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Mit der Zeit ( Überarbeitung Kurzgeschichte 16.05.20 )


Hallo Lesergemeinschaft,
diese Kurzgeschichte hatte ich bereits im Februar veröffentlicht, wo ich jeden Tag ein neues Kapitel eingestellt hatte. Aufgrund der zahlreichen Anregungen auf die einzelnen Text-Kapitel, habe ich mich entschlossen, erst einmal Zeit vergehen zu lassen, bevor ich die Geschichte dann überarbeite, und einige der Anregungen zu übernehmen.

An dieser Stelle noch einmal einen großen und herzlichen Dank an Lichtsammlerin und Sternwanderer, die mir mit Rat und Tat beim Schreiben dieser Geschichte zur Seite gestanden haben.

Wer möchte, kann sie jetzt in einem Zug zu lesen, um zu schauen wie sie wirkt. Sie wird bestimmt noch immer nicht frei von Fehlern sein, und das erwartet wohl auch niemand, der meine Schreibarbeiten kennt.

grüßend Freiform

 

Mit der Zeit ( Überarbeitung )

Schlechte Tage (Kapitel 1)

Wir hatten gute und auch schlechte Tage, wie sollte es auch anders sein, aber irgendwann verloren wir unseren gemeinsamen Weg. Anstatt auszuleben, was wir hatten, jagten wir Träumen hinterher, die für uns nicht zu erreichen waren. Ich hole deinen Koffer aus dem Kofferraum. Wie nicht anders zu erwarten, war er bis zum Bersten gefüllt. War es diese Vorhersehbarkeit, die uns mit der Zeit auseinandergetrieben hat?

Dieses zu gut kennen, nichts Neues mehr aneinander entdecken können? Du stehst schon an der Bushaltestelle und schaust nervös auf die Uhr, als wenn du es nicht erwarten könntest Distanz zwischen uns zu bringen. „Ich brauche mal eine Pause, muss über uns und unsere Zukunft nachdenken“ erklärtest du mir, als du das Ticket online bestellt hast. Ich nickte nur, denn ich wusste, dass im Augenblick kein guter Zeitpunkt zum Reden war.

Ich trage den Koffer zu dir herüber und stelle ihn neben deiner Reisetasche ab. Du würdigst mich keines Blickes, als wenn du es nicht ertragen könntest. Vielleicht sind deine Worte für mich, auch einfach schon aufgebraucht.
Ich schweige ebenfalls, obwohl ich nichts lieber täte, als dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe. Aber das wäre jetzt falsch, ich muss dir einfach Zeit geben. Als der Bus kommt, trage ich dein Gepäck in den Bus hinein und steige dann mit gesenktem Blick wieder aus, während du einsteigst. Erst als die Tür sich zu schließen beginnt, wage ich es, den Kopf zu heben.

Du schaust mich an, und in deinen Augen erkenne ich dieselbe Traurigkeit, die ich auch in mir spüre. Ich lege die Hand auf die Türscheibe und hauche dir ein „Ich sehe dich“ entgegen. Du zögerst lange und in mir beginnt langsam eine Welt einzustürzen. Erst als der Bus schon anfährt, reagierst du doch noch und legst deine Hand auf meine. „Ich sehe dich“ formen deinen Lippen und in deinen Augen spiegeln sich meine Tränen. Lange stehe ich noch da und schaue dem Bus hinterher, hoffe, dass du irgendwann eine Rückfahrkarte einlösen wirst.

Im Bus (Kapitel 2)

Sie war erleichtert, als der Bus sich endlich in Bewegung setzte. Ihr Körper zitterte so sehr, dass sie froh war, schnell einen freien Sitzplatz zu finden. Mit dem Zeigefinger wischte sie sich einmal über die Augen, denn auch ihr war der Abschied sehr schwer gefallen. Als sie seine Tränen sah, musste sie alle Kraft in sich aufbringen, um nicht den Busfahrer zu bitten, die Tür noch einmal zu öffnen. Sie brauchte Klarheit über ihre Gefühle und dafür brauchte sie Distanz und Abgeschiedenheit. Im Vertrauen darauf, dass eine alte Weisheit ihr die Richtung zeigen würde. Erst wenn du etwas verloren hast, wirst du spüren, wie sehr du es vermisst.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der Busfahrer sie über Lautsprecher höfflich aufforderte, zu ihm nach vorne zu kommen, um ihm das Ticket zu zeigen. Zum Glück hatte sich das Zittern bereits nach kurzem Sitzen wieder gelegt und so ging sie zu ihm, um ihr Ticket auf Gültigkeit überprüfen zu lassen. Der Fahrer schien kurz vor dem Pensionsalter zu sein und erinnerte sie stark an ihren geliebten Großvater, der leider viel zu früh verstorben war. Er blickte kurz auf das Ticket, nickte und schaute sie für einen Moment an, bevor er seinen Blick wieder auf die Fahrbahn richtete. „Einen schweren Vormittag gehabt, Mädchen?“ Fragte er sie mitfühlend „Setz dich wieder auf deinen Platz, Busfahren beruhigt bekanntlich und ich werde dich sicher an dein Ziel bringen“

