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Die Entscheidung


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Ich könnte Bände füllen mit dem, was ich nie gesagt habe, doch mir fehlen dazu die Worte. Alles, was ich habe sind fünf Minuten, ein paar Augenblicke, die darüber entscheiden, ob die Entbehrungen der letzten Wochen, die Schmerzen, die Grenzüberschreitungen, die Kämpfe, der ständige Versuch, über sich selbst hinauszuwachsen, vergebens waren oder ob ich etwas darstellen kann, von dem ich hoffe, dass ich mich darin wiederfinde. Vor sechs Wochen begann meine Vorbereitung auf die deutsche Meisterschaft und nach der Enttäuschung, die ich ein Jahr lang in mir tragen musste, quälte ich mich mehr als jemals zuvor, sechs mal die Woche. Ich wollte mich so hart bestrafen, dass ich nie wieder das Bedürfnis habe, mich für eine Niederlage zu bestrafen, dass ich wieder auf die Matte gehen und mich zuhause fühlen kann.

Das rechte Sprunggelenk machte in dieser Zeit zwei Zerreißproben durch, aber es hielt bis heute. Meinen Schulterwurf habe ich in der Vorbereitung 15.000 mal geübt und dabei jeden noch so kleinen Mangel in der Bewegung aufgespürt und korrigiert, bis die Technik ganz mit mir verschmolzen war. Um nicht so berechenbar zu sein, habe ich außerdem eine Beintechnik gelernt, die eine Möglichkeit darstellen sollte, wenn der Gegner sich nicht in meine Richtung führen ließe. In 200 Randoris versuchte ich, eine Ahnung zu bekommen, wie der heutige Tag aussehen wird - ich kämpfte gegen kleine, wendige und große, starke Athleten, mit jungen Heißspornen und abgeklärten, erfahrenen Technikern durchlebte ich jede relevante Kampfsituation, die man sich als Judoka vorstellen kann. Ich hasste mich, immer wenn ich einen Fehler machte und liebte es, wenn mein Trainer mich daraufhin anschrie. Er trifft immer den richtigen Ton: wenn er merkt, dass ich an meine Grenzen komme, brüllt er etwas in der Art: "Wir können auch im Anschluss noch ein Zirkeltraining machen, wenn dir das lieber ist... Jetzt reiß dir den Arsch auf!" Wenn ich einfach unkonzentriert bin, meint er trocken: "Sag lieber gleich, wenn du keine Lust hast - wir können uns das Startgeld auch sparen und uns einen Kasten Bier kaufen." Immer wenn der Schmerz unerträglich wird, ruft er mir mit liebevoller Stimme einen Satz zu, der zu meinem Mantra geworden ist: "Trage den Schmerz mit Stolz!"

Aufgrund der vielen Verletzungspausen diese Saison, musste ich vor drei Wochen am entscheidenden Qualifikationsturnier teilnehmen. Ich kämpfte mich locker durch die Vorrunde durch und merkte, dass sich das Krafttraining gelohnt hat: mein Griff war stark und dominant, ohne dass ich die für meinen Stil so wichtige Beweglichkeit und Impulsivität verloren hätte. Ich schwebte über die Matte und konnte daher nicht von den Beinen geholt werden. Ich bin ganz im Rhythmus des Kampfes aufgegangen, so dass ich jede Bewegung meiner Gegner spürte, bevor ich sie sah. Ich gab nach, wenn ich nachgeben sollte und erzwang, was zu erzwingen war, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren. Doch vor dem Finale setze das Denken wieder ein: ich wusste, dass ich weit gekommen, aber noch nicht angekommen war; denn nur ein Sieg würde mich weiter bringen.

