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Die Höhle

Ich schreib in krummen Kreisen
von Liebe, Leid und Glück
von Abenteuerreisen
und manchem Missgeschick

Die Kreise werden kleiner
die Fahrt wird mählich schnell
ein Strudel zieht mich weiter
da wird es plötzlich hell

Gespült auf Stein und Felsen
steh ich auf festem Grund
dort hinten gähnt die Höhle
mit ihrem Feuerschlund

Es drängt mich sie zu schauen
es graut mir es zu tun
doch nur wenn ich es wage
werd ich in Frieden ruhn

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Geschrieben

Hallo Berthold,

 

vielleicht raucht mein Kopf noch ein wenig, oder schon wieder.. :whistling:

Es ist gar nicht so einfach, sich "krumme Kreise" vorzustellen, dementsprechend blieb ich gedanklich lange beim ersten Vers, ehe ich den Rest genießen konnte.

Der Gegensatz, der gleich zu Beginn bei mir entsteht, ist ein Bildnis des Kampfes zwischen Unvollkommenheit und Vollkommenheit. Vielleicht ist es letztlich gar kein Gegensatz, aber die Wirkung ist gewaltig.

Das LI scheint mir auf einer inneren Fahrt durch das Leben zu sein, durch die Jahre, durch die Erlebnisse, durch die inneren Hindernisse. Eben auf Abenteuerreise..

vor 1 Stunde schrieb Berthold:

Die Kreise werden kleiner

Das fügt sich sehr gut in die Bildebene, da es sowohl die Zeit wie den Raum meinen kann, bzw beides.

Doch vermittelt mir dieses Bild besonders ein Gefühl sich rückwärts zu bewegen. Ich musste an die Baumringe denken, die im Laufe des Baumlebens immer größer werden, sich weiter vom Ursprung entfernen. Hier werden sie kleiner, als werde die Zeit zurück gedreht und das LI kehrt an einen Ort der Erinnerung zurück, der Strudel verdichtet sich, bis es hell wird.

vor 1 Stunde schrieb Berthold:

Gespült auf Stein und Felsen
steh ich auf festem Grund
dort hinten gähnt die Höhle
mit ihrem Feuerschlund

Hier entwickelt sich das Ankommen und die Wahrnehmung der Umgebung.

Das LI scheint genau zu wissen, wo es sich befindet, besonders in den letzten beiden Versen verstärkt sich dieser Eindruck. Andernfalls würde vermutlich von "einer Höhle" und "einem Feuerschlund" die Rede sein.

Auch im folgenden wird das sichtbar:

vor 1 Stunde schrieb Berthold:

Es drängt mich sie zu schauen
es graut mir es zu tun

Die vertrauten ambivalenten Gefühle vor einer Konfrontation, die man scheut, aber von der einem klar ist, wie notwendig sie ist. Und die einen auf eine Weite auch lockt..

Seltsam finde ich hier die Formulierung "schauen" statt "sehen", nach meinem Sprachgebrauch wäre letzteres passender, da es für mich aktiver ist. "Schauen" verwende ich eher in einer passiven Rolle des Zu-schauens o.ä.. Vielleicht ist da der Gebrauch verschieden.

vor 1 Stunde schrieb Berthold:

doch nur wenn ich es wage
werd ich in Frieden ruhn

Das ist für mich der Höhepunkt deines Gedichts, das, worauf alles vorige hinzielte. Letztlich der Grund dieser Reise - die Begegnung. Und die Erkenntnis darüber, dass eine Angst überwunden werden muss, um Friede zu finden. Das LI wächst über sich hinaus und ist bereit sich dem zu stellen. Es ist nicht mehr gefangen in den Kreisen und vom Strudel ausgespuckt, es ist selbst alleinige handelnde Kraft im Geschehen.

 

Und an dieser Stelle muss ich noch einmal auf den Beginn zurück greifen:

Ich schreib in krummen Kreisen

Kann mehrere Positionen darstellen. Positionen, die einen möglichen Rahmen darstellen.

- Eine schreiberische Annährung, evt eine Reise die durch Worte gelebt wird, quasi im Schreiben erlebt wird.

- Oder ein späteres Auf-schreiben mit Reflektion des Erlebten. Dafür würde sprechen, dass die Bilder bereits eine Form haben, die Kreise krumm sind und das LI sich ihrer Wirkung bewusst zu sein scheint.

