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Schmuddelkind

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  1. Liebe Liara, definitiv hast du recht, wenn es um die zeitgenössischen grammatischen Regeln geht: Das Dativobjektpronomen steht immer hinter dem Akkusativobjektpronomen. Ich meine aber, dass ich in älteren Texten schon gesehen habe, dass diese Reihenfolge vertauscht war, bin mir aber jetzt weder sicher, ob dies regelkonform bzw. zumindest gebräuchlich war oder der Autor einen Fehler machte, noch ab wann die heutige Reihenfolge als feste Regel festgelegt wurde. Habe eben versucht, ein bisschen was zu dem Thema zu googeln, aber ich finde leider nichts. Wäre schön, wenn es eine Internetseite zur historischen Entwicklung von Grammatikregeln gäbe. Ich schaue noch ein wenig weiter, aber wenn ich nichts diesbezüglich finde, sollte ich wohl auf Nummer sicher gehen und mich an die heutige Regel halten. Danke für den Hinweis und freut mich, dass dir die Lektüre weiterhin zusagt. LG
  2. 16. Februar 1856 Es war, als hätte die Wüste ihre kleinen Unebenheiten allmählich, Woge für Woge, zu bedrohlichen Sturmwellen aufgetürmt. Allzu langsam, wie in ungewisser Befürchtung, kämpften wir uns dem unerreichbaren Blau entgegen, während der Wind mit zunehmender Gewalt meine Gedanken verwehte. Der Sand schien auf den Dünen zu schwimmen, die sich wie eine unendliche Wiederholung desselben Ortes vor mir auftaten. Dieses unaufhörliche Rauschen und Grollen! Dann sanken wir mehr, als dass wir schritten, den Hang wieder hinab in die dunkle Enge, die uns immer wieder erwartet, Düne für Düne. Hier ist kaum ein Vorankommen und ich frage mich, wann dies ein Ende haben wird.
  3. Sollen die Gelehrten sich begnügen mit dem lauten, stumpfen Tag. Meiner Neigung kann er nicht genügen nach des eignen Herzens Schlag. Nur die Nacht in ihrer sanften Stille bringt mein Herz zu trautem Klang, offenbart des innern Kindes Wille und der Seele Urgesang. (Aus dem Fundus)
  4. Die Gedanken sind stumm, durch die Nacht singt die Geige ein wunderbar trauriges Lied. Bin zu leben zu dumm und zu sterben zu feige, erdulde, was um mich geschieht. (Aus dem Fundus)
  5. 13. Februar 1856 Heute früh dachte ich an Vogel - oder an den Mann, den ich für Vogel halte. Gerade als ich daher mit mehr Drang zu reiten begann, bemerkte ich, dass die Wüste andere Pläne mit mir hat. In den feinsten Sand geriet ich, den ich je durchschritten habe und nicht schneller erlaubte mir der Boden zu reiten, als es ihm beliebte. Wenn die völlige Ruhe einen Takt hat, so ist es dieser Takt, nach welchem Emil sich bewegt. Als wir hier ankamen, wo ich mein Lager errichtete, nahm ich eine Handvoll Sand und ließ ihn zwischen meinen Fingern dahin rieseln und ich fühlte die Zeit ins Leere des Lebens laufen. Weich wie Wasser und gleichsam erbarmungslos! Wie kann die Welt aus sich heraus fortbestehen, die zwischen der Schönheit und dem Tod nicht zu unterscheiden gedenkt?
  6. Schmuddelkind

    Danke

    Ich bin schon ganz schön sonderbar, doch dir wird's nie zu bunt. Du liebst mich und du sagst sogar, das sei genau der Grund. Ich kann nur ich sein und vermute, ich bin es wohl zu sehr. Du sagst, das sei an mir das Gute und liebst mich umso mehr. Du hast für mich in Seelenruh die Welt auf links gedreht und lächelst so, als wüsstest du, was in den Sternen steht. Nach deinem Bild will ich sie reihen, um alles zu begleichen - vergeblich! Kannst du mir verzeihen? "Sei du! Das wird schon reichen."
