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In einem Bild


Schmuddelkind

Empfohlene Beiträge

Ich sehne mich nach deiner Nähe.

Mich tröstet nur dein Angesicht

in einem Bild, das ich ersehe,

das wieder kommt und wieder bricht.

 

Ach Zeit, du Lebensstrom, vergehe!

Wann ist dein Ende denn in Sicht?

Wie lange noch, bis ich verstehe:

mein Liebchen kommt auch heute nicht.

 

Ich müsste Jahre wohl empfinden,

um einen solchen Augenblick

der stillen Sehnsucht zu ergründen.

 

Und Jahre habe ich empfunden

in jenem ungehaltnen Glück

der ahnungsvoll geteilten Stunden.

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Hallo, Schmuddelkind,

 

ich wollte eigentlich fair verteilen und mir ein unkommentiertes (oder zumindest im Verhältnis wenig kommentiertes) Thema suchen - aber hier hing ich doch gleich mal fest.

 

Das Sonett als Gedichtform ist einer meiner Favoriten, da kann ich nicht anders.

 

Hast du dich hier für den Kreuzreim des englischen Sonetts in Kombination mit umarmenden Reimen in den Terzetten des deutschen sowie für eine Verkürzung von 11 auf 9 Silben entschieden? Interessante Variante und auch gut gewählte, harmoniert gut mit dem Inhalt. (Das ist meine persönliche Ansicht: Jede Gedicht-, Strophen- und Versform, jede Art von 'Bestandteil', mit dem ich mich auseinandersetze, was ich auch lerne und verinnerliche, alles ist für mich 'Material, mit dem sich arbeiten lässt'. )

 

So viel zum 'Formalen'. Inhaltlich möchte ich das abschließende Terzett gerne hervorheben. Denn es ist (zumindest nach meiner persönlichen Lesart) sowohl Teil der Synthese als auch eine Conclusio.

 

Ich lese insgesamt heraus, dass es einen Verlust gegeben hat. Besonders durch das 'ahnungsvoll' am Ende. Eine Entwicklung, die sich längere Zeit davor bereits abgezeichnet hat. Was mir wirklich zusagt, ist die Offenheit der Interpretation, den 'Bewegungsspielraum', der mir hier gelassen wird. Es kann eine Krankheit, die zum Tod geführt hat, gewesen sein. Oder eine Trennung, bedingt durch irgendwelche Umstände, sei es durch 'interne' oder 'externe'.

 

Was mich aber am meisten emotional berührt hat, sind diese Verse:

 

Ach Zeit, du Lebensstrom, vergehe!

Wann ist dein Ende denn in Sicht?

Ein Todeswunsch - für mich sehnt sich das LI nach dem Ende seines Lebens. Daraus interpretiere ich wiederum, dass das LI sein Leben ohne LD nicht für lebenwert hält. Aber hier ist zwar ein 'Flehen', eine Sehnsucht nach dem Tod herauszulesen - allerdings, so empfinde ich es, passiv. In der Hinsicht, dass im Gedichts nichts auf die Absicht eines aktiv herbeigeführten Endes hindeutet. Wunsch, dem aber keine Tat folgt, sondern abwarten. Viel Spielraum erneut hier - ich frage mich natürlich nach dem 'Motiv'. Das muss keineswegs bedeuten, dass dem LI 'nicht genug' am LD lag, sondern kann auch (im Sinne eines Glaubens) durch die Furcht bedingt sein, das LD dadurch gänzlich und für immer zu verlieren.

 

Je nachdem, ob eben der Verlust durch Krankheit und Tod oder durch Trennung verursacht wurde, kann ich es verschieden 'im Geiste durchdenken und fortführen'.

 

Ich schätze Gedichte, in denen ich mich geistig bewegen kann, sehr.

 

Gerne darauf eingelassen und mich durch die bei mir entstandenen Gedanken und (Mit-)Gefühle hindurchbewegt!

 

LG,

 

Anonyma

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Wow! Vielen Dank für die vielen positiven Reaktionen zu meinem Gedicht, ihr Lieben!

 

Da brauchte ich erstmal ein wenig mehr Zeit, um zu antworten. Tut mir dennoch leid, dass es sich jetzt doch etwas hingezogen hat.

 

 

Quartetten und Terzetten fließen so ungezwungen, dass ich lange brauchte,

um das perfekte Sonett zu erkennen.

Das sind mir beim Lesen auch die liebsten Sonette, die sich naturwüchsig anfühlen und denen man den Formzwang nicht anmerkt. Manchmal steht das Sonett ja in Verruf, zu starr und "künstlich" zu sein und tatsächlich ist die Gefahr natürlich immer gegeben, wenn man versucht, ein Sonett zu schreiben. Aber es gibt viele wundervolle Sonette, denen man abnehmen könnte, dass sie nur zufällig ein Sonett geworden sein mögen.

 

Tiefgründig, wehmütig und dem Schicksal ergeben. Fein gedichtet, Schmuddelkind.

Vielen Dank für dein Lob, lieber Nöck!

Ja, Schicksal scheint hier ein Thema zu sein - Schicksal im Sinne unveränderlicher Ereignisse, denen man sich unterwerfen muss. Zeit selbst ist so eine konstante Unveränderlichkeit, was das Vermissen einer geliebten Person zu einer qualvollen Erfahrung machen kann.

 

Sehr innig, liebes Schmuddelkind.

Vielen Dank! Freut mich, dass die sehnsüchtige Hinneigung zur Geltung kommen konnte.

 

ich wollte eigentlich fair verteilen und mir ein unkommentiertes (oder zumindest im Verhältnis wenig kommentiertes) Thema suchen - aber hier hing ich doch gleich mal fest.