Ich kannte meinen Gegner; denn ich hatte bereits letztes Jahr in der Bundesliga gegen ihn gewonnen und wusste also, dass ich mich auf seinen aus der Kreisbewegung eingedrehten Uchi-Mata einzustellen hatte und dass er dazu neigte, das Bein dabei unvorsichtig weit in die Höhe zu reißen. Aber ich erinnerte mich daran, dass er zu dieser Zeit noch bei den Junioren gekämpft hatte und dass ich geahnt hatte, dass er einmal zu einem Kämpfer herangereift, der seine Angst vor Namen abgestriffen und aus seinen jugendlichen Fehlern gelernt hat, mir eines Tages zu schaffen machen würde. Und ich hoffte, dass dieser Tag noch nicht gekommen sein würde. Als ich aufgerufen wurde, wusste ich aber, dass diese Gedanken keine Rolle spielen dürfen und mit klatschenden Schlägen in mein Gesicht schüttelte ich sie ab. Ich dachte nur noch daran, dass ich auf keinen Fall zulassen darf, dass er an meinen Nacken greift. "Dann packt er mich ein, ohne dass ich mich dagegen wehren könnte und ich kann nur hoffen, dass sein Bein dann an meinem vorbei schnellt. Ich muss also aufrecht bleiben, darf keine Angst zeigen, seinen Arm zuerst abfangen. Er muss spüren, dass ich weiß, was er vorhat und dass er mir damit nichts anhaben kann. Aber er weiß sicher auch, was ich vorhabe; mein linker Schulterwurf aus dem rechten Reversgriff ist doch recht bekannt geworden. Was ist, wenn er sich besser auf mich vorbereitet hat, als ich mich auf ihn?" Gerade als ich mich am wenigsten dazu bereit fühlte, gab der Kampfrichter den Kampf frei: "Hajime!"

Nach kurzem Abtasten spürte ich seine linke Hand in meinem Nacken wie eine Last, die mich nach unten drückte. Ich wollte aufrecht kämpfen, aber ich wurde klein, als wollte ich ihn darum bitten, abzulassen. Ich wusste, er würde mich in die Kreisbewegung zwingen und ich wusste, dass dies unweigerlich zu seinem ersten Angriff führen würde, doch ich konnte nichts dagegen tun. Ich dachte: "Das ist schon eine Ironie, dass ich mich auf nichts anderes eingestellt habe, als auf diese Aktion, gegen die ich mich nun nicht zur Wehr setzen kann. Was kann ich tun? Ich kann davon laufen in der Hoffnung, seinem Bein auszuweichen und mit meiner Beintechnik zu kontern. Aber er führt mich zu eng und wird mich geworfen haben, ehe ich merke, dass er das Bein hebt. Ich kann dagegen halten. Aber dann würde er meinen Impuls nutzen und mich mit einem Beinstopper in meine Bewegungsrichtung werfen. Hoffentlich geht es schnell! Wenn es schnell geht, kann ich darauf reagieren, bevor ich es überdenken kann. Habe ich nicht jetzt schon verloren? Hat nicht derjenige verloren, der sich eingestehen muss, dass er nichts dagegen zu setzen hat?" Plötzlich schießt sein Bein zwischen meinen Beinen nach oben, doch ich habe in der Luft noch Zeit, mich abzudrehen und lande auf der Seite - "Yuko!"

Dass der Kampf noch nicht verloren war, wusste ich in diesem Augenblick ebenso klar, wie ich wusste, dass ich ihn verlieren würde, wenn es mir nicht gelänge, seinen linken Arm abzuwehren. Er klemmte meinen Körper zwischen seinen Beinen fest, während er versuchte, sich einen Weg zu meinem Hals frei zu wühlen, um mich zu würgen. Meine Hände hielten sich aber längst am eigenen Revers fest, um meinen Hals zu schützen und so unterbrach der Kampfrichter den Kampf. Während ich aufstand, blickte ich zu meinem Trainer, der wild gestikulierte. Im allgemeinen Geschreih der Menge konnte ich seine Stimme nicht hören, war sie auch so entschlossen und kräftig, wie ich sie bei kaum einem anderen Menschen kennengelernt hatte. Aber ich wusste, was er mir zu sagen hatte: "Halt seine Hand fern!" Das war alles, was ich im Sinn hatte und doch blitzte sie wieder kurz vor mir auf, um an meinem Hals vorbei zu gelangen und in meinem Nacken zu landen. Und wieder warf er mich mit seinem Uchi-Mata auf die Seite und wieder bekam er eine kleine Wertung - "Yuko!"