  7. Danke, Liara! Freut mich, dass ich dein Interesse wecken konnte und hoffe, die Lektüre wird sich auch weiterhin für dich lohnen. LG
  8. 12. Februar 1856 Da ich den Weg verlassen habe, ließ ich alles hinter mir, was in dieser Wüste menschlich ist. Dachte ich bisher, ich fürchtete diese Gegend, so weiß ich jetzt erst, was wahre Furcht ist. Sollte mir hier etwas zustoßen, kann ich nicht auf Hilfe hoffen. Meine Überreste werden zu einem Teil dieser Landschaft werden, ehe sie jemand finden mag. Ich fühle mich vergessen bis zu einem Punkt, an dem ich selbst nicht mehr weiß, ob die Spuren hinter mir die meinigen sind. Nur die unerträgliche Stille vermag mir meine Existenz zu bestätigen, da sie mich fragt, wessen Spuren es sonst seien. In dem Ziel meiner Reise versuche ich mich wiederzuerkennen und finde selbst hierin Zweifel. Mit anmaßenden Rechnungen versuche ich die Frage zu beantworten, ob ich, an dem Handelsweg angekommen, nach Norden oder Süden weiter reiten soll. Da schätze ich die Entfernung zwischen den beiden Wegen in dieser Breite, sowie eventuelle Krümmungen der Wege, Vogels Reisegeschwindigkeit etc. und komme zu dem Schluss, dass er bald schon nördlich von mir sein müsse. Doch verändere ich nur Kleinigkeiten in der Rechnung, erscheint es mit einem Mal sinnvoll, den Weg nach Süden hin abzusuchen. Alles ist der Willkür der Wüste ausgesetzt. Und dann kommen mir auch Zweifel, ob es sich bei dem Europäer überhaupt um Vogel handelt. Nichts weiß ich und habe dennoch meinen Weg verlassen. Ich kann nur hoffen, der Weg möge mir eine Eingebung bescheiden, wenn ich dort angelangt bin. Überhaupt habe ich gelernt, was ein Weg wirklich bedeutet. Er birgt Gewissheit, dass Menschen etwas Erstrebenswertes am Ende für sich gefunden haben. Haben sich doch diese Handelsstraßen durch die Jahrhunderte eben so durch die Einöde gebahnt, wie sie heute zu begehen sind, und nicht anders, damit Menschen einander begegnen können, die sich weigern, die Natur als Hindernis solcher Zusammenkunft anzuerkennen. Über diese Worte verliere ich mich wieder in Bildern der gestrigen Gesellschaft. Mein hastiger Aufbruch mag verborgen haben, wie mir der Abschied schmerzte, den ich, kaum auf mein Kamel gestiegen, gerne wieder zurückgenommen hätte. Doch in ihren Augen konnte ich sehen, dass sie vielleicht besser noch als ich verstanden haben, weswegen ich gehen muss. So wähne ich mich trotz aller Furcht und aller Zweifel in meiner Entscheidung bestärkt. Und wenn über das reine Erleben hinaus dieses Treffen einen Zweck haben sollte, dann ist dies die vage Hoffnung, meine Bestimmung sei, was auch immer sie sei, abseits vorgetretener Pfade zu finden.
  9. Schmuddelkind

    384.401 km

    Wir beide - du und ich - wir sind wie der Mond und die Erde. Wir umkreisen einander in sicherer Entfernung, die Blicke sehnsüchtig einander zugewandt, leuchtende Entitäten einer leeren Welt. Wir finden Halt im Anderen. Wenn du nicht wärst, würde ich taumeln. Wenn ich nicht wäre, würdest du davon driften. Aber wir entfernen uns jedes Jahr um 3,8 cm voneinander. (Aus dem Fundus)
  10. Puh, ich hab's gestern versucht, aber das will wohl nicht werden. Alles klar. 8.7.2022 - Treffpunkt in diesem Thread. Wäre eigentlich generell ne lustige Idee: Eine Forumsfunktion, die dir deine Beiträge anzeigt, die du genau vor einem Jahr geschrieben hast. Ist bestimmt interessant, nochmal daran erinnert zu werden, was man damals so alles von sich gegeben hat und dann gerät die Vergangenheit nicht so ganz in Vergessenheit. Oh, das freut mich sehr, dass du die Schreibe als "liebevoll" bezeichnest, liebe Letreo, und dich das Gedicht sprachlich erreicht. Ich gebe mir Mühe, nicht wie ein Telefonbuch zu schreiben. Manchmal klappt's. Aber die Trinkerei geht ja auch nicht auf's Herz, sondern auf die Leber. Das heißt, da ist trotz des Selbstmitleids etc. eine gewisse Souveränität in dem LI, weil es das Leid selbst trägt? Das Selbstmitleid ist ja vielleicht auch eine logische Konsequenz, wenn da sonst niemand ist, der Mitleid mit einem hat. Danke, liebes Nesselröschen! An meinen älteren Gedichten gefällt mir oft nicht, dass die Reime ein wenig erzwungen wirken. Daran sehe ich auch immer wieder, dass ich wohl mit den Jahren gelernt habe, Reime wie versehentlich wirken zu lassen. In diesem älteren Gedicht scheint es mir aber halbwegs gelungen zu sein, nicht zu verkrampft zu reimen. Der Rhythmus gefällt mir auch und daher bin ich froh, dass dir das ins Auge gefallen ist. Man neigt ja