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Unter der Oberfläche


Unter der Oberfläche

 

Es wird entleert, beraubt all seiner Fülle
aus Fischen, Krustentieren und Korallen,
Delphinen, Walen, Salzen und Metallen,
die Schiffe schleppen Netze, setzen Fallen
und tragen Sensationstouristen, heiter
betrachten diese manche kleinen Reste,
sie staunen, klatschen, lachen, reisen weiter,
in Taschen stecken illegale Waren,
die Sammlerstücke, teuer, nur das Beste
ist gut genug, damit zurück zu fahren,
nach Hause, um den Kauf zur Schau zu stellen,
gemeinsam mit dem Film von Wind und Wellen,
den Fotos und ach ja, den Bagatellen
wie dem geklauten Handtuch und der Seife
aus dem Hotel, in dem man lecker schmauste
und eine Zeitlang fern vom Alltag hauste
und seine Seele baumeln ließ, an Stränden,
in Swimmingpools, auf Booten und auf Schiffen,
die lustig auf der Oberfläche rollten,
beständig auf den immer gleichen Routen,
da wippten sie im Takt, die Angelruten
von Anglern, die den Ködern manchmal schmollten,
da rauchte man die Sorgen in der Pfeife,
so wie der Kapitän mit seinen Händen
den Kurs bestimmte, fern von allen Riffen,
von Klippen und von allen Hindernissen,
nein, dieser Urlaub, der ließ nichts vermissen,
da fehlte es an nichts, die Endlosschleife
war wunderbar, da gab es was zu sehen
und was, das halfen Bilder zu verstehen,
die Bilder in Prospekten, voll genormter,
präzise selektierter Attribute
der Schönheit, wohl verpackt in Hochglanzhülle,
kaum jemand sah die bodenlose Leere,
kaum jemand fühlte eine Herzensschwere,
nur manchmal zogen Leute eine Schnute,

beim Denken an das Geld empörte Miene,
dann war der Schnaps mal nicht der wirklich gute,
der schmeckte nicht, floss zwar aus wohlgeformter,
zum Fisch geformter, blütenweißer Tülle
in all die durstig hingereichten Becher,
die Plastikbecher all der frohen Zecher,
egal, so etwas kann schon mal passieren,
ein kleiner Unfall, wohl beim Destillieren,
egal, wird einfach über Bord geschmissen,
gemeinsam mit den vielen Essensresten
von all den lustig-frohen Freudenfesten,
kaum jemand sah genauer in die Tiefe,
kaum jemand sieht genauer in die Tiefe,
verschwendet einen einzigen Gedanken,
nicht Boot, noch Schiff gerät davon ins Schwanken,
wenn eine Möwe ruft: Was ist geschehen,
ich suche, finde nichts, kann nicht verstehen,
wo sind die Fische, wo die Krustentiere,
Korallenriffe, Wale und Delphine
geblieben und sie taucht durch Erdölschmiere,
steigt auf, stürzt ab und stirbt, es war vergebens.
Das Meer, Erhalt und Ursprung allen Lebens,
es ist entleert, beraubt all seiner Fülle.

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Kommentare

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3 Kommentare


Letreo71

Geschrieben

Liebe Anonyma,

 

da hast du einen wahrhaftigen Zungenbrecher - Marathon abgeliefert. Für Freunde der Mundakrobatik ein feines Schmankerl, welches ich mehrfach laut und thetralisch (Poetry Slam) gelesen habe.

 

Liebe Grüße, Letreo

  • Gefällt mir 1
SalSeda

Geschrieben

Liebe Anonyma,

 

ein Meisterstück, nicht nur wegen der Länge, sondern vor allem der sarkastischen Art, wie ein Punchingball, beim lesen juckt es mich an der Zunge zu rufen Jaaa,  jaaaa! Gibs ihm! Und du setzt immer weiter und immer wieder eins drauf.

Ja, für mich ein WOW Gedicht und es schreit mir aus dem Herzen!

Für mich war es ganz klar, dass es  ganz ganz weit oben ankommt.

 

Da sind so viele Perlen eingestreut, verbale Glanzstückchen wie nur mal dieses hier z.B.

 

da gab es was zu sehen
und was, das halfen Bilder zu verstehen,
die Bilder in Prospekten, voll genormter,
präzise selektierter Attribute
der Schönheit, wohl verpackt in Hochglanzhülle,

 

ein Genuss zu lesen und spannend bis zum Schluss, den ich auch sehr gelungen finde, das Nichtverstehen und eigentlich die Sprachlosigkeit die du der Möwe ausdrücken lässt.

 

Ich gratuliere dir ich zu diesem einzigartigen Werk!

 

Liebe Grüße

Sali

  • Gefällt mir 1
Gaukelwort

Geschrieben

Hi Anonyma,

 

ein klares Plädoyer für weniger ist Meer.

 

Viele Menschen bringen es fertig „Nach mir die Sintflut!“ zu denken und auch entsprechend zu handel, um zugleich ein Mimimi-Konzert anzustimmen, dass die böse Welt ihr persönliches Geschick nicht sensibel genug berücksichtigt.

 

Die pinkeln gegen den Wind, werden nass - und anstatt sich zu schämen blicken sie aufgebracht in die Runde und Fragen: Warum? Warum mir? Und wenn ich so nen scheiß beklopptes Verhalten sehe frage ich mich ebenfalls: Warum?

 

Das Feuerwerk an Reimendungen, die immer wieder in einem (be)rauschenden Rhythmus ab- und auftauchen hat es echt in sich. Klasse.

 

Liebe Grüße

 

vom Gaukel

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