Zum Inhalt springen

Waldjunge

Autor
  • Gesamte Inhalte

    22
  • Benutzer seit

  • Letzter Besuch

Alle erstellten Inhalte von Waldjunge

  1. DIE WITWE Er starb im Sommer, als in den warmen Nächten die Glut der Tage aus der Erde kroch. Sein Gang ins Anderswo, zu unbekannten Mächten, war Erlösung. Und war erschütternd doch. Jetzt ist es Herbst. Die Witwe lehnt vor einer kleinen Leselampe, hält ein Buch, und draußen klatscht der Regen, lang ersehnt, an Tür und Fenster, legt sich wie ein Tuch auf Garten und auf`s Haus, das mittlerweile so seltsam still ist wie ein leiser Traum. Sie sind noch eins, wenn auch getrennte Teile in zwei Welten, so doch noch in einem Raum.
  2. der tod wird ein kosmisches ereignis sein ich nehme die milch aus dem kühlschrank und drei millionen lichtjahre weiter zerspringt eine sonne nichts ist geschehen: ich trinke milch doch noch bevor ich sie wieder in den kühlschrank stelle sacke ich auf dem weg vom schlafzimmer zur küche zusammen und zerspringe wie eine hauchdünne porzellantasse und drei millionen jahre später erlöscht auf einem schwarzem firmament ein kleiner gelber punkt dazwischen wird gerudert das klima gewandelt kaffee geerntet wetten abgeschlossen skateboard gefahren elefanten gejagt und seiltanz und rechtswissenschaften gelehrt vielleicht eine spezies unseres planeten abgeschafft und am nächsten morgen weht der wind ein staubkorn von der fensterbank in den kollektiven orbit aller erinnerung
  3. später samstagnachmittag im dorf, wenn die straßen glänzen in neutraler sauberkeit, geharkt die wege für einen kurzen augen blick, schon zertreten die stille minute, die sekunden zerstreut wie kleine lämmer, die sich in der großen weiten welt verlieren, die so fern ist wie ein häher schrei, ganz weit überm fernen wald, und nicht zurückfinden in den schoß einer beschaulichkeit, die nur noch in der erinnerung der alten brütet, vergessenem aus vielen jahrzehnten, ohne internet, mit der dorfkneipe, dem ersten fernseher, nordmende, die längst verstorbenen gesichter sind längst nicht mehr da, die geharkten wege
  4. Hallo! Sehr starke Bilder...gefällt mir sehr. Realität minimalistisch verdichtet.
  5. Waldjunge

    Septembermitte

    Hallo! Das gefällt und fließt schön dahin. Allerdings würde ich das in Klammern gesetzte Fragezeichen streichen....hmmm?
  6. Waldjunge

    Rita

    morgens im stehcafe bei croissant und zeitung ende des sommers mit diesen sandfarbenen morgen- und abenddämmerungen dem tau auf der haut wanderten meine gedanken kurz zu rita hin die jetzt plötzlich aus ihrem lebenslangen sumpf aus konjunktiven geschlüpft war sie lächelte noch einmal auf der letzten seite der zeitung ich musste los wie immer auf der flucht vor dem sommer dem herbst den konjunktiven ich wünschte
  7. Hallo Nesselröschen, ja, es ist nichts verloren und darum tröstlich. LG
  8. Vielen Dank, Sternenherz, für deine Meinung. Du bringst punktgenau in deinem Kommentar das zu Ausdruck, was ich hisichtlich des Kinderbuches empfunden habe...
  9. in dem kinderbuch mit diesen dicken seiten aus unzerstörbarer pappe das nach 1967 roch war der bagger feuerrot in einem feuerrot wie es nie wieder ein feuerrot gab die pflaumen in einem pflaumenblau der jäger in einem waldesgrün und der löwenzahn in einem sonnengelb in dem kinderbuch mit diesen dicken seiten aus 1967 das später auf dem dachboden lag und in den neunzigern aus dieser welt verschwand in diesem kinderbuch in diesem kinderbuch heute denke ich an einen bagger einen jäger an löwenzahn an pflaumen die ich nicht mehr schmecke und farben die es nicht mehr gibt und doch ist alles in mir drin
  10. Vielen Dank, Andreas und Perry, für eure Meinungen. @ Perry: das graue Glas des Ackers ist eher ein Bild der flirrenden Hitze, die verschwommen über erde wabert. ...und klar, die Großeltern nehmen natürlich 1973 ihren Mittagsschlaf und sind in der Erinnerung des Lyrich längst verstorben, aber es erschien mir geeignet als ein Ineinander von Vergangenheit und Gegenwart....
  11. da ist er noch der knisternd brütend frühe sommernachmittag so still und so heiß leer der hofplatz katzen und hühner entschwunden in das land der schatten die längst verstorbenen großeltern ruhen im dämmer der kleinen stube neunzehnhundertdreiundsiebzig eine stunde aus der zeit hinaus gefallen alles fügt sich in dieses eine bild das nur einen augenblick in diesem august gerinnt die blätter der buchen wie kleine silberne spiegel die flirrende luftschicht kocht über dem grauen glas des ackers traumgefangen der flug der schwalben blind in eine zeit hinein die nie vergeht und doch verschwindet
  12. Hallo Alex, da hast du vollkommen recht. 2 mal ein " sanft" in diesem kurzen Gedicht passt einfach nicht. Stimmt. Danke für den hilfreichem Hinweis.
  13. Waldjunge