Nun stand ich auf, ohne meinen Trainer anzuschauen, denn ich musste erst einmal auf der Matte ankommen. Ich war wütend auf mich und enttäuscht und fühlte, dass ich es verdient hätte, gedemütigt zu werden, doch ich durfte es nicht zulassen. Da kam mein Mut zurück: ich hatte nur diese Chance und wenn ich es wirklich wollte, konnte er mir meinen Sieg nicht wegnehmen - ich musste einfach gewinnen; denn es gab keine andere Möglichkeit. Dann aber dachte ich an meinen Gegner: "Ist er nicht genau in derselben Lage? Ist er nicht gerade der Einzige, der mich verstehen kann, mein einziger Freund? Würde er nicht auch gewinnen müssen? Wenn zwei Männer aufeinander treffen und beide müssen gewinnen, was mag dann wohl passieren? Letztendlich geht es nur darum, es zu wollen, es wirklich in seinem allerinnersten zu wollen, es mehr zu wollen, als der Andere und das ist wohl das Einzige, was uns beide voneinander scheidet. Aber wie kann man etwas noch mehr wollen?" Dann schüttelte ich wild den Kopf: "Hör auf zu denken und fang endlich an zu kämpfen!", dachte ich, während ich seinen Arm unter Kontrolle brachte, um sofort meine rechte Hand an sein Revers zu bringen. Mit einem kurzen, kräftigen Zug zwang ich ihn zum Schritt auf mich zu und fasste nun mit meiner linken Hand seinen Ärmel. Da ich mit kleinen Ellbogenbewegungen in der Lage war, immer wieder seinen Griff zu meinem Nacken abzuwehren, wussten wir beide bald, dass ich ihn nun beherrschte und dass ich sein Gleichgewicht würde brechen können, wenn ich es richtig anstellte. In seiner Verzweiflung trat er mit voller Wucht gegen mein Standbein. In seinen Augen konnte ich sehen, dass es ihm leid tat und dass er sich gerade dafür entschuldigen wollte; doch mein Fuß war schon auf dem Weg und traf sein Bein mindestens ebenso heftig. Also standen wir eine Weile da und traten einander nach, bis uns die Beine blau wurden - zumindest kann ich das über mein Bein sagen. Folgerichtig bestrafte der Kampfrichter uns beide: "Schido!"

Nachdem der Kampf wieder frei gegeben war, zerrte er heftig an mir und verpasste mir schließlich, halb im Eifer des Gefechts, halb in böser Absicht, einen Haken am Kinn, dass ich zu bluten anfing und der Kampf zum Stillen der Blutung unterbrochen werden musste. Während mich die Sanitäter behandelten, blickte ich ihm zuversichtlich in seine hasserfüllten Augen. Für einen Moment wollte er mich töten und ich sah es ihm nach, da ich es mir nicht erlauben konnte, in Raserei zu verfallen. Ich musste bei wachem Verstand bleiben, um diesen Kampf zu bestimmen. Als nach einer Weile die Mordlust aus seinen Augen schwand, bekam ich Angst; denn ich hatte gehofft, ihn in einem Moment zu erwischen, da er blind gegen mich anrennen würde. Doch sein Trainer brüllte ihn zur Vernunft. Danach war er deutlich aufmerksamer und unser Griffkampf glich einem ergebnislosen Bärengerangel. Keiner war nun in der Lage, die Führung zu übernehmen. Da erinnerte ich mich, dass ich solche Situationen schon desöfteren erlebt hatte, gegen weitaus bessere Kämpfer. Einmal bezwang ich in einem sehr offenen Schlagabtausch einen (zugegeben etwas in die Jahre gekommenen) Georgier, der ein paar Jahre zuvor Dritter bei der WM wurde. Warum sollte ich diesen Kampf nicht auch für mich entscheiden können? "Ruhig Blut! Du bist erfahren. Du kannst warten.", dachte ich und bot ihm also im leichten Rückwärtsgang mein rechtes Revers an in der frechen Hoffnung, er würde der Versuchung nicht widerstehen können. Tatsächlich lief er mir nach, fasste nach dem freien Kimono-Fetzen und eher er sich versah, war ich in meinem Schulterwurf links eingedreht. Jedoch hatte ich zu wenig Kontrolle und er rutschte mir etwas auf die Seite, so dass es nicht ganz zu einem vollen Punkt reichen sollte: "Waza-Ari!"