doch meist dazu, im Jambus oder Trochäus zu schreiben. So ne Abwechslung zwischendurch tut ganz gut. Ja, die Leidenschaften, die im ersten Teil noch die Szene vorantreiben und durch den Regen versinnbildlicht werden, wecken eine Hoffnung, die sich mit der Zeit abträgt, weil die Leidenschaften eben nicht ausreichend sind. Guter Hinweis! Coole Formulierung! "Ein Zipfel des Selbstwertproblems" Ich weiß aber auch nicht, wie ich das gemacht habe und muss mich wieder wundern, wie lange es schon her ist, dass ich dieses Gedicht geschrieben habe. Ich weiß nämlich noch sehr genau, wo ich war und was ich gemacht habe, während ich den ersten Teil schrieb und wie ich an die Wand starrte, um dort die richtigen Worte zu finden. Oh, toll, dass du dich so gut einfinden konntest! Als Autor kann man das ja nie erwarten, aber man hofft es heimlich. Ja, schon merkwürdig, wie unterschiedlich Beziehungen sein können. Das kann man meist nicht an dem einen Menschen festmachen, sondern wie beide aufeinander reagieren. LG
  11. 11. Februar 1856 Nie hätte ich zu hoffen gewagt, dass solch seelische Fülle die Folge dieser Leere sein mag, die mich umgibt. Bereits am Morgen sah ich in der Ferne etwas der Form und der Farbe nach der Wüste Entrücktes. Eine Karawane war es, wie sich später herausstellte, die mir entgegenritt, vier Männer und fünf Kamele. Würdevoll erhobenen Hauptes saßen die Männer in ihren Satteln und mit einer Leichtigkeit und Eleganz wankten ihre Hüften im Takt der Kamele, dass ich Mühe hatte, in irgendwelchen Zeichen die Strapazen einer mehrwöchigen Reise zu erkennen. Fast als gleite die Wüste unter ihnen hinweg! Als sie abstiegen, um mich zu begrüßen, entfalteten sich die langen Gewänder zu stillen Begleitern, die frei ihre Beine umspielten und doch den sanften Schritten folgten, die weniger als Schritte, denn vielmehr als im Detail undeutliche, im Gesamtbild jedoch fließende, erhabene Bewegung zu erkennen war. Auch ich stieg ab und während ich die Härte dieser Landschaft mit den weichen Zügen ihrer Ankunft in Einklang zu bringen versuchte, kam der Älteste auf mich zu, enthüllte sein großväterliches Lächeln vom blauen Schleier, umfasste mit der linken Hand meinen Ellbogen und mit der rechten Hand die meinige und ich war einer von ihnen. Mit einem Male wusste ich, ohne dass ein Wort darüber notwendig war, dass in der Wüste alle Menschen Freunde sind. Wie die anderen Männer mich auf dieselbe Weise begrüßten, war es mir nicht anders als ein glückliches Wiedersehen. Die drei jüngeren Männer ließen keine Zeit verstreichen, einen kleinen Pavillon zu bauen. Da ich gerade meine Hilfe anbieten wollte, griff der Alte meine Hand und sagte: "Sorge dich um nichts! Du bist unser Gast." Er bat mich zu entschuldigen, dass sie nicht annähernd anbieten können, was einem Gast zustehe und drückte seine Hoffnung aus, Linsensuppe, Datteln und Minztee mögen dem freudvollen Beisammensein dennoch nicht abträglich werden. Ich äußerte mein Bedauern, dass ich die Gastfreundschaft nicht durch ebenso reichhaltige Gaben erwidern könne, aber es mir gleichwohl danach dränge, mein Brot mit ihnen zu teilen. Erst als die Jüngeren den Pavillon errichtet, einen Teppich ausgebreitet und Kissen darauf verteilt haben, ließ der alte Mann meine Hand los. Da ich ein Kissen zu wenig vorfand, setzte ich mich auf den Boden. Doch der Jüngste, ein Bursche von vielleicht 15 oder 16 Jahren, wies mir ein Kissen neben dem Alten zu und setzte sich an meiner statt auf den Boden. Meine Vorstellung vom Leben in der Wüste hätte nicht falscher sein können. Raue Menschen hatte ich erwartet, Schroffheit von der schroffen Landschaft geprägt, verbittert über den Mangel an Gesellschaft. Ja, sie spiegeln die Wüste, doch sie spiegeln diese wie das Wasser, worin man zwar die Wüste noch erkennen kann (wie man etwa den allgegenwärtigen Mangel in ihrer Selbstgenügsamkeit erkennen kann oder die Stille der Wüste in der Ruhe ihres Herzens), worin man aber eben auch das Wasser selbst sieht - sanft und gütig. An Worten verstand ich nur die Hälfte des Gesprächs, da sie sich eines Dialekts bemächtigten, den ich nicht beherrsche. Doch an Gesten war ihre Rede so reich, dass mir ihre Worte oft nur als melodische Begleitung erschienen. Und so bildhaft sprachen sie, dass durch ihre einfachsten Worte alles gesagt war. Als jedem ein Teller zugeteilt wurde und ich mein Brot, das ich gestern Abend zubereitet hatte, zugab (und wie köstlich eine einfache Linsensuppe ist, habe ich heute erst begriffen), sprach