Als sie wieder ihren Platz eingenommen hatte, fühlte sie sich schon etwas erleichtert. Die sonore warme Stimme des Busfahrers und die Erinnerung an ihren Großvater, hatten eine beruhigende Wirkung auf sie und kurze Zeit später schlief sie vollkommen übermüdet ein. Sie wachte erst wieder auf, als der freundliche alte Busfahrer sie wachrüttelte: „Wach werden, Mädchen, du musst hier raus, das ist die Haltestelle deines Tickets. Willkommen in der Einöde, wo sich Hase und Igel Gute Nacht sagen!“ Scherzte er.
„Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Danke!“ Antwortete sie ihm und aus irgendeinem inneren Impuls, küsste sie ihn auf die Wange, bevor sie sich verabschiedete und aus dem Bus stieg.

Die Abendluft war kühl und belebte ihren Körper. Nach dem langen Sitzen tat es gut, endlich die Beine wieder zu bewegen und ein zärtliches Gefühl von Freiheit umwehte ihre Stimmung. Es war lange her, dass sie das letzte Mal hier war. Sehr lange! Schon wurde das Gefühl von Freiheit, durch das von Schuldgefühlen, ersetzt. Wie wird es sein, ihrer Mutter nach so langer Zeit entgegenzutreten und sie vielleicht sogar in den Arm zu nehmen? Seltsam, dachte sie: Als ich ging, war ich voller Unruhe und suchte nach Antworten, und jetzt, wo ich zurückkehre, ist es ebenso. Sie setzte sich in Bewegung, denn es war schon spät und der Weg bis nach Hause noch weit. Mit etwas Glück konnte sie auf ihrem Weg vielleicht beobachten, wie sich Hase und Igel eine Gute Nacht wünschten.

Allein (Kapitel 3)

Der Bus ist schon lange nicht mehr zu sehen, aber ich hoffe immer noch, dass du an der nächsten Haltestelle wieder ausgestiegen bist und zu mir zurückkommst. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass du trotz Gepäck dann schon längst hier sein müsstest, da die nächste Haltestelle wegen der dort ansässigen Schule nicht weit entfernt ist. Die Erkenntnis löst jeden Funken Hoffnung in mir sofort in Luft auf und an seiner Stelle macht sich ein Gefühl breit, das ich seit Jahren nicht mehr kannte. Ich bin allein!

An der Windschutzscheibe klebt unter dem Scheibenwischer ein Knöllchen. In der ganzen Aufregung muss ich vergessen haben ein Ticket zu ziehen. Ich werde es bezahlen und behalten, eine Erinnerung an einen Tag, der mir wie die Bankrott Erklärung meines Lebens vorkommt. Ich lasse die Musikanlage lieber aus, denn ich weiß noch, welche CD dann abgespielt wird, und das könnte ich jetzt nicht ertragen.
Wie hypnotisiert starte ich den Wagen und fahre einfach los, ohne zu wissen, wo ich überhaupt hin will. Ich fühle mich wie entwurzelt und ohne etwas dagegen tun zu können, laufen wieder Tränen über meine Wangen.

Die Traurigkeit wandelt sich langsam in Wut und Enttäuschung. Wie kannst du mir das nur antun, wo ich doch so viel für dich geopfert habe. Wie oft habe ich mir gewünscht, auch mal etwas Zeit für mich zu haben, aber wir hingen immer wie Kletten aneinander. War das unser Fehler, alles nur gemeinsam zu machen, weil man es sich so oft versprochen hatte? Dabei glatt sich selbst und seine Bedürfnisse vergessend? Ich werde wahrscheinlich viel Zeit zum Nachdenken haben und falls du zurückkommst, hoffentlich die Antwort kennen. Es fängt an zu regnen und kurze Zeit später wie aus Kübeln zu schütten, irgendwie ist es genau das Wetter, wie es zu solch einem Tag passt.

