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Ihr Kopf lag seitlich auf ihrer Brust und ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, während sie ganz ruhig in ihrem Rollstuhl schlief. Im Wartesaal saßen nur vereinzelt Patienten oder Angehörige, die sich leise unterhielten oder lesend die Wartezeit überbrückten, bis man sie endlich aufrief.
Der Fahrer vom Johanniter Fahrdienst, der kurz zuvor den Wartesaal betrat, näherte sich möglichst geräuschlos der schlafenden Dame. Er schien Erfahrung mit dieser Situation zu haben und wirkte tiefenentspannt. Ein kurzer Blick auf die Akte, die auf dem Schoß der Dame lag, versicherte ihm, seine Kundin endlich gefunden zu haben.

Er schaute sich noch einmal im Saal um, bevor er dann ganz behutsam versuchte, die alte Dame zu wecken. Nach einem ersten vorsichtigen Rütteln ohne Wirkung verstärkte er seine Bemühungen und sprach die Dame zusätzlich leise an. „Frau Müller, ich bin Frank, vom Johanniter Fahrdienst, bitte aufwachen.“ Er musste die Prozedur mehrfach wiederholen, bevor Frau Müller endlich die Augen öffnete und sich sichtlich verstört umblickte.

Es dauerte nicht lange und aus den Gesichtszügen von Frau Müller sprach pures entsetzen, als wenn der Teufel persönlich vor ihr stünde. Panisch blickte sie sich hilfesuchend um. Wer ist der fremde Mann? Warum fasst er mich an? Wo bin ich?
Ihre Blicke sprachen Bände, während ihre Lippen nur tonlos bebten. Verzweifelt versuchte sie, sich zu befreien. Frank ließ sie gewähren und trat vorsichtig einen Schritt zurück, um dann beruhigend auf sie einzuwirken, doch seine ursprünglich entspannte Haltung hatte er verloren und Überforderung spiegelt sich auf seinem Gesicht. Jetzt blickte auch er sich hilfesuchend um, doch niemand im Raum fühlte sich für die beiden zuständig.

Er ließ Frau Müller kurz allein, um am Wasserspender einen Becher Wasser zu zapfen, den er Frau Müller höfflich anbot. „Möchten sie vielleicht einen Schluck Wasser, Frau Müller?“ Es wirkte wie ein Friedensangebot, das Frau Müller auch gewillt war anzunehmen und gleichzeitig entspannten sich beide Gesichtszüge etwas. Er wiederholte „Ich bin der Frank, vom Johanniter Fahrdienst“ und fügte noch hinzu „ Benno ist heute krank und ich vertrete ihn, bis er wieder fit ist und sie fahren kann.“
Er glaubte, ein Verstehen in Frau Müllers Augen zu erkennen, aber sicher war er sich nicht.

Als er Frau Müller den Becher aus der Hand nahm, meldet sich eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken „Entschuldigen Sie, ich musste kurz für kleine Mädchen. Sie hätten meine Mutter lieber schlafen lassen sollen. Sind sie Frank?“
Sichtlich erleichtert, drehte er sich der Frauenstimme zu, um dann kurz darauf zu versteinern! „Ich bin Katrin, sie vertreten Benno, oder?“ Lächelte sie ihn an. Nach einer halben Ewigkeit stotterte er unsicher los “Ja, Frank, vertrete Benno.“ Seine blasse Gesichtsfarbe verfärbte sich zusehends ins rötliche und wirkte ziemlich eingeschüchtert. Nach einem kurzen Händeschütteln drehten sie sich beide Frau Müller zu, die auf einmal wie verändert wirkte. Ihre Augen strahlten voller Wärme und Liebe. Sie streckte ihre Hand voller Zuneigung und hilfesuchend ihrer Tochter entgegen. Wo sie war, wusste sie aber immer noch nicht. Aber das spielte in dem Augenblick auch keine Rolle mehr.

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