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Geschrieben am

Die Liebe und der Mensch, sie kommen nie zusammen:

Das eine Mal in Gold, das andre Mal in Flammen.

Das Herz giert nach Besitz und stillt nur seine Sucht

Nach mehr und immer mehr, daselbst doch auf der Flucht;

Will nicht gefangen sein, will nur gefangen nehmen,

Nur rauben, was begehrt – wonach sich alle sehnen.

Eroberer der Braut – den Bräutigam gezähmt:

Verdienst ist, bleibt Verdienst und alle Welt gelähmt;

Ganz taub und kalt und trist wie ungebrannte Seelen,

Die ohne Siegel sich im Sein verloren quälen.

So stehen Geist und Leib ein’s jeden zum Verkauf

Und wenn man für sie zahlt, gibt man sich selber auf.

Romantiker sind wir? Wir sind bloß feige Diebe;

Aus Angst vorm Ideal – aus Angst vor wahrer Liebe!

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Geschrieben

Hallo, Mesochris,

 

was bekomme ich eigentlich, wenn ich zum Dauergast werde? Ich meine, für so ein Abo bekommt man doch immer was - eine neue Kaffeemaschine wäre nicht schlecht, meine kommt allmählich in die Jahre ...

 

Scherz beiseite.

 

Ein Sinngedicht, in Verspaaren (hier keine Distichen) frei nach Nietzsche. Gut, ich gebe zu, dass ich nicht sonderlich bewandert bin, was ihn angeht. Daher gehe ich ohne Kenntnis über die 'Vorlage' heran.

 

Dir ist es hoffentlich recht, wenn ich zuerst ein paar kleine 'Stolperstellen' anmerke?

 

Das Herz giert nach Besitz und stillt nur seine Sucht

Hier muss tatsächlich 'giert' betont werden, das liegt nicht allein am Silbengewicht, sondern auch am Bedeutungsgehalt. 'Giert' ist hier ein 'Bedeutungsträger' - was tut das Herz? Es giert - giert nach ...

 

Möglich wäre vielleicht 'Das Herz begehrt Besitz und ...'

 

Das ist kein Vorschlag, nur so ein Gedanke, denn 'Begehren' ist aussageschwächer als 'Gier'. Nur wüsste ich leider nicht, wie man das ansonsten beheben könnte ... und hinzu kommt ja noch, dass es für eine Wiederholung sorgen würde. Macht's auch nicht besser, fürchte ich - außer, du würdest dann drei Verse später das 'begehrt' durch ein Synonym ersetzen. Was auch nicht einfach ist - entweder schwächer oder ebenfalls metrisch unpassend. Wie auch immer - ich wollte es nur anmerken.

 

Vierdienst ist, bleibt Verdienst und alle Welt gelähmt;

Hier ist's ganz ähnlich. Du hast, was natürlich geht, das 'und' hier durch ein Komma ersetzt. Nur - 'ist und bleibt', das ist eine Sinneinheit, auch wenn statt 'und' ein Komma dazwischen ist. Was dafür sorgt, dass 'ist' betont werden muss ...

 

 

Ganz taub und kalt und trist wie ungebrannte Seelen,

Hier möchte ich nur fragen - 'ungebrannte Seelen' - ? Da bekomme ich jetzt leider nicht wirklich Sinn und Zusammenhang mit dem vorhergehenden 'Gold und Flammen' hin. Aber gut möglich, dass ich da einfach auf dem Schlauch stehe, dann wäre es nett, wenn du mir da auf die Sprünge hilfst.

 

 

Das war Kleinigkeitenkritik auf ganz hohem Niveau, du verstehst das sicher richtig. ^^

 

 

Auf jeden Fall: Ein sehr schönes, gelungenes Gedicht, sowohl inhaltlich als auch formal. Und die Zäsuren sitzen, ich hab's bemerkt.

Aus Angst vorm Ideal – aus Angst vor wahrer Liebe!

Wunderbare Conclusio - bringt (in einem Vers zusammengefasst) den Inhalt auf den Punkt.

 

Wirklich (schon wieder, hm?) sehr gerne gelesen! ^^

 

LG,

 

Anonyma

Geschrieben

Hallo Anonyma,

 

über Abos mit Präsenten habe ich noch nicht nachgedacht

 

das Epigramm bezieht sich im Wesentlichen auf das Kapitel "Was alles Liebe genannt wird" in Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft".

 

Mit den betonten und unbetonten Wörtern hast du sicherlich recht. Die deutsche Sprache – wie auch die meisten anderen germanischen Sprachen – haben leider die Eigenschaft, dass sie nicht nur in betonte und unbetonte Silben unterteilt, sondern auch Zwischenstufen möglich sind ...und das auch noch unterschiedlicher Variation, teilweise je nach Sprecher.

 

Mit dem "ungebrannt" sind die noch "rohen", nicht besitzenden aber genauso gut nicht besessenen Seelen gemeint, welche ohne jene Eigentumsstrukturen in Trübsal verfallen. Besitzen und besessen werden, das ist der Traum, durch den sie einerseits gebrannt werden – an Stabilität gewinnen, andererseits auch gebrandmarkt werden – somit Verletzlichkeit zeigen.

