Zum Inhalt springen

Empfohlene Beiträge

Geschrieben am

Ich hatte soeben auf dem Sofa im Wohnzimmer versucht zu schlafen, und dabei einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Es war meine dritte Woche in der Psychiatrie, und in meinem Zimmer schnarchten die zwei Zimmergenossen im Kanon, während der eine Opiumabhängige in unregelmässigen Abständen zu röcheln und nach Luft zu schnappen begann, um sich dann schmatzend wieder dem Tiefschlaf zu widmen.

Meine Ohrstöpsel schossen immer wieder aus meinen Ohren, und mein Kopf produzierte permanent Ideen, die ergründen sollen, warum mein Kopf permanent Ideen produziert.

Also war ich zum Sofa gegangen, auf dem ich darüber nachdachte, ob ich verrückt bin. Was wenn ich verrückt bin, es aber nicht realisiere? Es mir aus Nachsicht niemand sagt? Ich bin hier schliesslich in einer Psychiatrie, und ich kenne sowieso niemanden mehr der mich noch kannte als ich gesund war. Vielleicht bin ich wie der nackte Mann, dem alle zulächeln wenn er einkaufen geht? Vielleicht interpretiere ich all die Freundlichkeit, der ich hier begegne, falsch?

 

Diese Vorstellung machte mir Angst. Meine Gedanken dazu waren unvollständig, dafür penetrant und unaufhörlich wie das Schnarchen meiner Mitpatienten. Vielseitig wie ein in der Wut zerknittertes Stück Zeitungspapier.

 

Schon seit längerem las ich Tag für Tag Zeitung, ohne dass ich mitkriege was ich am Lesen bin. Meine Gedanken unterbrechen mich beim Lesen, und sie unterbrechen mich beim Denken. Mit jedem Herzschlag rast ein neuer Impuls durch meinen Schädel, unterbricht einen potentiell hilfreichen Gedankengang, und erbaut ein neues Konstrukt eines invaliden Welt- und Selbstbildes. Ich vergesse, was vor Minuten in meinem Kopf vor sich ging. Skepsis und Angst kommen aber immer wieder. Skepsis und Angst sind die Konstante in meinem Leben. Zuversicht und Hoffnung stellen sich immer wieder als Irrtum hinaus. Denn bestätigt wurde ich in Zuversicht stets von Ärzten und Therapeuten. Dass das ihre Berufung ist, fährt mir immer wieder ein.

 

Bei Gesprächen mit Therapeuten öffnete ich unwillentlich immer wieder Pandoras Box: Aus meinem Mund kamen Dinge, ganz viele Dinge. Manchmal ergaben sie Sinn, manchmal nicht. Nie jedoch hatten diese Dinge mit dem zu tun, was in meinem Kopf vor sich ging.

 

Ich lag auf dem Sofa, und plötzlich war es so weit. Es war etwa Zwei Uhr nachts. Meine Sprache produzierende Sprachbarriere hatte es geschafft. Ich zerbrach. In Tränen aufgelöst ging ich zur Pflege und erzählte.

Alles auf einmal. Sie verstand nicht.

Doch das spielte keine Rolle. „Einatmen, ausatmen….“

Das machten wir einige Minuten lang. Danach unterhielten wir uns eine gute Stunde über Gott und die Welt. Über Naturverbundenheit und den Geist

.

Dann konnte ich schlafen. Zum ersten Mal seit langem.

  • Antworten 5
  • Erstellt
  • Letzter Kommentar

aktivste Mitglieder in diesem Thema

aktivste Mitglieder in diesem Thema

Geschrieben
mein Kopf produzierte permanent Ideen, die ergründen sollen, warum mein Kopf permanent Ideen produziert

Um Rekursion zu verstehen, muss man zuerst Rekursion verstehen.

 

Bei Gesprächen mit Therapeuten öffnete ich unwillentlich immer wieder Pandoras Box: Aus meinem Mund kamen Dinge, ganz viele Dinge. Manchmal ergaben sie Sinn, manchmal nicht. Nie jedoch hatten diese Dinge mit dem zu tun, was in meinem Kopf vor sich ging.

Entsprechende Berufausüber wissen natürlich, was sie ggf. zu sagen, zu tun, zu denken haben.

