soll ich?

    Wie soll ich deine Augen bloß verstehn, wenn sie vor Freude durcheinander sprechen und doch durch klaren, weiten Blick bestechen? Just eben dann sind sie besonders schön. Doch all zu gerne wüsst ich, was sie sehn.
  20. Danke liebe Sali und liebe Amadea für eure Gedanken zum Text! Insbesondere bleibt es ein krasser Unterschied, wenn man sich nur auf das Träumen beschränkt. Träume sind etwas Wundervolles, weil sie uns inspirieren können, über uns hinauszuwachsen. Wenn man aber nicht den Mut fassen kann, seine Träume Realität werden zu lassen, müssen sie wohl irgendwann zerplatzen. Ich schätze, da hast du dich ein bisschen in meinem Wortgestripp verheddert. Ich versuche es mal, ein wenig zu entzerren: Wenn dagegen mit Gelüsten ich vor deiner Tür erschien, wären wir es, die sich küssten. Wenn ich vor deiner Tür erschien(e), wären wir es, die sich küssten. Wenn ich aufkreuzen würde, wären wir diejenigen, die sich küssen. Ist es jetzt ein bisschen klarer geworden oder habe ich da tatsächlich einen Schnitzer drin, den ich nicht sehe? Ist definitiv ein etwas schwerfälligerer Satz und wohl nicht so intuitiv zu verstehen; aber das Gedicht hat das wohl so eingefordert. Ich weiß das selbst nicht. Kann wohl gar nicht anders, weil es irgendwie in mir drinsteckt oder so. Aber danke für das Lob, liebe Sali. Freue mich, dass du auch an meinen älteren Gedichten Gefallen findest. Naja, ist eher so was wie eine Kiesgrube, in der sich hier und da ein Edelsteinchen versteckt. Insofern: Ja, mein Fundus ist riesig (geht definitiv in die Tausende), aber das Meiste davon ist unterdurchschnittlich bis unansehnlich. Habe deshalb auch irgendwann beschlossen, nicht alle meine Gedichte hier zu posten (das wäre auch zeitlich niemals möglich gewesen) und wie es der Zufall so will, habe ich heute mein letztes Gedicht aus meinem Fundus hier gepostet, was mich sehr erleichtert. Falls ich nicht doch noch zufällig auf ein brauchbares Gedicht stoße, das ich übersehen habe oder mich nicht noch die Lust packt, das ein oder andere Gedicht mit Potential auszubessern, werde ich also ab sofort nur noch neue Texte posten. Das bedeutet auch, ich werde seltener Gedichte posten und habe voraussichtlich mehr Zeit, hin und wieder mal Kommentare zu schreiben. Pah! Dazu müssen die mich erstmal finden. Zum Glück lebe ich ja hauptsächlich in meiner Traumwelt und bin für Menschen, die in der sogenannten Realität gefangen sind, unauffindbar. Aber sicher hast du recht, liebe Amadea: Es gibt zum Glück Menschen, die den geistigen Austausch mehr wertschätzen als gewisse Oberflächlichkeiten. LG
  21. Jüngstens schätzt du mich gering, willst den Blick nicht zu mir wagen. Du betrachtest deinen Ring und du willst ihn nie mehr tragen, nichts von meiner Liebe wissen. Also dir die Hand abschlagen! Und ich leg sie auf mein Kissen. (Aus dem Fundus)
  22. Er legt sie sanft zu Bette nieder und küsst sie, streichelt ihr das Haar. Verlangen fährt in alle Glieder, denn niemand war ihr je so nah. Doch muss sie selbst im Glücke neiden. Dann fasst sie ihr Begehr genau: "Wann lässt du dich denn endlich scheiden?" "Dass du mir bloß nicht wirst wie meine Frau!" (Aus dem Fundus)
  23. Nachts allein im Kerzenlichte, tief in meinem Wunsch versunken, schrieb ich dir verträumt Gedichte, schwärmerisch und liebestrunken. Wenn dagegen mit Gelüsten ich vor deiner Tür erschien, wären wir es, die sich küssten. Doch stattdessen küsst du ihn. (Aus dem Fundus)
  24. 9. März 1856 Wie kann ich festhalten, was derart an meine Seele rührt, dass ich selbst nicht mehr zu halten bin? Wie kann ich in Form bringen, was nur in den Wirren einer unklaren Betrachtung zu verstehen ist? Am Mittag gelangte ich an einen einsamen, schroffen Felsen, der in einer Einkerbung kühlen Schatten versprach. Dort ließ ich mich fallen und fiel sogleich in einen tiefen Schlaf, vom Tode nicht zu unterscheiden. Und wie ich dies so niederschreibe, weiß ich in der Tat nicht, wie ich ausschließen soll, dass ich tot bin, obgleich - oder gerade weil ich mich so lebendig fühle, wie ich es in meiner Erinnerung, von diesem Tage abgesehen, nicht wiederzufinden vermag. Da lockte mich ein Gefühl aus meinem Traume, das mir ganz und gar fremd geworden ist: Wasser auf meiner Hand. Als ich den Schleier vom Gesicht hob, erkannte ich, dass es Regentropfen waren, die den Felsen hinabrannen und auf meine Handfläche tropften. Nun erst hörte