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Schritte und Splitter


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Als zum ersten Mal aus meinem Spiegel

ein Mann mich ansah mit seinen Lügen,

als aus Falten heraus Grablichter schienen

und von hinter dem Spiegel eine traute Ruine,

als aus nachtdunklen Augen Flügel brachen,

in kalten Grimassen erfrorenes Lachen,

als im Glas tausend Gesichter lebten

und der Mensch am Bilde klebte

zerbrachen Bild und Leben in Splitter.

 

Es ist noch nicht soweit,

es ist nur ein Schritt.

Es ist noch nicht soweit,

komm ich mit mir mit?

 

Als später dann mein Weg mich schmerzte

und ich Zäune zog in meinem Herzen,

als der Wind sich weigerte, mich weiter zu tragen

und die Stille, zu hören meine Klagen,

als ich schon am Tage blind ging,

meine Seele sich in Steinen verfing,

als ich zu stolz war, mir zu dienen,

sah ich die Kargheit meiner guten Miene

und der Stamm in meinem Rücken zersplitterte.

 

Es ist noch nicht soweit,

es ist nur ein Schritt.

Es ist noch nicht soweit,

komm ich noch mit?

 

Als ich auf der Haut der Erde verrotten wollte

und, fast tot, nicht mehr weinte und grollte,

als mich schwach und hilflos der Sturm liebkoste,

zwischen Felsen, nass, schwarz und bemoost,

als Gischt, Luft und Regen verschmolzen,

wuchs aus zersprengtem feuchten Holz

als Geschenk, von selbst und unerwartet,

eine tiefblaue Blume von eigener Zartheit

und die Welt um sie öffnete sich.

 

Es ist jetzt soweit,

es war nur ein Schritt.

Es ist jetzt soweit

und jeder Schritt, den ich tat, kommt mit.

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Hallo Ruedi,

gut zu lesen, dass das LI am Ende des beschwerlichen Erkenntnisweges seine "blaue Blume" findet.

Sie stand ja in der Romantik für Sehnsucht und Liebe.

Mich hat dein Text an Novalis "Heinrich von Ofterdingen" erinnert, der letztlich auch seine blaue Blume fand.

Als Stimmungslied dazu empfehle ich den Song "noch nicht so weit" von Peter Heppner.

Danke für den Text und die daraus für mich entsprungenen Erinnerungen und Inspirationen.

LG

Perry

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als ich zu stolz war, mir zu dienen,

Über diese Zeile bin ich jedes Mal gestolpert, lieber Ruedi.

Da steckt für mich sehr viel wesentliches drin, auf dem Weg zur Selbstfindung. Stolz und Sturheit, damit kann ich sehr viel anfangen.

Es sind auch gute Eigenschaften, oder können es auch sein. Aber auch hinderlich, wie in diesem Fall.

Die blaue Blume kehrt bei Dir auch immer wieder, nicht?

 

Soweit erstmal meine ersten Eindrücke. Hat mir gut gefallen!

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Danke euch beiden für das wohlwollende Feedback.

 

Die blaue Rose als ersehntes Symbol der Romantik habe ich mir genau zweimal geklaut entlehnt, nämlich hier und in dem Gedicht von der blauen Rose.

 

Meine tatsächlichen eigenen blauen Rosen sitzen zu dritt bei mir daheim und gehen mir gottlob auf die Nerven

 

LG

 

Ruedi

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