- Vielleicht ein Versuch sich der Reise / der Erinnerung zunächst auf dem Papier zu nähern, ehe das LI mit dem Schlussvers die Entscheidung wagt, sich auch innerlich auf die Reise einzulassen.

Letzte Idee gefällt mir persönlich am besten, vielleicht weil ich das selbst so von mir kenne :saint:

Vielleicht ist es auch eine Mischung aus allen oder etwas ganz anderes..

 

Nun, nachdem ich dein Gedicht (hoffentlich nicht) in Grund und Boden interpretiert habe, bleibt mir nur noch mitzuteilen, dass mir das Lesen ein Vergnügen war.

Manchmal sind es Worte wie diese, die an die Herausforderung erinnern, vielmehr aber an den Grund, weshalb man sich ihnen stellt.

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

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Geschrieben

Hallo Berthold,

 

vermute ich richtig, wenn ich hier (auch wenn der Inhalt natürlich dein eigener ist!) Platons Höhlengleichnis und evtl. die Kreise des Hierokles als Inspirationsquellen vermute?

 

Besonders interessant finde ich, dass hier die Kreise krumm sind und schrumpfen, anstatt zu wachsen ... darüber werde ich noch eingehend  nachdenken müssen.

 

Ich interpretiere den Text als 'Suche' im philosophischen Sinne. Als die Suche nach Erkenntnis. Die hier begleitet wird von der Furcht vor eben dieser Erkenntnis - vor dem 'Feuerschlund'. Ist es wirklich eine 'gute Idee', den 'festen, sicheren Grund' (Boden) zu verlassen und sich auf 'unsicheres, vielleicht gefährliches Terrain' zu begeben?

Begleitet von 'Selbst'zweifeln, angedeutet durch das 'Krumme' der Kreise, ungeübt, vielleicht sogar als 'ungenügend', nicht perfekt gerundet, empfunden.

 

Gedanken, die Kreise ziehen, eine Beschleunigung, sie nehmen 'Fahrt auf', doppelt, versinnbildlicht durch 'Strudel' und die 'kleiner werdenden Kreise'. 

 

vor 2 Stunden schrieb Berthold:

Es drängt mich sie zu schauen
es graut mir es zu tun
doch nur wenn ich es wage
werd ich in Frieden ruhn

Für mich die intensivsten Zeilen, diese letzte Strophe. Sich gedrängt fühlen, sich zugleich davor zu grauen, und die Erkenntnis: Nur wer wagt, gewinnt. Kann seinen inneren Frieden wieder finden, das 'Herumkreisen' beenden. In Frieden ruhn, Frieden finden. In sich selbst, mit sich selbst, vielleicht auch mit der Welt. Eine Erkenntnis, die der Erkenntnis vorausgeht - Starke Zeilen! :attention:

 

Also, daran habe ich jetzt wirklich großen Gefallen gefunden - gibt mir noch einiges an 'Denkstoff' mit, der in meinem Kopf wiederum seine Kreise ziehen kann. :wink:

 

LG,

 

Anonyma

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Geschrieben (bearbeitet)

Hallo Berthold,

 

die "Kreise werden kleiner" und " ein Strudel zieht mich weiter"  hört sich an wie ein Vortex , an dessen Ende es "hell" wird und wo das LI auf "festem Grund und Boden" ist. Vorher hat das LI sein Leben in "krummen" Kreisen geschrieben, daher nicht immer harmonisch oder unvollständig gelebt. Nun aber muss das LI sich dem stellen, was sein Leben "unvollständig" gemacht hat, da in der Helligkeit nichts mehr verborgen bleiben kann . Damit könnten seine alten Ängste gemeint sein, die hinter ihm in der Höhle "mit ihrem Feuerschlund"

(= Hölle?) auf ihn lauern und die er akzeptieren und überwinden muss, um sein Leben vollständig zu machen. Nur wenn das LI sich ihnen stellt, kann es endgültig seinen Frieden finden. Es könnte auch die Angst vor einer Hölle sein, wenn das LI daran glaubt.

Ob ich mit meiner Interpretation richtig liege, weiß ich allerdings nicht. 

Mit deinem Gedicht hast du uns Stoff zum Knobeln gegeben. 