Damit ging ich also in Führung, aber mir kam es so vor, als hätte ich gerade die Führung abgegeben: "Hätte ich eine hundertstel Sekunde länger gewartet, hätte ich ihn perfekt mittig getroffen und der Kampf wäre jetzt vorbei." Ich schaute auf die Uhr: "Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, die Führung drei Minuten zu halten. Ich weiß nicht, was er jetzt vorhat. Ich weiß nicht, ob ich einem Ansturm gewachsen bin. Der Tag war lang und ich möchte nur noch, dass diese drei Minuten vorüber sind. Alles andere als warten, wäre unklug. Aber ich möchte alles andere als warten." Ich bemerkte den nach oben gerichteten Daumen meines Trainers und erkannte, dass er mich anwies, meinen Gegner in Bewegung zu halten. Die ersten eineinhalb Minuten gelang mir dies auch, doch dann wurde ich müde. Wieso wurde ich müde? Wieso konnte mein Körper nicht einsehen, dass es keinen Zweck hatte, müde zu werden? Er hingegen schien unbeeindruckt von den Strapazen des Tages und setzte nun eine Hand nach der anderen an, als hätte er deren hundert, während ich nur noch versuchte, alles abzuwehren, ohne es nach Griffvereitelung aussehen zu lassen. Zwischendurch nahm ich immer mal wieder beide seiner Ärmel in die Hände und ließ sie schließlich los, da ich nichts damit anzufangen wusste und ich sonst eine Strafe wegen Sperrens bekommen hätte. Schließlich konnte ich mich einmal dazu durchringen, aus der Fassart einen von außen eingedrehten Schulterwurf zu versuchen. Diese ungewöhnliche Technik hat ihn sichtlich überrascht und auch ein wenig beeindruckt, aber letztlich brachte sie mir nichts ein und kostete viel Kraft. Auf dem Bauch liegend konnte ich es schon fast genießen, dass er sich an mir abarbeitete, da ich die Pause brauchte. Ich wusste, dass dies ein schlechtes Zeichen war, aber das schien mir immer gleichgültiger zu werden. Heimlich öffnete ich den Gürtelknoten unter meinem Bauch, damit der Kampfrichter zur nächsten Unterbrechung eine Kleiderordnung anweisen musste. Auf diese Tricks kann kein Sportler stolz sein, aber sie sind unumgänglich, um erfolgreich zu sein und ich bin schon lange über den Punkt hinaus, da Stolz und Ehre der einzige Antrieb für mich waren - ich bin Profi-Sportler.

Vielleicht hat er mein Eingeständnis in meine Unzulänglichkeit bemerkt, selbst noch den Kampf gestalten zu können; jedenfalls erhöhte er das Tempo noch einmal, fasste nun wild nach jedem Fetzen meines Kimonos, der im Gerangel vor mir her flatterte, störte unaufhörlich mit kleinen Fußfegern meinen Stand. Nie wusste ich, auf welchen Teil meines Körpers ich mich konzentrieren sollte - dabei erschien mir sein Körper in unerreichbarer Ferne. Wenn ich mich bemühte, seinen linken Griff abzuwehren, zog er rechts an und wenn ich gerade meinen Stand wieder gefunden habe, brachte sein Feger mich ins Wanken, bis ich mich schließlich erneut im Boden wiederfand. Dort setzte er nun schon gar nicht mehr nach. Offensichtlich wollte er keine Zeit mehr verlieren; er wollte den Kampf im Stand entscheiden. "Noch 43 Sekunden durchhalten? Warum? Um wieder zu hungern, damit ich auf dem nächsten Turnier wieder mehrere Kämpfe durchhalten muss? Wenn ich mich jetzt einfach werfen ließe, hätten alle eine respektable Leistung von mir gesehen und ich hätte für den Rest des Jahres freie Wochenenden. Erster oder zweiter - für wen ist das wichtig, wenn es mir schon nicht klar ist, wie wichtig es ist?" Doch ich wusste, dass diese Gedanken nicht meine Gedanken waren, sondern die Gedanken meiner Panik, meines Fluchtinstinktes. Ich wusste, dass es normal ist, dass dieser Instinkt aufkommt, wenn das Herz aus der Brust zu brechen versucht und die Luft in mir brennt. Mein Körper wollte nicht mehr und ich sah es ihm nach, wie man es einem Kind nachsieht, dass es die letzten Meter bis zur Haustür nicht mehr gehen will und ihm doch diese wenigen Meter noch abverlangt. Die Arme wollten jetzt nicht mehr in Schulterhöhe bleiben. "Nimm die Hände hoch! Nimm endlich die Hände hoch!" Mit aller Gewalt konnte ich sie noch rechtzeitig nach oben reißen, um seinen Griff abzufangen, klammerte mich krampfhaft an seinen Ärmeln fest, doch nur noch mit gestreckten Armen gelang es mir soeben, Druck aufzubauen, was mir eine Strafe wegen Sperrens einbrachte.

