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Kappi und der böse Wolf

 

 

Rotkäppchen, genannt die Rote,

auch Kappi, Kappl, faules Stück,

sie war ein erster, leiser Bote

vom fernen märchenhaften Glück.

 

* * * *

Gewohnt hat sie im Wald so finster,

in einer Hütte klein und schief,

dort schrie der Kauz und grinste Ginster;

der Vater schnarchte, wenn er schlief.

 

Die Mutter ging in Köhling putzen.

Die zweite Frau! Der Weg war weit.

DerJob auch nur bedingt von Nutzen;

fürs ganze Jahr ein altes Kleid.

 

Die Großmutter ward influent

und Hilfe käme sehr zupasse,

doch ist der Weg nach Tannenend

ein Wurzelwaldpfad vierter Klasse.

 

„Ich muss zu ihr“, hat' Kappi gsagt,

und Wein und Kuchen bringen.

„Lass mir den Wein“, hat' Mutti 'klagt,

„tu halt was Schönes singen.“

 

Vom letzen Mehl, dem letzten Stäubchen

… ein Kuchen mürb und trocken.

„Jetzt aber rasch! Wo ist mein Häubchen?

Ich mach mich auf die Socken.“

 

Der Wald war damals voller Raunen,

Flüstern, Knarzen – Wispern auch,

die Kappi hört mit großem Staunen:

„Komm!,lecker Dirn, kraul mir den Bauch.“

 

Jetzt kann die Kappi ihnauch seh'n.

Groß wie ein Kalb. Die Augen gelber.

„Ich habe einen Weg zu geh'n,

kraul dir den Bauch gefälligst selber!“

 

Dann war da noch ein Jägersmann,

verheiratet, zwei Kinder,

der von der Kappi angetan

und sie von ihm nicht minder.

 

Jetzt fehlt – der Dings, der Wolf, der Bube,

er wurde flugs erschossen,

sodann in Omas guter Stube

Wein, Weib, Gesang genossen.

 

* * * *

Nur wer im Wald so finster haust,

wer weiß wie Vaters Schnarchen braust,

wer Mutters Durst und Wurzeln meistert -

Fürbass! Fürbass! -

der macht auch böse Wölfe nass.

  • Antworten 6
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aktivste Mitglieder in diesem Thema

Geschrieben

Hallo Berthold,

Märchenadaptionen sind ein interesantes Genre, weil die Vorlagen ja meist bereits mystisch und spannend sind.

Deine Variation verwandelt u. a. das kleine brave Rotäppchen in einen Männer(Wolf)mordenden Vamp.

Für mich stellt der Text den Versuch dar, Märchen Alltag einzuhauchen.

Konstruktiv kann ich wegen der Formbindung wenig sagen, jedenfalls passt der lockere Erzählton gut zur Geschichte.

LG

Perry

Geschrieben

Hallo Perry,

 

ich habe mich über deinen Kommentar gefreut. Dankeschön.

 

... habe mir hier einen senilen Erzähler vorgestellt, der Erinnerungslücken und Unschärfen mit Phantasie und Erfahrungen füllt und kaschiert.

 

LG

Berthold

Geschrieben

Hi Nils,

ich mag es, wenn man alte Geschichten oder auch Märchen in ein neues Gewand kleidet...

Das ist dir gelungen und ich musste so manches Mal auch schmunzeln, da ist es mir auch egal, ob der Erzähler

etwas senil ist oder vielleicht auch doch nicht???

Ich habe dein Gedicht gerne gelesen!

Liebe Grüße

Stille Wasser

Geschrieben

Hallo Stille Wasser,

 

freut mich, wenn dich das Gedicht zum Schmunzeln gebracht hat, damit ist sein sein Zweck erfüllt.

 

Der 'senile Erzähler' war erfreulicherweise genau so senil, wie ich mir das gewünscht habe, seine Ausschmückungen, Erinnerungslücken etc. sind mir sehr gelegen gekommen ...

 

Danke fürs Lesen und Kommentieren

LG

Berthold

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