Nach Haus (Kapitel 4)

Mit jedem Meter ärgerte sie sich, über sich selbst, warum hatte sie die Reisetasche nur so voll gestopft. Sie hätte es besser wissen müssen, jetzt fielen ihr fast die Arme ab vom Ziehen und Schleppen des Gepäcks. Vollkommen durchgeschwitzt erreichte sie endlich die Kreuzung zum Wohnhaus, noch zehn Meter, dann nach rechts und sie könnte ihr Elternhaus erblicken. Ihr wurde etwas mulmig zumute, würde ihre Mutter am Fenster stehen? So wie sie es früher getan hätte, wenn sie auf ihre Tochter wartete, oder war das Fenster leer, weil sie ihr immer noch zürnte. Gleich würde sie es wissen, sie straffte sich kurz, denn sie wollte erhobenen Hauptes erscheinen und nicht wie ein begossener Pudel.

Als sie um die Ecke bog, sah sie das beleuchtete Küchenfenster, aber es war leer! Sie glaubte kurz, sie hätte eine Bewegung wahrgenommen, aber sie könnte sich auch getäuscht haben. Ihre Anspannung wuchs und wie nicht anders zu erwarten, auch der Wunsch einfach wieder umzudrehen. Noch hatte niemand sie gesehen und um Ausreden war sie selten verlegen gewesen. Nur noch dreißig Meter und sie spürte wieder ein leichtes Zittern im ganzen Körper, als plötzlich die Haustür aufflog, und ihre Mutter ihr mit wehenden Haaren entgegenrannte. Sie hatte nur noch Zeit ihr Gepäck abzustellen, bevor sie sich wortlos weinend in den Armen lagen und mit Küssen bedeckten, in denen so viel Wärme und Verzeihen lag, wie es nur möglich war.

Endlos standen sie dort, bis ihre Mutter sich von ihr löste und mit ihren schwieligen und von der Arbeit gezeichneten Händen, sanft ihr Gesicht umfasste „Komm Kind, wir holen uns hier noch den Tod, und unser Leben fängt doch gerade erst wieder an. Außerdem ist das Essen sicher schon angebrannt.“ Leichtfüßig legten sie die letzten Meter zurück. Händchen haltend und jeder ein Gepäckstück tragend, so wie sie es früher immer hielten, wenn sie zurück nach Hause kam.

Appetitlos (Kapitel 5)

Der Tank ist inzwischen leer gefahren und die Tränen sind getrocknet. Vollkommen lethargisch stehe ich an der Zapfsäule, um Benzin einzufüllen. Wäre es nicht praktisch, eine leere Beziehung einfach auftanken zu können? Ich muss tatsächlich über diese wirre Fantasie kurz schmunzeln, bevor ich wieder auf den Boden der Tatsache geholt werde. Auch wenn die letzten Wochen schwierig waren, haben wir immer wieder zueinander gefunden. Es war stiller und auch manchmal angespannt, aber ist es nicht die Normalität, dass es in lang bestehenden Beziehungen einmal so zugeht?

Ich zahle an der Kasse und nehme noch eine Tafel Schokolade mit, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Nach Alkohol ist mir gerade nicht zumute, deshalb bleibt der Wein unbeachtet im Regal stehen. Was mache ich jetzt allein an einem Samstagabend? Die Frage musste ich mir schon lange nicht mehr stellen, da du am liebsten mit mir zu Hause geblieben bist. War es das? Haben wir zu wenig mit Freunden unternommen, und uns damit Impulse von außen genommen, die uns gezeigt hätten, dass wir zusammengehören? Wie oft haben wir früher gehört, dass wir ein seltsames Paar wären, weil wir nie streiten würden!

Ich beschließe, nach Hause zu fahren, aber nicht ohne auf dem Weg kurz beim Pizzamann anzuhalten. Beim Essen werde ich die Jahre dann Revue passieren lassen und schreibe mögliche Gründe auf, warum du jetzt eine Pause von mir brauchst. Was habe ich übersehen, dass du jetzt so reagierst und alles was wir zusammen aufgebaut haben, überdenken musst? Was fehlt dir? Ist es dir im Bett mit mir zu langweilig geworden? Was für ein absurder Gedanke! Im Bett werden Beziehungen geboren, aber sie überleben dort nicht und wir sind beides Typen, die in dieser Beziehung genügsam sind. Die Pizzabude kommt in Sicht, und ich muss darüber nachdenken was ich zu bestellen gedenke, wo mir doch jeglicher Appetit vergangen ist.
 

