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Voller Stolz treten sie durch die Tore der Stadt, welche einem Nachtclub gleicht. Wenig Licht und wenig Leuchten, jedoch eine Menge glänzende, glitzernde Menschen, mit Tüten über dem Kopf. Nur für Nase, Augen und Ohren gibt es Öffnungen. Eine der Gestalten kommt auf sie zu und fragt mit tiefer Stimme, was zwei Dörfler hier verloren hätten. Ganz offensichtlich ist es möglich zu erkennen, ob jemand im Dorf oder der Stadt geboren wurde. Ich schätze dem Röslein gefällt dieser Gedanke und diese gar nicht so fremde Welt sehr gut. Es schaut hinauf zum Tütenkopf und fragt, ob es auch so werden kann, wie er. Der Mann scheint zu überlegen: „Naja, ich fälle keine Entscheidungen und hab erst recht keine Meinung, doch dafür spreche ich genau dies offen aus. Jetzt verschwindet!“ Das Röslein sieht, während die Puppe weiter tanzt, dem Mann mit Tüte sehnsüchtig hinterher, bis er letztlich in einiger Entfernung mit seinen Leidensgenossen verschmilzt.

Je weiter sie nun laufen, desto prunkvoller wird die Stadt. Geblendet von der Pracht und dem Überfluss vergessen sie allmählich des Dorfes Elend. Die angeekelten Gesichter derer, die noch keine Tüte über dem Kopf haben, zeigen ihnen allerdings, dass sie weder jetzt, noch in Zukunft willkommen sind oder sein werden. Als sich ihre Augen langsam an den Glanz gewöhnt haben, sehen sie, einige Meter vor sich, ein kleines und heruntergekommenes Bordell. Die Rose gähnt und signalisiert damit, dass es an der Zeit ist einzuschlafen, sowie die Zweifel, welche sie noch plagen, abzulegen. Zwar sind der Kopf und das Herz der Puppe strikt dagegen, doch leider werden beide für diese Entscheidung nicht gebraucht. Also nickt sie zustimmend und betritt das Etablissement. Hier bietet sich unseren beiden Freunden ein skurriler Anblick. Auf einem hölzernen, alten Stuhl, der zusammen zu brechen droht, sitzt ein uralter, fadendünner Mann, auf dessen Schoß wiederum drei bildhübsche Frauen sitzen. Er versucht sie krampfhaft festzuhalten und bohrt seine dünnen, knochigen Finger in ihre Schenkel. Zu seiner Linken steht eine fette, ja beinahe aufgedunsene Frau, die vorsichtig um ihn herumschleicht und immer wieder versucht die Mädchen aus seinen Fängen zu befreien. Dabei keucht sie, als sei sie gerade einen Marathon gerannt.

In der hintersten Ecke des Raumes, liegt, auf einem samtenem Sofa, ein weiter Mann, der von circa 40 jungen Damen gestreichelt und liebkost wird. Er trinkt ein Glas Wein nach dem Anderen und wird mit feinsten Speisen gefüttert. „Wa...soll da...?“ ,versucht die Puppe zu fragen, doch es kommen nur Fetzen aus ihrem Mund. „Was soll das?“, fragt sie ein weiteres mal und diesmal mit Erfolg.

„Nun...“, meldet sich die dicke Frau zu Wort. „Deine Worte sind jetzt meine. Sei froh, dass ich nicht alle genommen hab!“ Verdutzt steht die Puppe in der Gegend herum und schaut sich das Chaos an. Die Frau und der Mann im Stuhl zerreißen die Mädchen fast, bei dem Versuch sie zu sich zu holen oder eben bei sich zu behalten. Auf den Hinweis der Rose, dass man doch teilen könne, antwortet der fast zweidimensionale Greis: „Nicht genug... mehr haben!“ und wendet sich danach wieder der Frau zu.

Als drittes spricht nun auch der Mann im Sofa zur Puppe: „Glaub mir, ich würde mich ja einmischen, aber es ist zwecklos. Etliche Male hab ich es probiert, doch da geht eher ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass sich diese beiden Verrückten endlich einig werden. Ich bekomme selten Besuch und eine tanzende Schaufensterpuppe hab ich auch noch nie gesehen. Sag, ist die Rose in deiner Hand wirklich aus Glas, oder täuscht mich mein Blick. Naja, ungewöhnlich wäre es nicht, bin ja auch nicht mehr der Jüngste und da kann es durchaus mal vorkommen, dass....

Die Puppe aber hört nicht weiter hin und läuft, so schnell es geht, durch die Tür nach draußen.

Weit kommt sie allerdings nicht, denn direkt vor dem Eingang des Bordells schwebt ein sehr gepflegter grauer Anzug, mit professionell gebundener Krawatte, auf sie zu. Dieser erklärt der Rose und der Puppe, dass sie hier nur Unruhe stiften und deshalb leider zeitnah gehen müssen. Anschließend entfernt er sich wieder von ihnen und alle Menschen um ihn herum, alle Tütenköpfe, die fette Frau, der verwöhnte Mann und der fadendünne Greis bilden eine scheinbar endlos lange Schlange und folgen ihm vergnügt im Stechschritt.

Jetzt ist es an der Zeit, den Vorhang kurz zu schließen, beziehungsweise neu aufzuhängen. Die Maske mit dem weinenden und lachenden Gesicht wartet noch, bis jene, die sich entschieden haben, das Varieté zu verlassen, dies auch getan haben und richtet dann das Wort an die Verbliebenen: „Die Ersten werden sesshaft, auf der Reise hin zum wahren Glück? Denkt daran, steigt ihr jetzt aus, gibt es später kein zurück!“

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