Oh, das tut mir leid für den Poeten, dessen Gedicht nun nicht kommentiert wurde, aber da ich deinen ausführlichen Gedanken zu meinem Text so gerne gefolgt bin, hält sich mein Mitleid auch wiederum in Grenzen. So egoistisch darf man ruhig sein.

Jedenfalls ein besonderes Dankeschön an dich, dass du dir so viel Zeit genommen hast und so viele interessante Gedanken zum Gedicht aufgeworfen hast!

 

Hast du dich hier für den Kreuzreim des englischen Sonetts in Kombination mit umarmenden Reimen in den Terzetten des deutschen sowie für eine Verkürzung von 11 auf 9 Silben entschieden?

Naja, "entschieden" ist nicht ganz das richtige Wort. Habe eher gespürt, dass das Gedicht so Sinn macht. Da halte ich mich, ähnlich wie du, nicht dogmatisch an Vorgaben, sondern spiele ein wenig mit ihnen, um das, was im Gedicht durchkommen soll, zur Geltung zu bringen. Insbesondere die vierhebigen Verse empfand ich hier als angemessen, weil sie inniger und weniger starr und kopflastig wirken. Generell neige ich in den letzten Jahren zu kürzeren Versen, weil sie oft unmittelbarer wirken, als wenn man sich nach längeren Versen bewusst an den Reim erinnern muss.

 

Das ist meine persönliche Ansicht: Jede Gedicht-, Strophen- und Versform, jede Art von 'Bestandteil', mit dem ich mich auseinandersetze, was ich auch lerne und verinnerliche, alles ist für mich 'Material, mit dem sich arbeiten lässt'.

Das sehe ich ganz genauso. Ich habe Hochachtung vor Poeten, die die Formen haargenau einhalten und sich darum bemühen, ein Sonett nach klar vorgegebenem Muster zu einem schönen Klang zu verhelfen, aber es muss auch Raum geben, damit zu spielen, zu experimintieren... Habe ja auch schon dein "Spiegelsonett" gelesen und hoffe, demnächst noch was dazu sagen zu können. Ich habe sogar mal ein "Sonett" aus einhebigen Versen geschrieben. Aber ich bin auch verrückt - das muss man also nicht ernst nehmen.

 

Inhaltlich möchte ich das abschließende Terzett gerne hervorheben. Denn es ist (zumindest nach meiner persönlichen Lesart) sowohl Teil der Synthese als auch eine Conclusio.

Gut beobachtet!

Zum einen bilden die beiden Terzette zusammen die Synthese - die Einsicht in die Unmöglichkeit, die Zeit zu überwinden, zum anderen steckt darin auch eine gewisse Gegensätzlichkeit der Blickwinkel zwischen den beiden Terzetten, da im letzten Terzett der Blick zurückgeht und damit die Schlussfolgerung, dass zwar die Sehnsucht nach einem besonderen Menschen diesen nicht herzaubern kann, aber dass das vergangene Glück eben auch eine wirkliche Dimension hat.

 

Was mir wirklich zusagt, ist die Offenheit der Interpretation, den 'Bewegungsspielraum', der mir hier gelassen wird.

Das freut mich sehr, denn diese Offenheit strebe ich gerne in meinen Gedichten an. Oft beschreibe ich nur so viel einer Situation, dass plausibel wird, wie Personen sich fühlen und was sie denken, aber nicht, wie es dazu kam, denn dies sind Gedanken, die der Leser aus seinem eigenen Erinnern in das Gedicht bringen kann und damit das Gedicht als etwas Persönliches erfahren kann, das mit ihm zu tun hat. So zumindest meine Hoffnung.

 

Von daher fand ich auch deine Lesart interessant und sehr plausibel, dass es sich um das Betrauern einer verstorbenen (oder sonstwie verlustig gegangenen) geliebten Person handelt. Die Stellen, die du erwähnt hast, passen hervorragend dazu. Ich persönlich habe es eher als das Vermissen einer geliebten Person verstanden, die zur Zeit nicht da sein kann. Da sich ein solches Fehlen des Anderen aber wie eine Ewigkeit anfühlen kann, sind Anklänge von Tod darin enthalten.

 

Die Stelle mit der Sehnsucht, dass die Zeit als Lebensstrom vergehen soll, habe ich für mich so verstanden: Wenn man jemanden vermisst, sehnt man sich ja gerne danach, dass die Zeit vergeht, bis man diesen Menschen wieder sehen kann. An sich eigentlich ein widersinniger Wunsch, denn Zeit ist ja Lebenszeit, quasi die Währung des Lebens. Normalerweise sollte man doch annehmen, dass ein Mensch nicht den Wunsch haben kann, dass die Zeit vergeht, denn es ist wie ein kleines Stückchen Tod - man nähert sich dem Tod an. Doch in der sehnsüchtigen Hinneigung zu einem Menschen wird dieser Wunsch völlig verständlich.

 

Aber ich mag deine Interpretation sehr und wenn ich mein Gedicht von diesem Blickwinkel aus lese, entdecke ich so viel daran, das ich vorher nicht sehen konnte. Auch wirkt es gleich emotional viel intensiver. Daher danke für deine interpretatorische Ergänzung!

 

 

die Tiefe der Gefühle ist in jeder Zeile zu erkennen und erlaubt den Lesern, darin einzutauchen.

Ich konnte es nicht nur einmal lesen, ich musste es auch ein zweites und drittes mal tun! Danke für den tollen Beitrag!

Wow! Mehrmaliges Lesen ist überhaupt das größte Lob, das ein Autor erhalten kann. Danke!

 

LG

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