Die Beichte (Kapitel 6)
 

Im Flur duftete es schon herrlich nach ihrer Leibspeise und Gott sei Dank keine Spur nach angebranntem Essen. „Wie geht es Paps in Neuseeland?“ Fragte sie ihre Mutter, als sie am Wohnzimmertisch bei einem Glas Wein zur Ruhe kamen. „Gut soweit, durch die Zeitverschiebung, ist das in die Augen schauen halt nicht so einfach, aber wir schreiben viel miteinander. Wann hast du zum letzten Mal mit deinem Vater gesprochen?“
„Ich muss zugeben, dass ich in letzter Zeit so sehr mit mir selbst beschäftigt war, dass ich erst gar nicht versucht habe Kontakt aufzunehmen und du weißt ja, außer mit dir, spricht er mit niemandem regelmäßig. So herrscht gerade Funkstille, aber schön zu hören, dass es ihm gut geht.“
„Nun, in der Beziehung, kommst du wohl ganz nach deinen Vater!“ Frotzelte die Mutter belustigt.

Der Backofen klingelte und ihre Mutter verschwand für einige Minuten in der Küche.
Nachdem sie das Essen serviert und Wein nachgeschenkt hatte, nahmen sie das Gespräch wieder auf. „Wo drückt der Schuh mein Kind?“ Fragte ihre Mutter in ihrer unnachahmlichen direkten Art ohne Umschweife.
„Ich möchte ein Kind!“ Antwortete sie und schaute ihre Mutter direkt an, um ihre Reaktion zu beobachten.
„Na endlich!“ Frohlockte Muttern kurz, um dann direkt nachzufragen „Und wo ist das Problem, kannst du keines bekommen, oder kann er dir keines machen?“
„Das Problem ist, wie du sicher noch weißt, dass wir uns seit Jahren gegenseitig versichern, dass wir keines möchten. Aber seit einigen Monaten wächst der Wunsch in mir täglich und ich traue mich nicht, mit ihm darüber zu sprechen, weil ich Angst habe, dass er es nicht versteht!“

Ihre Mutter überlegte kurz, um dann pragmatisch wie sie war zu äußern „Ich sehe das Problem nicht. Wenn er dich liebt, wird er einwilligen, wenn nicht, müsst ihr euch trennen! Denn dein Kinderwunsch wird überwiegen und du ihn früher oder später deshalb verlassen!“
„Ich möchte aber beides haben, Mutter!“
„Das denk ich mir mein Kind, schließlich kenn ich dich nur zu gut. Liebt er dich?“
„Ja, von ganzem Herzen, und trotzdem habe ich so eine Angst, er könnte Nein sagen!“
„Soll ich ihn anrufen und fragen?“
„Mutter! Mir ist gerade nicht nach Scherzen.“ Entgegnete sie erschrocken und entrüstet.
„Ich weiß Liebes, sorry!“ Beschwichtigte ihre Mutter “Gleich kommt ein schöner Film, sollen wir den nicht zusammen gucken? Und Morgen entwerfen wir dann frisch und ausgeruht einen Schlachtplan, wie ich endlich Oma werde? So etwas muss man in Ruhe angehen und nicht zwischen Tür und Angel.“

Auf der Suche (Kapitel 7)
 

Der Sonntag ist gefühlsmäßig eine einzige Katastrophe, obwohl mein Fußballverein siegt und sich endlich aus den Abstiegsplätzen befreit. Auch den Montag ist zum Vergessen und so bitte ich meinen Chef nach getaner Arbeit, ob ich den Rest der Woche nicht frei nehmen kann. „Probleme?“ Fragt er vorsichtig nach „Sorry, dass ich so direkt bin, aber es steht in großen Buchstaben in ihrem Gesicht.“
„Ja, meine Partnerin hat sich kurzzeitig von mir getrennt.“ Antworte ich wahrheitsgemäß, auch wenn es ihn nichts angeht, aber wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen, dass zwischen uns ein starkes Vertrauensverhältnis besteht, und wir auch über Privates miteinander sprechen.
„Verstehe, auch wenn ich das bei Ihnen beiden nie vermutet hätte. Wir haben doch gerade etwas weniger zu tun, nehmen Sie sich die Zeit die Sie brauchen. Darf ich anrufen, falls ich doch Hilfe benötige?“
„Ja, natürlich!“

Den ersten freien Tag lungre ich nur herum und ich befürchte schon, dass ich mit der Zeit chronische Schwindelanfälle bekomme, weil mir so viele Gedanken im Kopf herumschwirren. Außerdem fühle ich mich ganz krank vor Liebeskummer. Wir waren schließlich noch nie länger voneinander getrennt. Meine Liste, um den Grund für die Trennungsursache herauszufinden, habe ich bereits fertig. Nur leider bin ich zu keinem wirklich schlüssigen Ergebnis gekommen! Liebeskummer, keine Arbeit und Ratlosigkeit, sind eine Mischung, die einen Mann leicht auf dumme Gedanken kommen lässt.