Damit hatte er drei Yukos auf seiner Seite. "Wenn ich nur noch eine Strafe kassiere", dachte ich "oder ihm ein Waza-Ari gelingt, dann ist der Rückstand für mich uneinholbar. Das muss ich auf jeden Fall vermeiden; ich muss den Kampf beruhigen, das Tempo gering halten. Aber wie? Ich habe keine Kraft mehr zu greifen, geschweige denn ihn zu führen. Werde ich diese entscheidende Strafe daher nicht ohnehin bekommen? Vielleicht sollte ich also alles auf eine Karte setzen und alle Kraft in einen allerletzten Wurf legen. Ich brauche ein Ippon! Aber habe ich denn noch die Kraft dafür?" Verzweifelt blickte ich meinen Trainer an, der mich anwies, selbst unten zu stören, um den Kampf ausgeglichen zu halten. So tat ich es und schöpfte Mut, weil ich merkte, dass ihm endlich auch die Kraft schwand. Den Rest des Kampfes nahm ich nur verschwommen wahr und ich hatte kein Gefühl mehr für die Zeit. Alle paar Minuten schaute ich zur Uhr, um festzstellen, dass nur wenige Sekunden vergangen sind. Die letzten 20 Sekunden hingegen schienen entfallen zu sein. Mit dem Ende des Kampfes sank ich müde, aber dankbar auf die Knie. Noch vor ein paar Jahren wäre ich nach einem solchen Kampf enttäuscht gewesen, nicht vorzeitig gewonnen zu haben, aber inzwischen konnte ich den Stolz auf einen erkämpften Sieg annehmen. Ich verbeugte mich so tief wie noch nie und nahm meinen Gegner herzlich in die Arme; denn ich wusste, ich konnte nur gewinnen, weil er verlor und er musste verlieren, weil ich gewann. Ich wusste, dass es vergebens sein würde, ihn zu trösten zu versuchen, doch ich wollte es mir nicht nehmen lassen, ihm meinen Respekt für dieses fordernde Finale auszudrücken. Mein Trainer hob mich an seine Brust, die sich in Höhe meiner Augen befand. Ich rang um Luft, als er mich fest drückte, mir die Haare verwuschelte und mich lobte: "Klasse, mein Großer!" Eine Spitze konnte er sich jedoch nicht verkneifen: "Ich hoffe, dir tun die Beine weh, du Idiot."

Meine Freude über den Sieg währte allerdings nicht lange. Am Tag darauf wurde mir klar, dass ich noch nichts erreicht hatte. Ich habe mir lediglich eine Chance erkämpft - weiter nichts. Und ich bin fest gewillt, sie zu nutzen. Die vergangene Woche war noch einmal hart. Fünf kilogramm war ich über meinem Kampfgewicht und die Jogging-Einheiten vor dem Training zehrten an meinen Kräften. Mit heißen Bädern habe ich mich dehydriert, seit fünf Tagen habe ich nichts mehr gegessen und in den letzten zwei Tagen kaum mehr einen Schluck getrunken. Aber wenn man weiß, wozu man diese Qual über sich ergehen lässt, verlangt man nichts mehr, als dass man sein Gewicht erreicht. Und jetzt stehe ich am Mattenrand, warte darauf, aufgerufen zu werden. Alles was ich wollte, alles was ich in diesem Augenblick brauche, alles was ich habe, sind fünf Minuten. Ich bin einsam, sehe niemanden mehr und ich möchte nichts anderes sehen, als die ersten Sekunden auf der Matte. Die Matte liegt direkt vor meinen Füßen, doch ich kann sie noch nicht betreten: "Bitte, ruft mich auf! Lasst mich auf diese Matte!" Ich hüpfe auf und ab, um in Bewegung zu bleiben. Plötzlich kann ich nicht mehr aufstehen. Die Waden sind verkrampft, möchten sich nicht mehr öffnen, scheinen nicht zu verstehen, wie viel auf dem Spiel steht. Erst jetzt, da der stechende Schmerz sich in meinen Beinen einnistet, beginne ich zu begreifen, wie sehr ich von meiner Wade abhängig bin, wie sehr alles, was mich ausmacht, alles, worauf ich seit Jahren hingearbeitet habe, von jeder einzelnen Faser meines Körpers abhängt. Während sich mein Trainer mit aller Kraft gegen den Krampf stemmt, rufe ich meinen Beinen zu: "Geht auf! Verdammt noch mal, macht auf!" Er schüttelt den Kopf und mir steigen Tränen in die Augen. Gerade noch kann ich meine Trinkflasche greifen, um sie gegen die mit hellblauem Fils überzogene Hallenwand zu donnern, bevor mein Trainer mich in Richtung Umkleidekabine trägt. Der Gang verengt sich und die Lautsprecher-Ansagen wabern dumpf hinter meinem Rücken aus.