der Alte zu meiner Linken: "Diese Gesellschaft ist Gottes Freude. Denn die Wüste lehrt uns, wie nah wir alle einander sind. Lasst uns dankbar dafür sein!" Der Mann zu meiner Rechten zeigte sich ausgesprochen interessiert, woher ich komme und welche Sprache ich spreche. Da ich entgegnete, dass der ferne Norden meine Heimat sei, war ich fast ebenso erstaunt über meine Antwort wie die Händler, die darauf bestanden, ich möge ein paar Worte in meiner Muttersprache zum Besten geben. Auf die Schnelle fiel mir nichts anderes ein, das die deutsche Sprache würdiger vertritt, als Goethes Gedicht "Gefunden". Auch wenn sie kein Wort verstanden, saßen meine Zuhörer regungslos da, mit offenem Munde und lehnten sich zu mir herüber, als ob sie versuchten, den Sinn meiner Rede in dem Klang zu finden - dabei kam ich nicht umhin, mir auszumalen, wie viele Orte sie schon gesehen haben und wie viele Sprachen sie schon gehört haben mussten. Schließlich übersetzte ich das Gedicht, recht dürftig zwar, denn ein Gedicht kann wohl nie mit allem, was es birgt, übersetzt werden, aber scheinbar verständlich genug, dass die Männer sich darüber ergriffen zeigten. "Die Pflanzen sind Gott am nächsten", kommentierte der Alte und schöpfte aus seiner Erinnerung: "Als junger Mann ging ich weit in die Wüste hinaus und pflanzte eine junge Dattelpalme. Ich suchte viele Tage lang nach dem besten Ort, wo ein Baum in der Wüste gedeihen könne. Ich las alle Zeichen, die die Wüste mir gab und konnte dennoch nicht erwarten, dass das Leben Bestand haben würde. Die so reich an Jahren waren, wie ich heute, hielten es für vertan. Ich jedoch ahnte in meinem jugendlichen Trotz, dass die Wüste verstehen lernen, bedeutet, das Leben zu ergründen. Viele Jahrzehnte später führte mein Weg in die Nähe der Stelle, an welcher ich das Bäumchen pflanzte. Also nahm ich mir die Zeit zu besehen, ob die Palme sich behaupten konnte. Nie habe ich Schöneres gesehen. Mitten in der Wüste stand die Palme von stattlicher Größe und Eleganz und sie trug Früchte. Ich näherte mich und befühlte den festen Stamm und hatte Gewissheit: Die Wüste ist nicht feindlich. Sie lässt das Leben zu, wenn es ihrer würdig ist. Man kann hier kein Leben gegen die Natur führen. Nur im Einverständnis mit der Wüste hat das Leben hier seinen Platz. Als ich zärtlich ihre Rinde streifte, stieß ich auf eine Einkerbung. Da stand in den klarsten Lettern eingeritzt: "Danke"" Ich rang um Fassung. Hatte der Mann beiläufig jemandem das Leben gerettet, der vielleicht noch nicht einmal geboren war, als der Gute den Baum pflanzte? Er ließ die Schüssel mit den Datteln herumgehen und als ich mir eine nahm, sprach ich ihn auf die verlassene Oase an, die einem doch den Eindruck abnötigte, die Wüste sei recht feindselig. Er nickte verständnisvoll und gab zu: "Die Wüste ist gewiss kein Freund. Dieses weite Land gehört der Wüste und wer es durchquert, muss dies anerkennen und nur wem dies bereits gelang, darf mit Recht ihren Namen nennen. Doch wer die Wüste kennt, dem mag sie einen Platz einräumen. Nie jedoch besitzt der Mensch, was die Wüste ihm leiht." Ich konnte ihm stundenlang zuhören und hätte an keinem anderen Ort sein wollen, als unter diesen Menschen, die Demut und Stolz in sich tragen wie die Wurzel und die Frucht derselben Seele. Nach dem Essen deckten die Händler mich mit Tee, Datteln und Wasser ein. Auch tauschte ich meine Decke von etwas edlerem Stoff gegen eine einfache, aber wärmere Decke, was unbedingt vonnöten war. Mir gegenüber saß ein Mann von schlanker Gestalt, der das gesamte Gespräch über viel lachte, aber wenig sagte. Erst als er mich nach einigen Stunden fragte, was ich denn ganz alleine in der Wüste tue, musste ich mich wundern, dass dieses Sujet nicht schon eher aufkam. Inzwischen glaube ich, dass wenn Menschen einander in dieser Einöde begegnen, sie nicht so sehr an den Absichten des Anderen interessiert sind, aus Furcht, dies könnte etwas von der reinen Begegnung nehmen. Nun erklärte ich ihnen also mein Vorhaben und da wies mich mein Gegenüber daraufhin, er habe vor einigen Wochen einen Europäer gesehen von jugendlicher Präsenz. Seine Beschreibung ist dem, was ich von Vogel weiß, kongruent. Dieser sei weit im Süden auf eine westliche Parallelroute in Richtung Norden aufgebrochen. Ehe ich einen Entschluss fassen konnte, verabschiedete ich mich, bedankte mich in vielen, und dennoch nicht ausreichenden Worten für die beseelende Gesellschaft und verließ schon den Handelsweg in Richtung Westen.