Dumme Gedanken hatte ich in meiner Jugend genug, von daher war ich gewarnt. Also schnappte ich mir noch einmal die Liste, um vielleicht doch noch auf des Rätsels Lösung zu kommen. Leider wieder nichts! Dann fiel mir ein, dass du in letzter Zeit regelmäßig angesprochen hast, ob ich nicht langsam mal das freie Zimmer ordentlich herrichten könnte. Es braucht einen neuen Fußboden und Tapeten, damit man es einmal als Gästezimmer benutzen könnte. Du hattest sogar schon Materialien und Farben ausgesucht. Warst du etwa sauer? Weil ich dich immer wieder vertröstet habe mit der Ausrede. „Wir brauchen das doch gar nicht, wenn mal jemand bei uns übernachten muss, reicht doch die Schlafcouch im Wohnzimmer.“ Hm, sauer ja, aber deshalb eine Beziehung komplett zu überdenken, kam mir dann doch sehr unwahrscheinlich vor. Trotzdem suchte ich deine Vorgaben in der Schublade heraus und fuhr zum Baumarkt, um alles Nötige einzukaufen.
 

Guter Rat ist teuer (Kapitel ?

„Liebes, ich habe dich gestern doch glatt vergessen zu fragen, liebst du ihn denn noch? Wenn nicht, brauchen wir uns erst gar keine weiteren Gedanken mehr zu machen. Samenspender findet man doch überall, besonders wenn man so hübsch ist wie du!“ Eröffnete die Mutter am Frühstückstisch das Gespräch.
„Mutter, ich bitte dich. Natürlich liebe ich ihn. Ich glaube sogar fest daran, dass nur er der Anlass dafür ist, warum nach so vielen Jahren, doch noch der Kinderwunsch in mir ausgebrochen ist!“
„Ist ja gut, ich wollte nur sichergehen. Kein Grund, direkt schnippisch zu werden.“
„Entschuldige Mom, aber die Situation gärt schon so lange in mir und diese Ungewissheit macht mich fertig. Hast du denn schon eine Idee, wie wir dich zur Oma machen können?“

„Eine richtige Idee leider noch nicht. Ich habe gestern im Bett noch lange darüber nachgedacht. Ich glaube, du hast einfach zu lange gewartet! Dass du ihn jetzt verlassen hast, zerstört Vertrauen, das nicht hätte zerstört werden dürfen. Ich meine, du hast die falschen Entscheidungen getroffen. Aber das möchte ich dir nicht zum Vorwurf machen, wie oft steht man in seinem Leben schon vor solch einer Entscheidung? Ich fürchte, uns bleibt nur die Holzhammer Methode“ schlug sie ihrer Tochter vor.
„Du kennst meinen Mann wohl nicht, Mom! Wenn ich glauben würde, einfach mit ihm reden und vor die Wahl stellen zu können, hätte ich das schon längst getan. Aber dann stellt er auf stur und wenn er überhaupt etwas hasst, dann ist es das Brechen von gemeinsam getroffenen Absprachen“, argumentierte sie sichtlich enttäuscht.

„Dann ist guter Rat teuer meine Liebe, aber lass den Kopf nicht hängen. Du bist ja noch ein paar Tage da, und uns wird schon etwas einfallen. Was hältst du davon, wenn wir deinen Vater einmal anrufen, er würde sich bestimmt freuen, mit dir zu sprechen und vielleicht weiß er sogar Rat? Immerhin war er ja auch mal Samenspender.“ Zwinkerte sie Ihrer Tochter verschwörerisch zu.
„Das ist eine gute Idee, Mom. Selbst wenn er keinen Rat für mich hat, freut er sich bestimmt, wenn wir ihn mit einbeziehen!“
Genauso war es, der Vater war ganz aus dem Häuschen, als er Frau und Tochter nach so langer Zeit, mal wieder gemeinsam auf dem Skype Video begrüßen durfte. Als man ihn sogar nach seiner Meinung fragte, war er sichtlich gerührt. Lange sprachen sie miteinander und beratschlagten sich, bis sie sich tatsächlich auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen konnten.
 

