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Geschrieben am

Mahlstrom der Zeit

 

Ich erdachte dir eine Geschichte, zerbrechlich wie keine andere und darum wohl kostbar. Jeden Tag sann ich sie weiter, und des Nachts flocht ich wellenförmige Muster ein. Doch vergaßen wir sie aufzuschreiben, und heute, da ich mich ihrer nicht mehr entsinnen kann, bedauere ich, des Suchens müde zu sein. Wie vieles ich dieser Tage bedauere, vermag ich dir nicht zu schreiben.

 

Du warst mir Ruhe an stürmischen Tagen und wärmend waren mir Momente, in denen wir uns Gedanken reichten. Manchmal waren es Bilder, die ich nicht erklären konnte, sie aber wohl mochte – und dies waren mir Erinnerungen, die ich nicht in Stunden maß.

 

Selten gelang es mir, mich der Zeit zu entziehen und mein schwaches Lächeln glänzte meist ob der darunter liegenden Tränen, die ich nur von dir wegwischen lassen konnte.

Oft sprachst du dann davon, dass ich zu allem eine Geschichte wüsste und sie sehnsüchtig seien, wie meine Stimme. Und so malte ich dir manches Mal eine Sonne in den regennassen Himmel und stellte des Nachts eine Sonnenblume an dein Bett. Doch beschrieben habe ich in all dem nie, ich habe mich nur verraten.

 

Und so ließ ich deine Gedanken ein letztes Mal in ein Lächeln entführen, und mich das letzte Mal der Zeit – verloren hatte ich beides.

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Geschrieben

Hallo Ensimismado, jetzt habe ich durch wahrlich selten ungeschickte Handhabe zwei lange Antwoorten an dich verloren, beide auf die gleiche Weise. Was sagt mir das? Soll ich dir nicht schreiben? Ich jedenfalls will dir sagen, dass dein Sprachstil, wie du Worte behutsam, fast zärtlich setzt, um die traurige, sehnsüchtige Geschichte über die traurige, anfangs hoffnungsvolle Geschichte einer Liebe zu erzählen, die viel Interpretationsraum offen lässt, mir ausgesprochen gut gefällt. Um Beispiele zu nennen, aber eigentlich müsste ich alles zitieren:

 

des Nachts flocht ich wellenförmige Muster ein

Du warst mir Ruhe an stürmischen Tagen und wärmend waren mir Momente, in denen wir uns Gedanken reichten.

schön!

Doch beschrieben habe ich in all dem nie, ich habe mich nur verraten.

Vielleicht meinst du, dass wir Geschichten, Worte brauchen, doch wir sind sie nicht. Sie erzählen immer nur Aspekte unseres Seins. Wer sie einfach glaubt, ohne das Unerzählte miteinzubeschließen, eine Unmöglichkeit, dem fehlt die ununterbrochene Veränderung durch Zeit und das paralle Vorhandensein unzähiger anderer Asprekte. Wir sind nicht erzählbar, ranken Geschichten um uns, die uns der Welt festlegen , doch uns verraten. Doch beschrieben hast du nie. Was? Aufgeschrieben? Beschrieben, wer und was und wie?

Ärgerlich, mir rennt die Zeit davon, jetzt also liebe Grüße Ishuoris

 

Geschrieben

Hi ishuoris,

 

wir haben uns glaube ich bisher noch nicht gesprochen. Freut mich, dich hier zu lesen, und - nicht nur weil sie mich interessiert hätten - tut es mir Leid, dass dir die zwei Beiträge abhanden kamen und deine Mühe umsonst war. Dafür hab trotz allem Dank und für diesen Beitrag ebenso.

 

Zu deiner Charakterisierung des Schreibstils fällt mir ein, dass Liebe zerbrechlich sein muss, und dies scheint in dem Fall im Text zu fühlen zu sein, das freut mich natürlich.

 

Nun, deine fast fragende Überlegung des Beschreibens. Man kann das so sehen wie du es fragend in den Raum stellst, es ist eine Interpretation, die möglich und inhaltlich passend ist. Anderseits kann man das beschreiben auch so sehen, dass das lyr. Ich versuchte Geschichten zu erzählen, doch in all dem hat es nie Welten beschrieben, nicht fiktive Handlungen aufgebaut, sondern sich selber - nun auch beschrieben, aber es kam ein verraten gleich, da es damit verletzbar wurde.

 

Gruß,

Flo

Geschrieben

Hey Ensimismado, ist das nicht das Wesen der Liebe, das Herz zu öffnen, auch um verletzbar zu werden? Die Welt mit wundem, offenem, lächelndem Herzen zu schauen? Wo liegt der Eigenverrat? Warum gelang es nicht, sich der Zeit zu entziehen, war es eine hoffnungslose Liebe, und die Tränen nur vom lyr.Du wegzuwischen, weil sonst niemand wissen durfte? war das der Verrat an sich selbst, weil lyr.Ich sich selbst was vormachte? Lag der Eigenverrat nicht doch schon im Beschreiben, denn Leben will gelebt, nicht beschrieben werden? und jetzt sage ich Blödsinn, weil es selbstverständlich wunderbar ist , sich Gedanken und Bilder zu reichen, geistig miteinander zu fliegen. Meiner Meinung nach essentiell. Führt das Beachten dazu, den Drachen Zeit mit Geschichten, dem Eigenen zu füttern, im Mahlstrom zu verlieren, weil er zu viel Beachtung fand?