Ich finde dein Gedicht sehr interessant, Berthold, und habe es sehr gerne gelesen. 

Liebe Grüße

Kirsten

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Geschrieben (bearbeitet)

Hallo Lichtsammlerin, hallo Anonyma,


freut mich, dass ihr es gewagt habt, meinen Sprung in den 'lyrischen Strudel' zu begleiten.

Vorab: Auch ich selbst schaue auf dieses Gedicht ein wenig so, wie ein Leser; obwohl ich doch der Verfasser bin. Dieses Gedicht ist, irgendwie, passiert: Da war der Gedanke / die Idee des ersten Verses, ich hole Blatt und Stift und fange an zu schreiben, ohne nennenswerte Unterbrechung, kein Zögern, kein Zaudern, keine Korrekturen. Wenige Minuten später war das Gedicht geschrieben ... und ich habe es neugierig und mit Staunen betrachtet; ein bisschen gefremdelt.
Üblicherweise bedeutet das Schreiben eines Gedichtes für mich Arbeit. Überlegen, ausprobieren, verwerfen, verändern, Fehler ausmerzen etc.: "Zehn Prozent Inspiration, neunzig Prozent Transpiration." - Tja, hier jedoch war es anders ...

 

*Ich schreib in krummen Kreisen

vor 15 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

ein Bildnis des Kampfes zwischen Unvollkommenheit und Vollkommenheit.

 

vor 14 Stunden schrieb Anonyma:

Ich interpretiere den Text als 'Suche' im philosophischen Sinne. Als die Suche nach Erkenntnis. Die hier begleitet wird von der Furcht vor eben dieser Erkenntnis


Ich sehe hier auch ein Suchen, ein Voranschreiten, ein Sich-Vertiefen des LI - und das Wissen: Was auch immer ich herausfinde, es ist mangelhaft, unvollkommen (krumm). 


*Die Kreise werden kleiner
die Fahrt wird mählich schnell
ein Strudel zieht mich weiter
da wird es plötzlich hell

vor 15 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Hier werden sie kleiner, als werde die Zeit zurück gedreht und das LI kehrt an einen Ort der Erinnerung zurück, der Strudel verdichtet sich, bis es hell wird.

 

vor 14 Stunden schrieb Anonyma:

Gedanken, die Kreise ziehen, eine Beschleunigung, sie nehmen 'Fahrt auf', doppelt, versinnbildlicht durch 'Strudel' und die 'kleiner werdenden Kreise'. 


Ihr habt eigentlich schon alles gesagt: Die Gedanken etc. nehmen fahrt auf,  entwickeln Eigendynamik,  werden zum Strudel. Das LI wird hier vom Handelnden zum Patiens?, zum Spielball?, zum Geführten? - muss loslassen.


*Es drängt mich sie zu schauen
 es graut mir es zu tun
 doch nur wenn ich es wage
 werd ich in Frieden ruhn

 

vor 15 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Das LI wächst über sich hinaus und ist bereit sich dem zu stellen. Es ist nicht mehr gefangen in den Kreisen und vom Strudel ausgespuckt, es ist selbst alleinige handelnde Kraft im Geschehen.

 

vor 14 Stunden schrieb Anonyma:

Sich gedrängt fühlen, sich zugleich davor zu grauen, und die Erkenntnis: Nur wer wagt, gewinnt. Kann seinen inneren Frieden wieder finden, das 'Herumkreisen' beenden. In Frieden ruhn, Frieden finden. In sich selbst, mit sich selbst, vielleicht auch mit der Welt.

Für euch beide: :thumbsup:
Punktgenau zusammengefasst. Auch für mich ist das die Quintessenz. 

Über dieses Gedicht muss ich selbst noch eine Zeit sinnieren, um ganz herauszufinden, was mir da widerfahren ist, was ich da geschrieben habe.
Eure Gedanken hierzu sind für mich sehr hilfreich.
Danke für eure tollen Kommentare und