Renovierung (Kapitel 9)
 

Auch wenn es nur ein Zimmer zu renovieren gibt, bin ich ganz schön im Stress. Ich muss noch einmal zum Baumarkt fahren, bis ich endlich alles Material und Werkzeug zusammen habe. Man renoviert schließlich nicht alle Tage und hat deshalb nicht alles Notwendige parat. Den Parkettboden alleine zu verlegen, stellt mich vor große Herausforderungen, und lässt mich zusätzlich verzweifeln. Wie kommst du überhaupt auf Parkettboden? Hast du etwa Angst, dass uns die Gäste den Boden versauen? Wir haben außer in der Küche, doch sonst auch nur Teppich verlegt.

Ich versuche erst gar nicht, das verstehen zu wollen. Die Gedankengänge einer Frau, sind für mich schon immer ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. Auch wenn ich glaube, dich inzwischen aus dem Effeff zu kennen, bist du für eine Überraschung immer gut. Meistens waren diese Überraschungen sehr schöner Natur, aber mit dem temporären Auszug, hast du mir den Boden unter den Füßen weggezogen und jeden Tag wird es schlimmer. Ich versuche mich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber die Momente in denen ich Panik verspüre, häufen sich.

Ich versuche, mir die Situation schön zu reden. Sollten wir uns wirklich dauerhaft trennen, müssen wir die Wohnung sowieso renovieren. Dann wäre ein Zimmer schon fertig. Allein der Gedankengang verursacht mir Unwohlsein. Du bist jetzt schon vier Tage weg. Vier Tage, in denen meine Ohren ständig auf das Telefon fokussiert sind. Vier Tage, in denen ich vier Kilo abgenommen habe und vier Tage, in denen ich nicht mehr als vier Stunden Schlaf finde, obwohl ich acht Stunden brauche. Doch das Schlimmste ist, dass ich dir versprochen habe mich nicht bei dir zu melden und geduldig auf dich zu warten. Ich weiß noch nicht einmal, wo du eigentlich bist, weil du es mir nicht verraten wolltest. Vertrauensvoll habe ich es hingenommen, aber immer öfter schleicht sich ein Verdacht in meinen Schädel: Vielleicht hast du einen anderen Mann!

Es ist bereits mitten in der Nacht, als ich den Pinsel endlich weglegen und meine Arbeit begutachten kann. Schön ist es geworden, soweit ich das bei der Funzel von Lampe überhaupt erkennen kann. Vielleicht muss ich morgen bei Tageslicht noch einmal drüber streichen, falls doch noch Flecken auftauchen. Es muss jedenfalls perfekt werden, damit erst gar keine Kritik bei der Abnahme aufkommt.
 

Der Brief (Kapitel 10)

Mein Geliebter,
ich werde es mir niemals verzeihen, dass ich dich in solch eine Situation gebracht und dir dieses Opfer abverlangt habe, nur weil ich zu Feige war, mich dir gegenüber zu öffnen. Ich liebe dich über alles, und hoffe, dass wenn du diesen Brief gelesen hast, du Verzeihung und Verständnis für mich findest, wenn ich sie auch nicht verdiene.

Ich weiß, dass du dich die letzten Monate bestimmt oft gefragt hast, was mit mir los ist. Du bist ein so sensibler und rücksichtsvoller Mensch und ich habe das bewusst ausgenutzt, nur um mich nicht mitteilen zu müssen. Ich habe uns Woche für Woche entzweit, mit Heimlichtuerei und Zurückweisung, nur damit du nicht zufällig errätst, was mich, und damit auch unsere Beziehung, belastet.

Doch jetzt wird es Zeit, diese Scharade zu beenden. Ich schäme mich dafür, dass ich dir diesen Brief schreiben muss, aber mir ist klar geworden, dass ich diese Worte von Angesicht zu Angesicht, oder am Telefon niemals finden würde. Ich musste einfach sicherstellen, die richtigen Worte zu finden, und dir damit die Gelegenheit zum Verstehen zu geben. Dir Zeit zu geben, um in Ruhe eine Entscheidung treffen zu können, ohne, dass du dich von mir unter Druck gesetzt fühlst.