  12. Ach, du meine Güte! Das ist ja mal eine ausführliche und präzise Analyse. Wow! Vielen Dank, Sali! Diese Perspektive auf das Gedicht gefällt mir sehr und ich kann nichts weiter hinzufügen, weil du alles darüber gesagt hast. Scheint wohl tatsächlich eine Beziehung (oder ein kurzes Etwas) zu sein, das aus einer unüberwindbaren und für das LI schmerzvollen Assymetrie entstanden ist. Wenn das LI sich von der Welt ausgeschlossen fühlt, kann es nicht erwarten, dies würde mit einer Person alles anders. Dennoch kommen diese Hoffnungen aus, weil es für einen Augenblick anders erscheint. Für einen Augenblick im Mittelpunkt der Betrachtung einer anderen Person zu stehen, bedeutet dem LI schon so viel, dass es nicht sieht, dass dies unzureichend ist und dass es am Ende wieder genau so ausgeschlossen dasteht wie zuvor. Ja, das ist wohl unvermeidlich. Diese beiden Gemüter ziehen sich naturgemäß an und tun einander doch letztendlich nicht gut. Das LI ist, wie du bereits schriebst, wieder am Ausgangspunkt. Doch im Grunde ist es noch schlimmer, weil inzwischen Hoffnungen dazugekommen waren, die sich nicht erfüllen ließen. Meistens vergleichen wir uns nicht mit einem anderen Ist-Zustand zu einem anderen Zeitpunkt, sondern mit unseren Wünschen und Träumen. Insofern ist der Ausgangspunkt gar ein Rückschritt, ein weiterer Schlag für das Selbstbewusstsein. Das Selbstbedauern ist vielleicht sogar ganz heilsam, wenn es eine kurzfristige Reaktion ist und man dadurch wenigstens in seiner Trauer etwas Wahrhaftiges erlebt. Es sollte halt nicht zum Verhaltensmuster werden, denn dadurch beschwört man ja sein schlimmes Schicksal nur weiter herauf, hat wieder Anlass sich selbst zu bemitleiden und dann ist es ein ewiger Teufelskreis. Schöne Deutung! Oft erschaffen wir andere Personen mehr aus unseren Vorstellungen, als dass wir sie tatsächlich sehen, wie sie sind. Meist versuchen wir nicht zu verstehen, sondern unsere Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen, projizieren unsere Hoffnungen auf andere Personen. Dann interagieren wir mit Phantomen, die so flüchtig sind wie die Hoffnungen. Und dann meint man, im anderen jemanden gefunden zu haben, mit dem man etwas teilt, was die anderen, außerhalb der Tanne nicht verstehen können und sieht nicht, wie man sich doch ausgerechnet dadurch von der Außenwelt weiter abgrenzt. Wenn man am Ende dann wieder allein ist, kann man dann gut und gerne wieder sagen, dass die böse Welt einen nicht hineinlassen will. Das ist eine geile Idee! Nein, darauf war ich nicht gekommen. In meinem dritten Teil stalkt das LD das LI, belagert es in der eigenen Wohnung. Aber das LI weist das LD ab und trägt endlich ein sauberes Hemd. Naja... Deine Idee gefällt mir richtig, richtig gut. Das würde ich zu gerne umgesetzt sehen. Also, wenn du daraus ein Gedicht machen möchtest... da wäre ich ganz gespannt. Boah! Du hast ja schon so viel in dem Gedicht gefunden. Und du meinst, da könnte noch mehr sein?! Ich bin ja jetzt schon ganz geplättet von deiner tiefgründigen Betrachtung. Das war ein ganz besonders reichhaltiger Kommentar für mich und ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür ansatzweise bedanken kann. LG
  13. Cooles Angebot! Aber ich lasse dein Zitat lieber bei seiner rechtmäßigen Mutter stehen, damit man nicht auf die Idee kommt, das wären meine Gedanken gewesen. Mir ist das ja schon sogar in Glossen passiert, dass man das vorangestellte Mottogedicht mir zugeschrieben hat, obwohl ich die Autorin explizit namentlich genannt habe. Das ist mir immer unangenehm, wenn Leute mir Ideen zusprechen, die doch von anderen stammen.
