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In Büchern steht so einiges geschrieben.

Das eine wahr, das andre übertrieben.

Und manchmal gar von Grund auf falsch.

Besonders, wenn es geht in den Geschichten

Um etwas, wovon Leute nur berichten.

Auf Platt sagt man dazu: „Ik palsch.“

 

Es trug sich einmal zu in einem Orte,

Wie es im Deutschen Reich gab diese Sorte

Von ganz im Süden bis hinauf zur See.

So wunderschön und reich und ohne Makel

Und ohne sittenlos Spektakel.

Ob alt, ob jung. Der Stamm, der war OK.

 

Doch eines Tages legten sich hernieder

Die alten Leute auf die schwachen Glieder

Und standen ab nun nie und nimmer auf.

Was hob sich alsbald an ein wildes Klagen.

Kein Bader und kein Priester konnte sagen,

Woran es lag, des Schicksals schlimmer Lauf.

 

Doch wo das Leben hat Reißaus genommen

Ist schon sogleich ein neues angekommen.

Und nicht nur eins, nicht zwei, nicht einmal vier.

In jedem Heim, selbst wenn die Frau in Jahren,

Hat der Hausstand viel freudig Los erfahren.

Sechs Kinder standen an der Lebenstür.

 

Zunächst war Jubel da an allen Orten.

Noch gab’s Geschenke von verschiednen Sorten.

Doch bald war alle jedes Hab und Gut.

Ein jeder mußte um sich selber sorgen.

Wenn heut er gab, so hat er nichts für Morgen.

Im Leib der braven Bürger kochte Wut.

 

Wie schnell die einst so kleinen Kinder wachsen.

Bald schwemmten sie den Ort mit wilden Faxen

Und fraßen auf das allerletzte Brot.

Die Mütter nicht und auch die armen Väter

Wußten nicht ein noch aus und später

Sind alle wohl allhier des Hungers tot.

 

Auf einmal stand auf ihres Marktplatz Stufen

Ein Wanderer, noch ungesehn, gerufen

Zu bieten allen seine Hilfe an.

„Ich weiß den Ort, wo Speisen reichlich fließen.

Die Kinderlein können schon bald genießen

Was man auch immer recht genießen kann.

 

Um eines bitt ich aus für meine Mühe.

Wenn ich zurück bin in der dritten Frühe

Gebt mir ein wenig von dem Golde her.

Für jedes Kind verdien ich einen Gulden.

Ist dies geschehn, dann seid ihr außer Schulden

Und seht mich hierzulande nimmermehr.“

 

Die braven Bürger mußten nicht besprechen,

Ob sie drauf eingehn. Herzen nicht zerbrechen.

Wenn sie nur erst der Kinderplage bloß.

Ein jeder hat den Schuldschein unterschrieben.

In steter Hoffnung, daß die Not vertrieben.

An Gold und Silber dachte niemand groß.

 

Kaum, daß die Tinte auf dem Scheine trocken,

Begann der Fremde greulich an zu rocken

Mit seinem mysteriösen Flötenspiel.

Er sprang dabei im Kreise wie von Sinnen.

Kein Kind im Orte konnte dem entrinnen,

Waren es auch an Zahlen viel zu viel.

 

Sie strömten allesamt in einer Schlange

Herbei und somit dauerte ‘s nicht lange,

Bis daß sie aus der Heimatstadt heraus.

Nach später nicht einmal zwei halben Stunden

Sind sie schon aus des Türmers Blick entschwunden.

Und Friede herrscht in jedes Bürgers Haus.

 

Die Stunden rinnen in erwünschter Ruhe.

Man hat nur sich und eine volle Truhe,

Die für den Nachwuchs man nicht leeren muß.

Erst als sodann am angesagten Tage,

Zu zahlen ansteht, stellt man sich der Frage

Und meint: „Bezahlen bringt doch nur Verdruß!“

 

Ihm drängt man sich geschlossen gegenüber

Und droht nicht nur mit einem Nasenstüber.

„Wenn er nicht geht, kann’s sein, daß man ihn hängt!“

Geprellt muß nun der Wanderer entfliehen.

Demütigend läßt man ihn leidlich ziehen.

Vulgäre Schmähung wird frei ausgeschenkt.

 

Drei Tag feiern die Bürger ihre Feste.

Befreit von Not, und was das Allerbeste,

Das Ganze ohne einen Groschen Lohn.

Doch als am Abend Fideln und Posaunen

Zum Tanz aufspielen, gibt’s ein großes Raunen.

Auf ihrem Kirchturm pfeift der Fremde schon.

 

Da kommen aus den vielen dunklen Schatten

Herbeigeströmt Heerschaaren schwarzer Ratten

Und breiten sich wie eine Welle aus.

Kein Jammern, Flehen, Drohen wird was bringen.

Selbst Schätze nicht, kein Halleluja-Singen.

Die Ratte bleibt fortan in jedem Haus.

 

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