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Hallo,moin Schmuddelkind

Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem gewonnenen Kampf den du gleich am Anfang erwähnst. Ich habe deine spannende Geschichte sehr gerne gelesen. Da ich einige Jahre Karate ausgeübt habe. Du hast sehr viel Ehrgeiz, hast alles gegeben,warst vielleicht auch etwas zu verbissen, hast dich sehr unter Druck gesetzt. Vielleicht hätte dir etwas Lockerheit mehr geholfen. Doch ich kann das gut verstehen, wenn man jung ist, denkt man noch. Der Körper muss auf den Kopf hören. Wenn man etwas unbedingt will, dann kann man es auch schaffen (wird oft gesagt) doch dabei überschreitet man auch sehr schnell seine Grenzen. Dann meldet sich irgendwann der Körper und das bedeutet, dass der Kopf von nun an auf die Signale des Körpers hören muss, ob er will oder nicht. Kampfgeist, Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit in alle Ehren. Doch der Spaß an den Sport und die Gesundheit sollte an erster Stelle stehen. Ich wünsche Dir noch sehr viel Spaß beim Judosport!

Beste Grüsse  Josina

Zitat

 

 

 

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Hallo Schmuddelkind,

 

wahrlich eine packende Geschichte!

Die mir einmal mehr klar gemacht hat, warum ich nicht mehr zu Wettkämpfen wollte.

Dein LI verliert sich in dem Ehrgeiz, geht zu sehr über die eigenen Grenzen und zerstört sich dabei selbst. Immer angeheizt im unbedingten Willen zu siegen, koste es was es wolle. Es ist erstaunlich, denn in den Worten liegen eine Menge Wahrheiten.

Egal wie sehr man sich auf eine Situation vorbereitet, ob man genau weiß, was kommt, man alle Gegenmaßnahmen usw studiert und trainiert hat - sie zerplatzen wie Seifenblasen als ließe die Realität diese in sich zusammen fallen. Im Angesicht des Gegners scheint plötzlich wirkungslos, was zuvor die Lösung war.

 

Dein LI kämpft verbissen und mir erscheint der Kampf doch sehr brutal, ungewöhnlich.. allerdings habe ich wie Josina Karate gemacht, Kumite und später Aikido, Zweikämpfe der Art wie du sie beschreibst, gibt es da nicht - und hätte ich auch nie mitgemacht. Anderen wirkliche Verletzungen zuzufügen hat für mich nichts mehr mit Sport zu tun, das ist mE abgesehen vom Ernstfall zu vermeiden!!!

Aber ich weiß auch wie ernst viele diesen Sport nehmen.. was ich sehr nachvollziehen kann.

Das Gefühl auf der Matte zu stehen, gleich aufgerufen zu werden, den Schiedsrichter zu hören... allein das Trainieren, es hat etwas Berauschendes, in dem man sich gerne verliert. Auch das Gefühl, über sich selbst hinaus zu wachsen.

Dein LI scheint keine Grenzen zu kennen, und da wird es gefährlich. Wie viel kann / sollte einem ein Sieg wert sein? Überhaupt - warum geht es im Kampfsport letztlich so häufig um Meisterschaften, Wettkämpfe, gewinnen oder verlieren? Ich sehe einen ganz anderen Wert darin, aber das liegt wohl bei jedem selbst.

 

Am 8.4.2020 um 20:56 schrieb Schmuddelkind:

Während sich mein Trainer mit aller Kraft gegen den Krampf stemmt, rufe ich meinen Beinen zu: "Geht auf! Verdammt noch mal, macht auf!"

Hier bin ich bisschen irritiert - der Trainer stemmt sich gegen den Krampf? Wie das?

Oder sollte es heißen - "Während sich mein Körper mit aller Kraft..."?

Und noch etwas ist mir unklar - wie oder was oder warum sollen die Beine aufmachen? "Geht auf"" Wohin denn?

Hier blicke ich ehrlich gesagt nicht ganz durch und hoffe auf Aufklärung :grin:

 

Am 8.4.2020 um 20:56 schrieb Schmuddelkind:

Meinen Schulterwurf habe ich in der Vorbereitung 15.000 mal geworfen und dabei jeden noch so kleinen Mangel in der Bewegung aufgespürt und korrigiert, bis die Technik ganz mit mir verschmolzen ist.