    ströme

    auf der landkarte meines lebens: abends strömen die flüsse unentwegt in die länder des vergessens, kleiner und kleiner zerbersten die winzigen adern in das, was nie wieder zurückströmt. abends am strom. arm in arm im sonnenuntergang zwischen mücken und grasgrünen fröschen ersten sternen halten wir uns fest
  14. Dienstags um zwei ist Andacht . Gott schüttet Sonnenlicht an diesem Septembertag in den Raum, der hell ist und still. Nur das Gemurmel der Alten, die Augen sanft und trübe wie traurige Tiere in ein Innen oder in eine Ferne gerichtet. Wie leise der Nachmittag ist, lautlos und golden in seiner Fassbarkeit. Jedes Staubkorn im Sonnenstrahl ist gezählt und sinnvoll, der Abend ein Freund.
  15. Beinahe alles, was du hier anfügst, möchte ich gerne unterschreiben. Schön in Form gebracht.
  16. Klingt ein wenig nach Paul Celan, auch wenn es sich mir nicht erschließt, gefällt mir die erzeugte Stimmung.
  17. LG von Herbert an Herbert, jepp, gerade ältere Menschen ( wie meine Mutter) werden in dieser Hinsicht abgehängt und fühlen sich überfordert. Es gibt Dinge, die wichtiger und wesentlicher sind...danke für dein Statement
  18. so mild und sanft und traurig: das abendlicht über dem küchentisch bei meiner mama; und zwischen uns wie ein äquator die bedienungsanleitung der neuen telefonanlage der limes zwschen den generationen ich will das nicht mit dem anrufbeantworter und dann diese lange nummer und was kann ich alles falsch machen nichts mama das ist ganz einfach aber ich will das nicht ich bin mit dem ganzen computerzeug nicht groß geworden und hilflos waren diese lieben augen einundachtzig jahre blickten mich aus übersee an dem sohn der von ihr das leben bekam und ich nahm ihr den schrecken der neuen alltäglichkeit wir erzählten noch ein wenig von einst von der heuernte und tante hedwig und opa als er noch lebte und dem selbst gemachten rharbarbersaft und wir schlenderten über den äquator eine endlose stunde am abend
  19. zugeknöpft die kleine stadt und noch kleiner als zuvor jetzt am ende des sommers ist die gegend gelb wie honig und sand sie verwischt wie der wenige regen auf dem staubigen feldweg unlesbares trommelt und auch zugeknöpft die fenster mit hinabgelassenen jalousien erst am abend öffnen die flügel wie gähnende verschattete mäuler als schwarze schneisen für die irren zweiundzwanziguhr-fledermäuse zugeknöpft die kleine stadt und leiser als sonst die daheimgebliebenen in den friedlichen gärten
  20. endlich dein blaublütiger saft sag was du zu sagen hast schnell versiegen die worte ebenso endlich in einen schwammigen boden- los dein schweigen wenn du da liegst wie ein gewöhnliches stück plastik- müll das nichts mehr von sich und seiner vergessenen und großen geschichte weiß weiß weiß
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.