  14. Ja, leider habe ich mir mit dem Antworten auch recht lange Zeit gelassen. Das passiert bei mir hin und wieder, dass ich mit dem Beantworten der Kommentare nicht hinterherkomme. Dann wird die doppelte Bedeutung wohl für alle Zeit ein Mysterium bleiben - aufregend.
  15. Gute Entscheidung, liebe Sali! Mich hält das Lachen auch immer vom Weinen ab und mit Tränen in den Augen kann man die Glühwürmchen doch gar nicht richtig sehen - diese Wunder der Natur (gut, manchmal brauchen Wunder ein bisschen Starthilfe) LG
  16. Oh, vielen Dank, Sali! Dann freue ich mich auf deinen Kommentar. Die beiden Gedichte sind übrigens als getrennte Gedichte entstanden vor etwa zehn Jahren. Es gibt noch einen dritten Teil, der mir aber inzwischen gar nicht mehr gefällt. Also wollte ich euch den gerne ersparen.
  17. Schmuddelkind

    Gartenfest

    I Der Garten war voll von geladenen Gästen. Ich fühlte mich einsam, verloren und fremd. Du lugtest so vorsichtig zwischen den Ästen bestimmt auf den Rotweinfleck auf meinem Hemd. Ich saß auf dem Bänkchen und zählte die Streben. Ich haderte. Sicherlich tat ich dir leid. Und plötzlich und unverhofft saßt du daneben in deinem gehäkelten weiß-beigen Kleid. „Du bist ja ein Tollpatsch; da muss ich dich hegen!“ erwogst du und deutetest auf meine Brust. Zum Glück, ach ergoss sich ein prasselnder Regen. Wir stellten uns unter die Tanne - bewusst. II Kaum bist du gegangen, ging ich in den Garten, wo schüchterne Blicke sich trafen, zurück, wo willige Lippen, kaum fähig zu warten, sich labten einstmalig am flüchtigen Glück. Hier stehe ich nun, meine Hoffnung verwaschen. Hier stehe ich nun und zerschlage die Bank. Hier stehe ich, trinke nun Rotwein aus Flaschen und proste der Tanne zum zynischen Dank. Mir kommt in den Sinn, mit Phantomen zu tanzen; ich tanze mit Rotweinfleck auf meinem Hemd. Nach allem, was war, bliebst im Großen und Ganzen du wie auf dem Gartenfest immer mir fremd. (Aus dem Fundus)
  18. Glück mit den Lehrern hatte ich gewiss nicht. An meiner Schule waren die Lehrer fast ausnahmslos um die 60 und man spürte sehr deutlich, dass sie ihre Berufswahl 30 Jahre vorher bereuten - alles verbitterte, vom Leben gebrochene Menschen, die ihren Beruf widerwillig und mechanisch ausübten. Eine Ausnahme gab es zum Glück: Der Mathelehrer, den wir in der Oberstufe hatten, war sehr engagiert und hat uns nicht nur Formeln an den Kopf geworfen, sondern Mathematik nachvollziehbar und zusammenhängend erklärt. Das hat meine Begeisterung für die Mathematik wiederbelebt. Denn ich muss dazu sagen, dass ich bereits in der Grundschule eine ausgesprochene Neugier für mathematische Zusammenhänge hatte. Ich hatte so viele Fragen, z.B.: "Ist die Menge der ganzen Zahlen "größer" als die Menge der natürlichen Zahlen? Beide Mengen sind ja unendlich groß; also sind sie daher gleich groß? Andererseits scheint es so, als gäbe es doppelt so viele ganze wie natürliche Zahlen, weil es ja zu jeder positiven auch eine negative Zahl gibt." Dieser Frage werde ich übrigens in dem Buch auch noch nachgehen (daher auch der Titel). Jedenfalls dachte ich, als ich auf das Gymnasium kam: "Jetzt geht es richtig los. Da wird man mir bestimmt solche Fragen beantworten und dieses langweilige Rechnen wird Geschichte sein." Nun, es kam natürlich anders. Auf Fragen sind Lehrer grundsätzlich nicht eingegangen und Mathe blieb liebloses Zahlengewurschtel und Formeltapezieren. Ich war so enttäuscht, dass ich völlig