Es beginnt schön, deine Geschichte vom liebenden Geschichtenerzähler, der Tag für Tag zerbrechliche Geschichten weiter sinnt. Welch glückliches lyr.Du, das mit Geschichten verwöhnt wird. Also dein erster Absatz, nein, nicht nur der erste, würde mich, wäre er Buchanfang, neugierig auf mehr machen, wie wohl an meinen Fragen zu erkennen ist.

So, was sagst du jetzt zu einem Kommentar, der nur Fragen stellt?

Aber noch ein Kommentar zu deinem Kommentar: kann das Beschreiben seiner selbst nicht ohnehin nur Geschichte sein, da sich das Selbst nicht erzählen lässt, vielleicht im Ausschlussverfahren, was es alles nicht ist, bis nichts mehr übrig bleibt? Die leere Leinwand, auf der Geschichten wie Filme abspulen, der Spiegel, der alles zurückwirft.

Ich bleibe immer noch bei dem Satz hängen: Doch beschrieben habe ich in all dem nie, ich habe mich nur verraten. Er klingt ein wenig selbstbemitleidend, oder täusche ich mich? Wäre es nicht Verrat an sich, sich selber zu beschreiben, und selbst daran zu glauben, dass es mehr sein könnte als eine Variante? Und liegt im Etwas-von-sich-Verraten, nicht das, was schon Kinder glücklich und geheimnisvoll betreiben, wenn sie etwas aus ihrem Mysterium preisgeben? Also, dieses von Insel zu Insel hüpfen, mal kurz vorbeischauen, schnuppern, ... Somit hätte das Lyr.Ich sich selbst im Verraten glüklich gemacht, sich kindlich kundgetan?

 

Tschuldige, ist ein bisschen lang geworden. Liebe Grüße Ishuoris

Geschrieben

N'Abend,

 

zuerst, zu lang, kann eine Antwort kaum sein, von daher freue ich mich eher, wenn eine Diskussion zustande kommt.

 

Es ist wohl das Wesen der Liebe, verletzbar zu sein, doch kann es - wenn zu häufig verletzt und nicht geliebt - ein Wesen der Angst werden. Es mag dann aus Sicht des lyr. Ichs ein Verrat sein, vielleicht ein Verrat über längere Zeit, der letztlich nicht klar einer Person zuzuordnen ist.

Der Eigenverrat mag in der Zeit liegen, oder im sich selber vormachen - vielleicht auch schon im Glauben, dass man Leben beschreiben kann. Deine Fragen würde mein lyr. Ich vielleicht anders beantworten als ich, ich selber glaube, dass Beschreiben kein Verrat an sich selbst sein muss, aber es ebenso schmerzhaft sein kann. Das lyr. Ich hat diese Grenzen wohl schon verwischt und sieht im vergangenen Beschreiben nur noch den Verrat.

 

Lässt sich das Selbst erzählen? Der Herbst würde sich wohl auch nicht beschreiben können, aber erzählen wohl schon. Von daher, ja es ist wohl so, dass reines Beschreiben eh nicht möglich ist.

Ich möchte den Satz nicht unbedingt selbstbemitleidend sehen, denn dafür bräuchte man eine Schuldfrage. Eher resignierend, und das ist wohl das schmerzhafteste, was es in so einer Situation gibt.

 

Ich denke oder hoffe, das eben jener Satz letztlich genau diese Gratwanderung beschreibt, wie schnell Geschichten als Verrat empfunden werden können, obwohl sie tags zuvor noch kindlich begeistert fabulierend in den Raum gestellt wurden. Eben jenes ist es, was das lyr. Ich verlor - Kindheit. Aber darüber schrieb ich bisher nicht öffentlich, nur in meinen Gedanken, vielleicht trage ich ein paar Zeilen Kindheit - Erinnerungen? tote? oh! wir wären wieder bei der Frage ob Erinnerungen leben, das wäre mein "Staub im Regal der Vernunft"; ich verknüpfe gerne - demnächt vielleicht.

 

Gruß und danke für deine Gedanken, damit macht es Spaß sich zu beschäftigen,

Flo

Geschrieben

Hallo Ensimismado,

ich komme nochmals auf diesen Satz zurück: Doch beschrieben habe ich in all dem nie, ich habe mich nur verraten. Nein, es erübrigt sich. Lyr.Ich meint, sich selbst verraten zu haben, nicht verraten worden zu sein, oder? Darin läge doch Selbsterkenntnis, nicht unbedingt Resignation? Im Erkennen, was als Verrat empfunden wird, das Potential.

Beschreiben klingt irgendwie wie Beobachten, von außen betrachten, das Eigene einen Schritt zurücktreten lassen.

Dein Beispiel mit dem Herbst gefällt mir. Er erzählt sich, indem er ist, sich erlebbar macht, Puzzleteilchen aus dem Gesamtgefüge Herbst liefert, die vermitteln, was alles er sein kann. So liefern wir durch Eigensicht vorgefilterte Teilchen. Mehr vermögen Worte nicht.?

 

liebe Grüße Ishuoris

Geschrieben

Hi,

 

kann Selbsterkenntnis nicht auch resignierend sein? Ich denke schon, wenn man Fehler oder ähnliches erkennt und nicht daraus eine Verbesserung fürs Folgende ableiten kann, dann ist oder kann das resignierend sein.

 

Beschreiben ist meist beobachten, nicht handeln, und manchmal liegt darin der Fehler. Ich weiß nicht, ob Worte nicht mehr vermögen, ich würde sagen sie vermögen es schon, aber manchmal vermögen wir es nicht, sie so zu verwenden, dass die Worte ihr Potenzial als Satz nutzen können.

 

Gruß,

Flo


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