Ich liebe dich! Die Jahre mit dir waren die schönsten meines Lebens und es gibt nicht einen Tag, den ich missen möchte! Selbst die, der letzten Wochen nicht. Ich habe noch nie einem Menschen so blind vertraut wie dir, mich so beschützt und geborgen gefühlt. All diese Erfahrungen haben mich verändert, ohne es zu wollen und in mir ist der Wunsch nach einem Kind gereift. Ein Kind, das wir zusammen nie haben wollten! Das ist auch der Grund, warum ich mich dir nicht öffnen konnte. Ich bin so voller Angst dich zu verlieren, wenn ich unsere Abmachung breche, die wir so oft zusammen und einvernehmlich getroffen haben. Unsere ganze Zukunft haben wir schließlich auf ein kinderloses Leben ausgerichtet.

Am Anfang habe ich oft gehofft, dass der Kinderwunsch wieder vergeht, aber er wurde von Monat zu Monat intensiver, so wie meine Liebe zu dir! Jetzt, wo du es weißt, bleibt mir nur die Hoffnung!
Die Hoffnung, dass du mir verzeihen kannst und das du mich wieder zurück willst, auch wenn ich unsere gemeinsame Lebensplanung mit diesem Wunsch verraten habe. Ich kann dir heute nicht sagen wie unsere Zukunft wird, ich kann dir auch nicht versprechen, dass unser Beziehung Bestand haben wird, wenn du kein Kind mit mir in diese Welt tragen möchtest. Aber ich weiß, dass ich dir jetzt wieder unter die Augen treten kann und es auch aushalten werde, was immer auf mich zukommt. Das einzige was sicher ist, ist das ich dich von ganzem Herzen liebe, unabhängig davon, wie du dich entscheiden wirst.

Deine Geliebte
 

Kein Wort (Kapitel 11)
 

Der Morgen beginnt enttäuschend, die Wände wirken bei Tageslicht fleckig. So kann das auf keinen Fall bleiben, also noch einmal drüber streichen. Zwei Stunden später sind alle Flecken beseitigt und der Kantenabschluss ist wie mit der Schnur gezogen. Ob du jetzt auch zufrieden wärst? Es klingelt, was mich um die Uhrzeit irritiert, da tagsüber nie jemand bei uns klingelt. Bestimmt nur ein Paketlieferant, der etwas zwischenparken möchte, weil einer der Nachbarn nicht zu Hause ist.
Ich öffne die Tür und anstatt eines Paketboten, steht der Briefträger vor mir.
„Entschuldigen Sie die Störung, ich habe einen Express-Brief für Sie.“
Ich nehme den Umschlag verdutzt in Empfang und bedanke mich höfflich, bevor ich die Tür wieder schließe. Als ich den Namen des Absenders lese, fangen meine Hände unweigerlich an zu zittern. Er ist von Dir!

Panik schießt mir durch die Glieder und ich setze mich auf die Bank im Flur, die wir sonst nur zum bequemen Schuhe anziehen nutzen. Ich brauche lange bis ich endlich den Brief geöffnet und bangend in den Händen halte. Mit jedem Satz ändert sich meine Gefühlslage, als ich fertig bin und den Brief zur Seite lege, sitze ich wie versteinert da. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf, die ich gleichzeitig zu sortieren versuche, bis sich endlich einer manifestiert. Ich werde demnächst wahrscheinlich Vater!

Der Gedanke war wie ein Befreiungsschlag, ich lese noch einmal den Absender, die Adresse deiner Eltern steht unter deinem Namen. Ich zögere keine Sekunde, lasse Baustelle, Baustelle sein und schnappe mir den Autoschlüssel. Drei Stunden später bin ich am Ziel und wahrscheinlich wegen diverser Verkehrsdelikte, um einige Punkte in Flensburg reicher. Es brennt kein Licht in der Küche, ob überhaupt jemand zu Hause ist? Im Laufschritt überquere ich die Auffahrt, die wohl erneuert werden soll, da sie ohne Pflasterbelag daliegt und mit Absperrband umspannt ist. Ich klingle und horche nervös, ob ich Geräusche im Haus höre kann. Ich erinnere mich, dass die Tür extra verstärkt und schallgedämpft ist, dennoch bin ich überrascht, als du plötzlich vor mir stehst.