das Interesse an dem Fach verlor und nicht einsehen konnte, auch nur eine Minute dafür zu lernen oder auch nur eine Hausaufgabe zu machen. Meine Leistungen mussten natürlich stark darunter leiden und in der Mittelstufe war ich konstant schlecht in Mathe. Zum Glück kam dann irgendwann der besagte Oberstufenlehrer und ich begann mich so langsam zu erinnern, warum ich mich einmal für die Mathematik interessiert hatte - dass ich dann plötzlich wieder gute Noten hatte, war dabei nur eine willkommene Nebenwirkung. Nach der Schule dann blieb mein Interesse bestehen und ich habe mich im Selbststudium eingehender damit beschäftigt - Mathe ist ja zum Glück ein Fach, das man auch prima allein lernen kann. Eigentlich habe ich Politikwissenschaft studiert, bin aber auch zu manchen Mathe-Vorlesungen gegangen. Auch meine Arbeit als Nachhilfelehrer hat dabei geholfen, wie es dir ja auch ergangen ist, mein Mathewissen zu vertiefen, zu festigen und zu strukturieren. Bis heute gehört die Mathematik zu meinen liebsten Hobbys. In meiner Freizeit beschäftige ich mich gerne mit mathematischen Problemen. Das ist für mich sogar ein wenig meditativ, weil ich mich für ein paar Stunden von allen Belangen der "realen Welt" abgrenzen kann. Da hast du ja ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich und ich beobachte das immer wieder. Ich glaube, die meisten Menschen sind geborene Mathematiker (die einen natürlich begabter als die anderen, aber logisches Denken und die Fähigkeit, Fragen zu formulieren, haben wir alle von Geburt an). Nur irgendwie schafft die Schule es, uns das auszutreiben. Dann hast du dich ja als Nachhilfelehrer selbst mit Mathe beschäftigt und wusstest, dass du es verstehen willst, um es weiterzugeben. Auf diese Weise ist Mathe natürlich tausendmal schneller und besser zu verstehen, als wenn man in einer Schule sitzt, in der man nicht sein möchte und Dinge erklärt bekommt, die einem nichts gelten. Schade, dass die Schule bis heute noch immer nicht verstanden hat, dass man nichts weiter tun muss, als die Neugier des Lernenden aufrecht zu erhalten; dann wird er fast von alleine zu dem ganzen Schulwissen kommen und weit darüber hinaus. Da haben ambitionierte Lehrer auch leider keine Chance, weil es einfach völlig bescheuerte Systemerfordernisse gibt. Wie kam es, dass du in Mathe Nachhilfe erteilen "musstest"? An sich wolltest du wohl andere Fächer lieber unterrichten? Bist du dann auch Lehrer geworden?
  19. 9. Februar 1856 Keine Oase fand ich vor, sondern ein leeres Loch und Steine, die, obgleich nach sorgsamem Ermessen von Menschenhand gebaut, der Wüste entwachsen scheinen. Auch hier hat sich also die Trockenheit durchgesetzt und alle Hoffnung entweicht im Ungewissen. Zwar habe ich nichts verloren, jedoch wähne ich mich ärmer als zuvor. Und da ich mich nach ein wenig Gesellschaft sehnte, bin ich nun noch einsamer. Fast erkenne ich das Leben in diesen Ruinen. Wie sich die Mauern im Ansatz gerade empor recken, dem kargen Boden zum Trotz! Darin sehe ich Stolz und Zuversicht. Doch wie sie nach der Willkür der Natur gebrochen, wie aus Mauern Geröll und aus Geröll schließlich Staub wurde, der sich im ewigen Staub der Wüste verlor - Scham und Resignation sind darin festgehalten. Um meinem Besuch hier nicht völlig der Sinnlosigkeit preiszugeben, meißelte ich meinen Namen in das Gemäuer. Noch ehe der nächste Unglückselige die Steine näher besehen wird, wird der Wind ihn abgetragen haben.