 

LG Mesochris

Geschrieben

Beeindruckend. Vor allem beeindruckend pessimistisch. Das dürfte an der gedanklichen Vorlage liegen.

 

Ich möchte mich aber mit dieser speziellen Vorlage nicht allzu gemein machen. Die Haltung liegt mir nicht, obwohl ich durchaus auch selbst mal am Jammern bin.

 

Formal sehr schön; eine Frage noch:

Vierdienst ist, bleibt Verdienst

Ist Vierdienst korrekt?

 

Kreative Grüße

 

Ruedi

Geschrieben

Hallo Ruedi,

 

ich bin auch nicht Nietzsches Meinung, was das Bild der Liebe angeht. Ich habe mich aufgrund meines Klausurstoffes mit dem Kapitel beschäftigt und fand die Ansichten aber äußerst spannend. Die Welt mit Nietzsches Augen zu sehen, hat immer etwas Spannendes.

 

"Vierdienst" ist selbstverständlich ein Rechtschreibfehler. Danke für den Hinweis – wurde umgehend korrigiert.

 

LG Mesochris

Geschrieben
Das eine Mal in Gold, das andre Mal in Flammen.

Darf ich fragen, was mit "Gold" gemeint ist? Ich würde denken, es geht um materielle Dinge vs. Liebe?

Berechnung?

 

 

Das Herz giert nach Besitz und stillt nur seine Sucht

Das ist so ein Thema, wo ich gedanklich selbst dran bin und mich immer wieder zu reflektieren suche.

Aus Angst vorm Ideal – aus Angst vor wahrer Liebe!

Dazu etwas persönliches:

Die Menschen denken so. Ich habe einen Freund, der ist knapp 30 Jahre älter als ich. Frau gestorben, er ist mit ihr bis zum Ende gegangen.

Ein wahnsinnig toller Mensch, so etwas gibt es eigentlich nicht.

Mit dem rede ich auf oft über meine eigenen Gefühle. Weil viele Leute es nicht verstehen können, dass ich zu meiner Liebe stehe.

Ich habe schon oft gehört, ich soll meine Jugend, mein Leben doch nicht an "so eine" verschwenden. Mein Freund sagt dazu:

Sie verstehen es nicht. Weil manche es nie kennen lernen.

Das fiel mir gleich wieder ein.

 

Davon ab mag ich die zynische Betrachtung und den pessimistischen Grundtenor sehr.

Ich kann mit so etwas viel anfangen.

Geschrieben

Hallo Sushan,

 

Die Liebe und der Mensch, sie kommen nie zusammen:

Das eine Mal in Gold, das andre Mal in Flammen.

mit diesem Verspaar wollte ich die Widersprüchlichkeit der Liebe vorwegnehmen, die dem Menschen in ihrer Bedeutung immer verborgen bleiben wird.

"Gold" soll dabei ein Mal etwas Schönes, Prachtvolles, das andere Mal eben den materiellen Anspruch, den Besitz darstellen; "Flammen" auf der einen Seite etwas Zerstörendes sowie gleichzeitig in ihrer symbolträchtigen Funktion die Leidenschaft.

 

Zum zweiten Teil. Wenn dein Freund mit seiner Frau bis zum Ende gegangen ist und man annehmen darf, dass er weiß, wie sich echte Liebe anfühlt, dann gebietet es nicht nur die Emotion, sondern auch die Logik, auf seine Worte und seinen Rat zu hören. Der Mensch verschwendet sein Leben sowieso – das ist in dem Fall auch kein Zynismus... wer schafft etwas, das über ihn hinaus geht... nahezu niemand! – Was gibt es in dem Falle besseres als sein Leben an die Person zu verschwenden, die man aufrichtig liebt? Nichts und niemand gibt dir nämlich etwas zurück, von der Zeit, der Energie, etc., die du tagtäglich vergeudest außer der Person, die dich mit Liebe erfüllt.

Das ist das, was sie, die dich belehren wollen, nicht wissen – was dein Freund weiß – wahre Liebe ist, wenn man sich gegenseitig vervollkommnet. Warum soll das nicht heißen, dass man sich selbst aneinander verschwendet und dafür jede Sekunde vom anderen wieder aufgebaut wird. Und das passiert egal wie gut oder wie schlecht es dem Partner geht, so sehr die Außenstehenden auch sehen wollen, dass ein Ungleichgewicht herrscht. Hab Mut den Leuten die Worte im Mund umzudrehen. Wer liebt, ist im Recht.

 

LG Mesochris

  • 1 Jahr später...
Geschrieben

Eigentlich hatte ich keine Verbindung geplant. Aber im Nachhinein fallen mir zwischen fehlgedeuteter Liebe und Herbst natürlich auch einige Parallelen auf... ein scheinbar goldener Anblick, die Kurzlebigkeit der Schönheit oder das Motiv des Vergehens und Dahinfliehens usw.

 

LG Cheti

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