Hier ein kleiner Vorschlag - "Schulterwurf"---"geworfen" vielleicht ändern zu "geübt" o.ä.. und da du von der Vergangenheit sprichst am Ende des Satzes - "mit mir verschmolzen war" Also:

Meinen Schulterwurf habe ich in der Vorbereitung 15.000 mal geübt und dabei jeden noch so kleinen Mangel in der Bewegung aufgespürt und korrigiert, bis die Technik ganz mit mir verschmolzen war.

Am 8.4.2020 um 20:56 schrieb Schmuddelkind:

Ich hasste mich, immer wenn ich einen Fehler machte und liebte es, wenn mein Trainer mich daraufhin anschrieh.

Ich meine - "anschrie" schreibt sich doch ohne "h"! (Das kommt später noch mal, hab's aber gerade nicht mehr gefunden..)

 

Ansonsten, kann jedenfalls nicht nur dein LI die Judo Meisterschaft gewinnen, sondern du auch die Schreib-Meisterschaft, oder "Bundesliga" wie Freiform sagt!

Allein dafür, dass ich vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt war..

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

 

 

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vor 5 Minuten schrieb Lichtsammlerin:

Hier bin ich bisschen irritiert - der Trainer stemmt sich gegen den Krampf? Wie das?

Oder sollte es heißen - "Während sich mein Körper mit aller Kraft..."?

Und noch etwas ist mir unklar - wie oder was oder warum sollen die Beine aufmachen? "Geht auf"" Wohin denn?

Hier blicke ich ehrlich gesagt nicht ganz durch und hoffe auf Aufklärung

Damit sich der Krampf lösen kann, stemmt sich der Trainer wahrscheinlich gegen den Fuß. Der Kämpfer streckt das Bein aus und nach oben und der Trainer wirkt von oben auf den Fuß ein, dann löst sie der Krampf schneller.  Der Muskel soll wahrscheinlich aufmachen, nicht die Beine, das könnte man klarer formulieren. 

Ohne die Kleinigkeiten hätte ich ja auch Champions-League geschrieben... :whistling:

 

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Danke dir, Freiform.

Gut das erklärt dieses Rätsel! Ich hatte noch nie einen Krampf und hab keine Ahnung, was man da macht.. Dass sich tatsächlich der Trainer gegen den Fuß stemmt damit der Krampf sich schneller löst, hätte ich nicht gedacht.

Und dass die Muskeln aufmachen sollen, scheint mir auch einleuchtend. Danke!

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liebes schmuddelkind,

 

wow, was für eine geschichte! sehr fesselnd und detailverliebt, aber nicht nur auf die kampftechnik bezogen, sondern besonders im hinblick auf die gedanken und gefühle des judoka vor, während und nach dem kampf. 

vor 21 Stunden schrieb Schmuddelkind:

Ich könnte Bände füllen mit dem, was ich nie gesagt habe, doch mir fehlen dazu die Worte.

der erste satz scheint mir die kernaussage des gesamten textes zu sein. nicht umsonst ist er der einleitende satz zu einer geschichte, in der kaum ein wort tatsächlich gesprochen wird. stattdessen liegt das hauptaugenmerk auf dem inneren monolog des kämpfers. auf seinen vorstellungen und wünschen, seinen zweifeln und vermutungen. im kampfsport geht es ja tatsächlich nicht nur um technik und ausführung, sondern auch um die mentale stärke des kämpfers. die psychologie spielt eine große rolle, der kampf wird quasi im kopf gewonnen oder verloren. das macht dein text sehr deutlich. um seine zweifel und ängste zu besiegen, möchte sich das LI das denken am liebsten verbieten, da es ohne mentalen sieg den kampfsieg in gefahr sieht:

vor 21 Stunden schrieb Schmuddelkind:

"Hör auf zu denken und fang endlich an zu kämpfen!",

wie oft das LI im verlaufe des kampfes an sich zweifelt, den mut verliert, kraftlos wird, ich-weiß-nicht sagt, macht deutlich, dass die mentale stärke nur bedingt da ist. siegeswillen allein schien nicht zu reichen, um den körper vollständig beherrschen zu können. ob der körper sich am ende *gerächt* hat für die strapazen, die ihm vorher zugemutet wurden oder ob es die psyche des judoka war, auf die sein körper reagierte und *dichtmachte* und ihn dadurch schützte, weil der kämpfer mit sich selbst nicht im reinen war, bleibt offen. aber in bezug auf den titel scheint die entscheidung, nicht zu kämpfen (bzw. nicht kämpfen zu können), eine ganzheitliche entscheidung von körper und geist des judoka gewesen zu sein, auch wenn das dem kämpfer selbst zu diesem zeitpunkt noch nicht klar war.