  20. Danke für eure Kommentare, lieber Carlos, liebe Liara und liebe Sali! Das würde ich zu gerne hören. Freut mich, dass dich diese kleine Blaubär-Geschichte unterhalten hat. Eierlegen ist auch interessant. Darf ich fragen, weswegen dir die Formulierung mit dem Klo nicht gefallen hat? Dann erzähle ich dir lieber nicht, wie die Fruchtgummi-Schlümpfe gemacht werden. LG
  21. Interessante Variante, liebe Sali! Wenn ich nicht so von mir eingenommen wäre, würde mir deine Version sogar noch besser gefallen. Nein, im Ernst: Deine Version ist tatsächlich besser, weil das wohl das häufigere Phänomen ist - man will nicht einsehen, wer man wirklich ist, will sich nicht mit seinen eigenen Dämonen auseinandersetzen und sucht Zuflucht in einer Beziehung, vertraut darauf, dass man sich nicht finden muss, wenn ein anderer das für einen erledigt. Hast du schön auf den Punkt gebracht. LG
  22. Vielen Dank für die zahlreichen Kommentare! Mit Granulat?! Freut mich, dass dich diese Gedichtfragmente ansprechen, Carlos. Ich denke, sie hätten gar noch etwas mehr Salz vertragen können. Aber wer wäre ich, so etwas von den Größen der deutschen Dichtkunst einzufordern? Auch wenn ich diese Worte den großen Dichtern nur in den Mund gelegt habe, sehe ich durch diese nonchalante Umsetzung auch ein wenig das Potential in diesen "Urfassungen", dass sie Menschen aus Fleisch und Blut von ihren marmornen Sockeln stoßen können, liebes Nesselröschen. Nicht, dass ich einen respektlosen Umgang mit bedeutenden Künstlern und ihren Werken gutheißen würde, aber Menschen, egal aus welchen Gründen, zu Statuen zu machen, ist eben auch kein gesunder Weg. Wahrscheinlich, weil wir das selbst rausfinden müssen. Aber ja, ich denke, hier wird der Euphorie die Ernüchterung entgegengestellt. Das fand ich an vielen Gedichten von Heinrich Heine übrigens so interessant. Das Interessante ist ja, dass es in dem Gedicht Goethes genau um das Gegenteil geht: Dass Liebe etwas unermesslich Wertvolles ist, selbst wenn sie mit Leid verbunden bzw. vergänglich oder gar zum Scheitern verurteilt ist: "Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück!" Schreibt der Kerl tatsächlich über den Moment des schmerzhaften Abschieds, den er immer und immer wieder erleben musste, weil seine Liebe nur heimlich und aufgrund gesellschaftlicher Beschränkungen nicht von Dauer sein konnte. Was bin ich froh, dass endlich mal jemand die Wahrheit über das Dschungelbuch sagt, Gaukelwort. In der Urversion ist der Junge ja auch nicht auf die billigen Anmachtricks des Mädchens reingefallen und meinte am Ende: "Lasst mich bloß in Ruhe, Leute! Ich gehe in den Wald." LG
  23. Ach herrje! Da habe ich ja was losgetreten. Ich schaffe es jetzt nicht, auf alles im Einzelnen einzugehen (will jedoch wenigstens ein paar Kommentare rausgreifen, zu denen mir spontaner Unsinn einfällt), möchte euch aber wissen lassen, dass ich mich riesig über die enorme Resonanz gefreut habe und über viele eurer Beiträge schmunzeln musste. Danke dafür liebe Gina, lieber Pegasus, liebe Margarete, lieber Hayk, liebe Darkjuls, liebe Sali, liebe Sabina und lieber Georg! Wow! Das ist ein Zustand, an den man sich gewöhnt... oder man geht daran kaputt. Puh, da bin ich beruhigt! Ich dachte schon, der Fisch wäre tot und das Fell ein Schimmelüberzug. Naja, wenigstens muss ich die Fische in nächster Zeit nicht mehr füttern. Ja, man sollte immer den Ist-Zustand mit dem schlechtmöglichsten Zustand vergleichen. Das ist die Freude, zu der ich fähig bin: "Es hätte schlimmer kommen können." Ein Glück, dass wir dich wieder haben, denn dort liegt der Hund begraben! LG
  24. Dann fragst du mich: "Warum bleibst du nur immer stumm?" Danke für deine Ergänzung, lieber zwischenzeit! Freut mich sehr, dass das Gedicht dir gefallen hat. Was könnte besser zu dem Gedicht passen als ein Mangel an Worten, liebe Lina? Danke für dein Lob! LG
  25. Lieber Hugin, liebe Amadea, vielen Dank für eure Kommentare! Oh, wenn man Pech hat, drängt es aus der Brust raus. Schöne Ergänzung, Hugin! Was Spenderhirne angeht, sind meine Ansprüche recht simpel, Amadea: Hauptsache, das Hirn ist in der Lage, die Footballregeln zu verstehen. Ich denke, die meisten Bikerhirne sollten das leisten können. Da bin ich also ganz unbesorgt. LG
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