ich den Regen auf das Geröll niederprasseln. Sogleich stand ich auf, riss mir den Schleier vom Kopf, blickte, während mein Atem um Ruhe rang, gen Himmel und die Freudentränen waren von den Regentropfen nicht zu unterscheiden. Wie ich die Augen schloss, spürte ich alle Freude meines Lebens auf mich herniedergehen und als ich die Zunge ausstreckte, waren sie alle in einem Punkte vereint. Ewig wollte ich so verharren. Doch ich wusste, dass ich mich beeilen müsse, so viel dessen zu bewahren, das durch seine Vergänglichkeit so wertvoll ist. Ehe ich mich besah, hatte ich einen Eimer und all meine Kraft bereitgestellt. Da griff ich schon zur Schaufel und grub ein Loch, so groß, dass ich es gerade mit einer Lederdecke auslegen konnte. Nach getaner Arbeit betrachtete ich mit Genugtuung, wie nun die Natur in meinem Sinne wirkte, da hörte ich zu meiner größten Überraschung eine milde Frauenstimme hinter mir: "Die Wüste ist der schönste Ort der Welt, nicht wahr?" Erschrocken zuckte ich zusammen, sammelte mich aber rascher, als es mir lieb war, drehte mich um und sah nichts als die unermessliche Tiefe und Klarheit ihrer blauen Augen, durch die hindurch ich hinter dem Spiegel meiner Verwunderung den Frieden ihrer Seele sah. Da gab ich zur Antwort: "In diesem Moment ist sie es." "Sie ist es, wenn man sich ihr ergibt." Noch während ich meine Frage formulierte, ärgerte ich mich über ihre Belanglosigkeit: "Wer bist du?" Es ist nicht wichtig, wem man begegnet, wenn in der Wüste eine Begegnung stattfindet. Durch ihre Antwort erst wurde meine Frage bedeutsam: "Ich bin der Wüstenregen." Darüber hätte ich mich wohl wundern sollen. Stattdessen sah ich sie einfach nur an. Mein Blick folgte der schwarzen Strähne herab, die über die zarteste Wange hing, streifte dabei die kurze Nase, die, wenn man sie für sich allein betrachtete, schüchtern aussähe, jedoch in den selbstbewussten Zügen ihres Antlitzes Genügsamkeit verriet, und kam auf ihren dünnen, nuancierten Lippen mit ihrer weit gezogenen Senke zur Ruhe, die einen Gedanken zu tragen schienen, der jenseits des Horizonts seine Quelle haben musste. In ihrem weißen Gewand stand sie bemerkenswert aufrecht, aber nicht starr vor mir ohne das geringste Anzeichen von Anstrengung, als hätte der Wind sie herbei geweht, dass ihre Weisheit sich mehr durch ihren gütigen Blick als durch ihre Worte über mich ergösse. Sie war das Werden inmitten des Vergehens. Mir blieb nichts anderes zu sagen als: "Danke." Schon nahm sie meine Hand und brachte mich, indem sie sich auf den Boden setzte, ebenfalls zum Sitzen. Noch ehe ich fragen konnte, antwortete sie: "Ich bin der Wüste wegen hier und du bist nun Teil der Wüste." "Aber ich gehöre nicht hierher." "Nur wenn es regnet, bestehe ich. Daher weiß ich nicht, was es bedeutet, irgendwohin zu gehören, wo man nicht ist." Da verstand ich, wie kostbar das Leben ist, das ich wenige Minuten zuvor noch am liebsten überwunden hätte, und unergründliche Zufriedenheit sank in mir herab. Als sie dies sah, ließ sie mir ein Lächeln zukommen. An keinem anderen Ort, so wurde mir bewusst, wollte ich lieber sein als hier. Keine andere Zeit, so hoffte ich, sollte es geben, als die Gegenwart. Darauf nickte sie. "Die Wüste wird für dich sorgen, wenn du ihr vertraust. Nun trinke etwas!" Doch ich wollte den Blick nicht von ihr abwenden. Also neigte sie den Kopf zur Seite, als wollte sie sagen: "Mir zuliebe!" Während ich einen Schluck aus der Karaffe nahm, fühlte ich mich ihr so nah, als wenn ich sie küsste. Darüber lachte sie, streifte mir durch das Haar und als unsere Blicke einander näherten und in der Tiefe versanken, küsste sie mich. Alles wurde eins. Sie und ich. Der Regen und die Wüste. Der Himmel und die Erde. Alles wurde eins. Plötzlich stand sie auf. Kurz blickte sie nach oben und ihre Miene wandelte sich mit einem Male zum reinsten Ausdruck von Vergänglichkeit. "Es ist an der Zeit", erklärte sie. Als sie im Gehen begriffen war, hielt ich ihre Hand und ahnte nicht, dass ich sagen würde: "Ich werde auf dich warten." Dann lösten wir uns voneinander wie Tautropfen vom Blatt und nachdem ich mir die Nässe vom Gesicht wischte, war der Regen verschwunden. Und sie war es auch.
  25. Mon amour fou, l'amour est fou. L'amour est faux. L'amour est feu. L'amour a fait l'amour à feu. L'amour fait tomber les feuilles. (Aus dem Fundus)
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