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Geschrieben am

Du trägst die Jahre schwer im Herz

so früh war Schuld dir auferlegt

an einem kühlen Tag im März

hat Angst sich um die Zeit gelegt

und Zeit war es! Und Welt verzerrt

bis sich kein Widerstand mehr regt

und jede Hoffnung dir verwehrt

 

mit Schlägen ausgetrieben!

Jeder Kampf und jedes Aufbegehren

bis nur die Schmerzen blieben

jede Nacht und weil sie wiederkehren

solange dieser Ort dich wiegt

in Kälte, und du kannst dich nicht wehren

musst fliehen! Damit Hoffnung siegt.

  • Gefällt mir 5
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  • Schön 1
Geschrieben

Liebe Lichtsammlerin,

 

dein Gedicht gibt inhaltlich etwas Raum zur Interpretation und vermittelt dennoch ein Gefühl von Verzweiflung. Das ist eine Kunst für sich, Gefühle zu transportieren, ohne zu erklären, worauf diese Gefühle sich gründen. Ich lese es als die Flucht eines Heranwachsenden vor einem gewalttätigen Elternhaus.

 

vor einer Stunde schrieb Lichtsammlerin:

an einem kühlen Tag im März

hat Angst sich um die Zeit gelegt

und Zeit war es!

Diese Passage finde ich klasse! zunächst der konkrete Tag, also ein Zeitpunkt, dann der Hinweis, dass dem Zeitpunkt eine längere Entwicklung vorausging, wobei "Zeit" hier als Zeitraum verwendet wird und im selben Satz noch die Wiederholung des Wortes "Zeit", diesmal in der Bedeutung von "Zeitpunkt". Jetzt! ist die Zeit! Diese Bewegung verdeutlich die Entschlusskraft des Beschriebenen.

 

Was ich interessant finde: Die erste Strophe folgt ganz klar mechanisch dem Jambus. Gegen Ende hin ufert das Gedicht jedoch metrisch aus und ich frage mich (bzw. dich), ob es beabsichtigt war. Es wirkt vielleicht ein wenig wie ein Befreiungsschlag, den man ja auch inhaltlich in dem Gedicht erkennen könnte.

 

LG

  • Gefällt mir 3
Geschrieben

Hallo Lichtsammlerin,

 

ich finde deine Kommentare zu den Gedichten Anderer großartig, lese sie gerne und lerne immer dazu.

Gerade weil ich dein Intellekt schätze, versuche ich, dir zu sagen, was mich an vielen deinen Gedichten auffällt: Sie handeln immer wieder von dem gleichen Thema.

Ich weiß, das über schlimme Erfahrungen zu schreiben hilft, sich von ihrer Last zu befreien.

Nur, um wirklich gute Lyrik zu schreiben, muss man darüber hinweg sehen.

Else Lasker-Schüler litt stark unter den Nazis, wurde auf offener Straße beschimpft und geschlagen, mußte fliehen.

In keinem ihrer Gedichte nimmt sie darauf Bezug.

Reiner Maria Rilke litt stark unter einem tyrannischen Vater. Du kennst sicher seine Gedichte...

So, das war's, liebe Lichtsammlerin. 

Vielleicht wirst du mich jetzt hassen, das habe ich aber im Kauf genommen, weil ich weiß, dass du eine gute Dichterin bist, wenn du über andere Sachen schreibst.

Carlos

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Hallo Schmuddelkind,

 

danke für deine Worte.. ja, es bleibt ein Raum für Interpretation, das ist mir meist lieber als ganz strikt verfasste Eindeutigkeit. Was bei dir ankam, entspricht aber ziemlich meiner eigenen Intention, insofern freut es mich, dass die Gefühle auch so bei dir angekommen sind.

In den zweiten Strophe ändert sich die Metrik tatsächlich sehr. Es war keine beabsichtigte Änderung, allerdings schien es mir inhaltlich zu passen. Mit der zunehmenden Dringlichkeit und Verzweiflung im LI einen Entschluss zu fassen, werden die Gedanken lauter, überschlagen sich förmlich, verlassen den vorigen Rhythmus.

Da hast du sehr aufmerksam gelesen..

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo Carlos,

 

erst einmal, danke für dein Lob.

Zweitens, ich habe doch überhaupt keinen Grund dich zu hassen. Ich finde Hass ist ein schlimmes Gefühl, daran mag ich mich gar nicht halten..

Du gibst mir eine ehrliche Rückmeldung und das schätze ich. Und ich stimme dir auch zu, ich greife immer wieder ähnliche Themen auf, weil es die Dinge sind, die mein Herz bewegen. Schreiben ist heilsam, so empfinde ich es.

Ich habe tatsächlich gar nicht den Anspruch an mich selbst, "wirklich gute Lyrik" zu schreiben, zumal ich in erster Linie für mich schreibe, und nicht für andere. Und ich kann nur schreiben was ich sehe, erlebe, fühle, erkenne usw.. wenn ich in die Welt blicke, sehe ich Schönheit genauso wie das Hässliche, beides bewegt mich und fließt in meine Texte, ich verleihe dem auf meine Weise eine Stimme.

Im übrigen gibt es großartige Dichter - Paul Celan, Hilde Domin, Nelly Sachs usw.. - die in ihren Werken traumatische Erfahrungen zum Ausdruck gebracht haben.

Ich habe im Schreiben einen eigenen Prozess durchlebt, ich wachse an den Worten.. Und im Moment, nun, ich bin in einer inneren Phase der Aufarbeitung, für mich ist es unumgänglich, dass dies in Gedichten Ausdruck findet. Aber ich verharre nicht an dieser Stelle, und je mehr sich mein Geist befreit, desto öfter befreien sich die Worte.

Auch diese Gedichte - mag sich thematisch einiges wiederholen - sind ein Teil von mir. Ich werde nicht versuchen zu unterdrücken, was mein Herz mir buchstabiert.

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

  • Gefällt mir 4
Geschrieben

Hallo Eulenflügel,

 

ich danke dir für diese Worte. Es lebt wohl in allen künstlerischen Werken ein Stück Geschichte, und alles hat seine Berechtigung.

Ich bin noch jung und meine Erlebnisse sind auch zeitlich noch sehr nah, insofern fängt der Prozess wohl erst an. Mir gefällt wie du schreibst "Ich glaube, Mensch muss da einfach ganz zu Grunde gehen...ausschöpfen, bis er_sie freilegen kann, was ganz unten verborgen liegt. Dann ist gut."

Das ist genau, wie es sich anfühlt. Und manchmal wird es gefühlt schlimmer, bevor es besser werden kann. Obgleich ich diese Prozesse lieber wertfrei betrachte.

 

Ich kenne Niki de Saint-Phalle nicht, aber den Weg den sie in ihrer Kunst ging, kann ich gut nachempfinden. Die inneren Gefühle wollen erst Ausdruck finden, bevor anderes daraus wachsen und entstehen kann. "Geboren" wird.

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

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