Kein Wort bringe ich heraus, und am Beben deiner Lippen erkenne ich, dass es dir nicht anders ergeht. Wer braucht schon Worte, wenn Blicke alles sagen können! Plötzlich schwankst du besorgniserregend, ich reagiere blitzschnell, um dich mit meinen Händen aufzufangen und in meine Arme zu ziehen. „Ich halte dich“, flüstere ich dir ins Ohr “ob mit oder ohne einem Dutzend Kinder!“

In der Nacht (Kapitel 12)

Viele Stunden hatte sie für den Brief gebraucht. Immer wieder änderte sie einzelne Sätze oder ganze Passagen, bis sie endlich zufrieden nickte und den Entwurf ins Reine schrieb. Ihre Mutter hatte ihr vorgeschlagen, nur eine E-Mail zu verfassen, aber das war ihr zu unpersönlich und der Situation nicht angemessen. Nachdem sie den Brief in der Post aufgegeben hatte, fühlte sie sich eine kurze Zeit erleichtert, aber der Zustand hielt nicht lange an.

In der Nacht konnte sie kein Auge zumachen, immer und immer wieder drehte sich der Inhalt des Briefes in Ihrem Kopf. Hatte sie die richtigen Worte gefunden? Sich genug Zeit genommen? Hätte sie noch mehr schreiben sollen? Ab und zu döste sie ein, nur um dann schweißgebadet wieder aufzuwachen. Manchmal konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, die sie sich so lange verkniffen hatte. Sie fühlte sich einfach elendig und war hypernervös. Dass sie am Abend kein Essen mehr hatte zu sich nehmen können, war auch nicht förderlich für ihren Zustand, der sich von Stunde zu Stunde verschlimmerte.

Als der Hahn draußen krähte, war sie fix und fertig. Sie stand auf und machte sich eine Tasse Kaffee, die sie aber nicht lange bei sich behalten konnte. Lethargisch saß sie am Küchenfenster und beobachtete, wie draußen die Welt langsam erwachte, während sie das Gefühl hatte, langsam in sich unter zu gehen. Wann würde der Brief bei ihm eintreffen? Wie wird er reagieren? Wird er anrufen, oder sogar vorbei kommen? Wird er auf stur stellen und sie warten lassen? Vielleicht Tage, Wochen? Kaum zu Ende gedacht, musste sie schon wieder das Bad aufsuchen, um sich zu noch einmal übergeben.

„So schlimm, Kleines?“ Stand ihre Mutter fragend in der Tür „Ich hatte dir prophezeit, dass die Warterei dich umbringen wird. Du hättest ihn besser anrufen sollen. Dann hättest du jetzt schon Klarheit!“
„Ach Mutter, das haben wir doch stundenlang diskutiert, ich schaff das schon. Ich habe mir das eingebrockt, jetzt muss ich die Suppe auch auslöffeln. Sind das nicht eigentlich deine Worte?“ Obwohl beiden nicht zum Lachen zumute war, konnten sie sich der Komik der Situation nicht entziehen und nahmen sich lächelnd in die Arme. „Danke, Mama!“ Herzte sie. „Nichts zu danken, Kleines! Es bricht mir das Herz, dich so zu sehen und ich hoffe dein Mann weiß zu schätzen, was er an dir hat!“

Nachdem sie sich wieder unter Kontrolle hatte, ging sie unter die Dusche und machte sich fertig. Sie wollte so gut wie möglich aussehen, falls er doch das Bedürfnis verspürte, zu ihr zu kommen. Ihre Mutter stellte sich geduldig hinten an, bis sie an der Reihe war. Dann musste ihre Mutter das Haus verlassen und eine Weile fort, um Termine wahrzunehmen, die sie so kurzfristig nicht absagen konnte. Nachdem sie ihre Mutter zur Tür gebracht hatte, zog sie sich ins Wohnzimmer zurück und versuchte sich mit einem Buch abzulenken. Das gelang ihr auch recht gut, denn auf dem Wohnzimmertisch lag das neueste Machwerk des Autors Freiform.

Vertieft in die Geschichte über ein unglückliches Pärchen, das Beziehungsprobleme hatte, hörte sie das Klingeln nur im Unterbewusstsein, reagierte aber sofort und stolperte mehr zur Tür, als zu gehen. So geschwächt, war sie noch von der vorangegangenen Nacht. Als sie die Tür öffnete, stand er wie angewurzelt vor ihr. Sein Blick sprach Bände und plötzlich schlug ihr Herz bis zum Hals. Sie glaube, jeden Augenblick ohnmächtig zu werden, als seine starken aber farbverschmierten Hände, sie in seine Arme zog. Er flüsterte etwas von „Halten, mit oder ohne Kinder“, so genau konnte sie es nicht verstehen, doch das war jetzt nebensächlich, denn sie wusste sofort, es wird wieder alles gut, wenn nicht noch besser!

(Ende)





( Alle Titelbilder Lizenzfrei von Pixabay.com )

 

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