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Der Stift und ich begegneten uns von Anfang an auf dem Kriegsfuß und das Zusammenstellen von Buchstaben zu Wörtern, war mir ein Mysterium. Die Lehrer hatten mindestens genauso unter mir zu leiden, wie ich unter ihnen. Ich Verstand einfach nicht was sie mir beibringen wollten und sie konnten meine Hieroglyphen nicht entziffern. So standen wir die ersten Jahre auf verlorenem Posten, bis sie dahinter kamen, was bei mir nicht stimmte. Von da an, drückten sie schon mal das ein oder andere Auge zu.

 

Nicht immer, was die zahlreiche Einträge im Klassenbuch dokumentierten. Ich solle mich doch aufs Wesentliche konzentrieren und mich nicht von meinen Fantasien ablenken lassen. Dabei waren es meine Fantasien, die mich vorm schlimmsten bewahrten, denn mit meinen Aufsätzen konnte ich punkten, während ich bei der Rechtschreibung kläglich versagte. So arrangierten wir uns, und da ich in anderen Fächern weniger Probleme hatte, waren sie bei der Benotung milde und haben mich jedes Jahr weiter ziehen lassen. Meine Entlassung war ein Segen für uns alle, denn länger hätte ich das nicht durchgehalten.

 

Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn wie ich schnell herausfand, war der Eintritt ins Berufsleben auch mit schulischem Engagement verknüpft. Zum Glück nur einmal die Woche, dafür kam es aber direkt ganz dicke. Normschrift! Anfangs quälte ich mich jeden Tag mein Berichtsheft zu pflegen und die Hausaufgaben durchzuarbeiten. Mit der Zeit bemerkte ich aber, dass mir die Normschrift mehr lag als die Schreibschrift. Auf einmal konnten die Lehrer mein geschriebenes lesen, ohne dauernd nachfragen zu müssen, was denn da stehen würde. Ein Fortschritt, der mich dazu veranlasste die Schreibschrift vollkommen an den Nagel zu hängen. Mit der erfolgreichen Absolvierung der Abschlussprüfung, fing dann das schönere Leben an. Ich blühte in meinem Beruf auf, in dem ich Gott sei Dank, nur wenig mit schreibenden Tätigkeiten konfrontiert wurde. Aber irgendetwas fehlte mir, das fühlte ich, ohne es benennen zu können.

 

Die Jahre zogen ins Land und mit ihnen veränderten sich die Interessen. Die Lust, sich jedes Wochenende volllaufen zu lassen und dabei krampfhaft zu versuchen, weibliches an Land zu ziehen, wich einem Bedürfnis kreativ zu sein. Ich forcierte die Übungen am Instrument im gleichen Maße, wie ich den Alkoholkonsum zurückschraubte. Doch immer nur im stillen Kämmerlein zu üben, war auf die Dauer auch dröge und so suchte ich nach Veränderung, indem ich mich einer Band anschloss. Der Alkoholkonsum stieg wieder drastisch an, aber zumindest war ich plötzlich für das andere Geschlecht existent, das sich bis dahin erfolgreich gewehrt hatte, mich überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Ich probierte mich und die Damenwelt aus, um dann festzustellen, dass es gar nicht so einfach ist den richtigen Topf zum Deckel zu finden.

 

So dauerte es auch nicht allzu lange, bis ich meinen Fokus von der Reizwäsche auf das Komponieren von Musik verlegte. Inzwischen war Equipment für brauchbare Musikaufnahmen erschwinglich geworden und so konnte ich das ein oder andere Stück auch vertonen. Meine Musik in die Band zu integrieren, machte allerdings keinen Sinn, da sich meine Werke außerhalb des musikalischen Leitfadens der Band abspielten. Ein Umstand, der mir sogar entgegenkam, denn ich arbeite gerne allein an meiner Musik und bis dato hatte ich auch nur instrumentale Stücke produziert. Wie das Leben so spielt, setzte sich unerwarteterweise wieder ein Deckel auf meinen Topf. Ein äußerst attraktiver, wie ich gestehen muss, aber doch mit einigen Macken, die dafür sorgten, dass ich regelmäßig auch mal Dampf ablassen musste.

 

Die Beziehung war kompliziert und mir war relativ schnell bewusst, dass es nichts für die Ewigkeit sein würde, aber ich wollte kämpfen, weil ich damals noch ansatzweise daran glaubte, Menschen ändern zu können. Rückblickend denke ich nicht gerne an diese Episode, da es immer noch schmerzt. Ein Umstand verhindert allerdings, dass ich sie jemals vergessen könnte. Sie schrieb Gedichte. An ihre Gedichte kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an den unausgesprochenen Augenblick, wo sie mir zu verstehen gab, dass sie von mir erwartet, ihr eines zu schreiben. Eines Morgens nach einer ausgiebigen Liebesnacht war es dann soweit, ich konnte von Gefühlen übermannt nicht einschlafen und versuchte diese Gefühlte in Worte zu fassen. Als sie erwachte, lag ein Zettel neben ihr auf dem Kissen und während ich den Kaffee zubereitete, hörte ich sie vor Glück weinen. Das Gedicht gibt es noch, alles andere habe ich dem Feuer übergeben.

 

Trotzdem bin ich ihr heute noch dankbar, denn sie hat mit ihrer Aufforderung zu Schreiben einen Pfropfen in mir gelöst, und endlich habe ich das Fehlende gefunden, das ich vorher nicht benennen konnte. Auf die Narben hätte ich gerne verzichtet, aber alles hat seinen Preis. Von dem Zeitpunkt an schrieb ich regelmäßig Texte, Songtexte, Kurzgeschichten, Sprüche, Tagebuch Einträge und vieles mehr. Ich war erwacht, auch wenn ich regelmäßig damit hadere, dass mir die Muse so eine schlechte Rechtschreibung mit auf den Weg gegeben hat.

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