Allerdings stehst du im Mittelpunkt, du sprichst dich aus, um dich aber eigentlich selbst zu hören, um dich selbst zu verstehen und dann einen Weg zu erkennen, den du gehen kannst.

 

Dann konnte ich schlafen. Zum ersten Mal seit langem.

Hm - nach einer Explosion (entstanden aus Trauer, vielleicht auch innerer Wut) die Ruhe zu finden - du hast eine Möglichkeit gefunden, auch wenn diese eventuell eher unangenehm auf Dauer wäre.

 

______________________________________________________________

 

Hätte ich nur genügend irdische Zeit, grundsätzlich ausreichend Zeit, hm... :/

Geschrieben
mein Kopf produzierte permanent Ideen, die ergründen sollen, warum mein Kopf permanent Ideen produziert

Um Rekursion zu verstehen, muss man zuerst Rekursion verstehen.

 

Bei Gesprächen mit Therapeuten öffnete ich unwillentlich immer wieder Pandoras Box: Aus meinem Mund kamen Dinge, ganz viele Dinge. Manchmal ergaben sie Sinn, manchmal nicht. Nie jedoch hatten diese Dinge mit dem zu tun, was in meinem Kopf vor sich ging.

Entsprechende Berufausüber wissen natürlich, was sie ggf. zu sagen, zu tun, zu denken haben.

Allerdings stehst du im Mittelpunkt, du sprichst dich aus, um dich aber eigentlich selbst zu hören, um dich selbst zu verstehen und dann einen Weg zu erkennen, den du gehen kannst.

 

 

Ja, das stimmt. Wie ich mittlerweile weiss, hilft zu einem Blatt Papier zu sprechen ebenfalls. Das verunsichert mich weniger als eine therapeutische Person. Bei denen entsteht so eine Art Rückkoppelung, die meine Gedanken aushebelt. Keine Ahnung wie ich's beschreiben soll. Das Gefühl ist vergleichbar mit jenem, das man hat, wenn man beim Telefonieren die eigene Stimme verzögert hört. Ich stocke dann immer beim Sprechen, weil mich mein eigenes Feedback verwirrt.

Dann konnte ich schlafen. Zum ersten Mal seit langem.

Hm - nach einer Explosion (entstanden aus Trauer, vielleicht auch innerer Wut) die Ruhe zu finden - du hast eine Möglichkeit gefunden, auch wenn diese eventuell eher unangenehm auf Dauer wäre.

 

Wie beim Popcorn. Aggressives Poppen, leckeres Resultat. Bei mir trauriges Weinen, gutes Resultat.

______________________________________________________________

 

Hätte ich nur genügend irdische Zeit, grundsätzlich ausreichend Zeit, hm... :/

Geschrieben
Die Gedanken --- will das LI sie denken, NEIN, doch sie zwingen es in's Labyrinth. Doch dann, auf einmal gedankliches Schweigen, das erschüttert, welches das LI so erschüttert, das es sich mitteilen muss.

Das gefällt mir. Woher ist das? Was ist das LI? Ich finde es nicht über die Suchmaschine.
Geschrieben
Das ist meine Antwort auf deinen Beitrag, meine Gedanken zu deinem Text.

Ach herrje wie peinlich von mir! Dass ich darauf nicht gekommen bin...

Leser Ich. Alles klar. Ja, du sprichst mir aus dem Herzen!

Mann will das nichts da ist, dann ist nichts da, fürchtet, grübelt, definiert dieses, und schon hat man etwas, das da ist. Wie wenn im Leben alles gut läuft, man dann anfängt darüber nachzudenken warum es denn ausgerechnet gut läuft, plötzlich hat keine Gedankenkraft, und zuverlässig alles zusammenbricht.

Geschrieben

Hallo drei!

 

Ein sehr gut geschriebener, nachvollziehbarer Text, den ich gerne gelesen habe (, obwohl ich normalerweise kein Freund von langen Texten bin ^^ ).

 

LG

Hallo Scathach!

 

Vielen Dank für deine liebe Rückmeldung! Ich fühl mich hier schon puddelwohl

 

lg

Erstelle ein Autorenkonto oder melde dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Autorenkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Autorenkonto erstellen

Neues Autorenkonto für unsere Community erstellen.
Es ist ganz einfach!

Neues Autorenkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Autorenkonto? Melde dich hier an.

Jetzt anmelden

×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.