LG 
Berthold 
 

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Geschrieben

Hallo Berthold,
ein Text, der sich durch die Reimstruktur eigentlich beschwingt liest, aber durch Bildwahl und -Aussage eher bedrückend nachwirkt.
Der Knackpunkt ist auch für mich das Bild der "krummen Kreise" die ja ein Widerspruch in sich selbst sind. Da es Dir ja wohl mehr um die Bebilderung einer nicht gleichmäßig verlaufenden Schreibreise geht, würde ich auf ein weniger stockendes Bild setzen:
Vorschlag: "ich schreib in halben kreisen", dann ist zwar die k-Alliteration weg, aber das "halben" im Sinn von unvollendeten eröffnet ebenfalls viele Deutungsmöglichkeiten.
Letztlich müssen wir uns alle dem Bild des wartenden Endes stelles, sei es eine Höhle oder ein Tunnel, mit Finsternis oder Licht.
Gern mitsinniniert und LG
Perry

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo Kirsten,


ich freue mich über deinen Besuch. :saint:
 

vor 4 Stunden schrieb Kirsten:

die "Kreise werden kleiner" und " ein Strudel zieht mich weiter"  hört sich an wie ein Vortex , an dessen Ende es "hell" wird und wo das LI auf "festem Grund und Boden" ist. Vorher hat das LI sein Leben in "krummen" Kreisen geschrieben, daher nicht immer harmonisch oder unvollständig gelebt. 

Ja, das Leben an sich, einzelne Entscheidungen in einem Menschenleben etc. sind der Beginn eines Prozesses oder stoßen einen Prozess an, der nur eine Richtung kennt. Vorwärts.
 

 

vor 4 Stunden schrieb Kirsten:

Damit könnten seine alten Ängste gemeint sein, die hinter ihm in der Höhle "mit ihrem Feuerschlund"

(= Hölle?) auf ihn lauern

Auch hier bin ich ganz deiner Meinung. In dieser Höhle, in diesem Innersten des Strudels, im Kern lauern gewiss mancherlei Ängste, vielleicht höllische Ängste. Ich persönlich glaube jedoch, diese Höhle könnte genauso gut ein Hort der Ruhe, des Friedens etc. sein: Geschützt von starken Wänden, gewärmt vom Feuer ... 

 

 

vor 4 Stunden schrieb Kirsten:

die er akzeptieren und überwinden muss, um sein Leben vollständig zu machen. Nur wenn das LI sich ihnen stellt, kann es endgültig seinen Frieden finden.

Ja. Bin mal wieder deiner Meinung. :wink:
Was auch immer sich in der Höhle befindet, das LI muss sich dem stellen. Dann kann es, so wie du schreibst, 'seinen Frieden finden'.
 

 

vor 4 Stunden schrieb Kirsten:

Ob ich mit meiner Interpretation richtig liege, weiß ich allerdings nicht. 

Kirsten, du schilderst mir deine spannende Sicht auf mein Gedicht. Du liegst also zwangsläufig richtig, ergänzt und erweiterst meine Sichtweise.
Dafür mein Dankeschön.

Danke für deinen freundlichen und konstruktiven Kommentar.

LG

Berthold 
 

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Geschrieben (bearbeitet)

Hallo Perry,

schön, dass du vorbeigeschaut hast.
 

Am 23.2.2020 um 14:26 schrieb Perry:

ein Text, der sich durch die Reimstruktur eigentlich beschwingt liest, aber durch Bildwahl und -Aussage eher bedrückend nachwirkt.

Stimmt. -- Ich könnte versuchen auf Trochäen umzuschreiben und die Reime ein Stück weit auflösen?

 

Am 23.2.2020 um 14:26 schrieb Perry:

Der Knackpunkt ist auch für mich das Bild der "krummen Kreise" die ja ein Widerspruch in sich selbst sind.

Die 'krummen Kreise' sind nun allen Kommentatoren/-innen ins Auge gesprungen; vielleicht sind sie ein bisschen zu provokant?
Widersprüchlich? Redundant? Zu salopp formuliert? Schlicht falsch? - Trotz alledem mag ich diese Formulierung. Sie spiegelt die
mangelnde Passgenauigkeit im Wirken des LI mE recht stimmig. 
Aber ich will jetzt nicht zu verbissen daran festhalten. Perry, ich werden unter meine aktuelle Version eine 'Version Textarbeit' 
stellen, um herauszufinden, wie sich das Gedicht verändert, wenn ich deine Vorschläge umsetze. Dort probiere ich auch deinen 
Vorschlag "ich schreibe in halben Kreisen" aus. Bin neugierig, was dabei herauskommt ...

Fürs Erste, Dankeschön für deinen Kommentar und

LG

Berthold 

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