 

spannende geschichte mit interessanten und mir zu herzen gehenden einblicken in die welt des judosportes, die ich sehr gern gelesen habe!

 

lg

sofakatze

   

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Hui, da gab es ja wirklich ganz schön viele Reaktionen! Wie soll ich denn auf alles adäquat eingehen. Naja, ich fange mal an und hoffe, dass nichts zu kurz gerät. Jedenfalls vielen lieben Dank an all die fleißigen Kommentatoren fürs Lesen, Rezensieren und Korrigieren!:classic_smile:

 

Am 9.4.2020 um 02:54 schrieb Josina:

Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem gewonnenen Kampf den du gleich am Anfang erwähnst.

Also, ich habe zwar früher tatsächlich Judo gemacht und dabei sogar auch Kämpfe gewonnen (insofern danke für die Glückwünsche), aber das ist Jahre her und meine Texte sind immer als literarische und damit fiktive Texte zu lesen.

 

Am 9.4.2020 um 02:54 schrieb Josina:

Ich habe deine spannende Geschichte sehr gerne gelesen.

Es freut mich sehr, dass diese Geschichte offenbar gemeinhin als spannend erlebt wird, zumal ich sie eher als eine Art Fingerübung geschrieben habe, um mich im Stil Hemmingways zu probieren. Bei "Der alte Mann und das Meer" mochte ich sehr diese langen inneren Monologe über scheinbar einfache Sachverhalte.

 

Am 9.4.2020 um 02:54 schrieb Josina:

Doch ich kann das gut verstehen, wenn man jung ist, denkt man noch. Der Körper muss auf den Kopf hören. Wenn man etwas unbedingt will, dann kann man es auch schaffen (wird oft gesagt) doch dabei überschreitet man auch sehr schnell seine Grenzen. Dann meldet sich irgendwann der Körper und das bedeutet, dass der Kopf von nun an auf die Signale des Körpers hören muss, ob er will oder nicht. Kampfgeist, Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit in alle Ehren.

Ja, das ist die Gefahr, wenn man alles dem Willen unterordnet. Viele Menschen bedenken nicht, dass verschiedene Aspekte des Menschseins ihre eigenen Gründe und ihre eigenen Bedürfnisse haben, die der Kopf vielleicht gar nicht versteht. Schön, dass dir dieser Aspekt an der Geschichte ins Auge gefallen ist.:classic_smile:

 

Am 9.4.2020 um 14:09 schrieb Freiform:

das du Bundesliga schreibst, ist mir ja schon bekannt, aber hier stellst du das wieder eindrücklich unter Beweis

 

Am 9.4.2020 um 15:06 schrieb Freiform:

Ohne die Kleinigkeiten hätte ich ja auch Champions-League geschrieben...

:rofl2:

Danke für das sympathische Lob. Eigentlich habe ich immer das Gefühl, was Prosa angeht, bin ich noch im Trainingslager. Aber das Wichtigste ist ja ohnehin der Spaß a Schreiben bzw. am Sport.:grin:

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

wahrlich eine packende Geschichte!

Die mir einmal mehr klar gemacht hat, warum ich nicht mehr zu Wettkämpfen wollte.

Dankeschön! Im Grunde genommen, ist es ja auch ein merkwürdiger Vorgang, dass man einen Sport betreibt, um sich mit anderen zu messen. Warum nicht den Sport der Bewegung wegen betreiben? So ähnlich hast du es ja sehr zu meiner Freude auch weiter unten anklingen lassen.

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Dein LI verliert sich in dem Ehrgeiz, geht zu sehr über die eigenen Grenzen und zerstört sich dabei selbst. Immer angeheizt im unbedingten Willen zu siegen, koste es was es wolle.

Ja, da hast du die Tragik wohl gut auf den Punkt gebracht. Insofern ist der Krampf wohl auch ein Sinnbild der mentalen Verkrampftheit, die sich durch diese Verbissenheit einstellt.

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Dein LI kämpft verbissen und mir erscheint der Kampf doch sehr brutal, ungewöhnlich.. allerdings habe ich wie Josina Karate gemacht, Kumite und später Aikido, Zweikämpfe der Art wie du sie beschreibst, gibt es da nicht - und hätte ich auch nie mitgemacht. Anderen wirkliche Verletzungen zuzufügen hat für mich nichts mehr mit Sport zu tun, das ist mE abgesehen vom Ernstfall zu vermeiden!!!

Besonders ungewöhnlich, da Judo ja eigentlich "sanfter Weg" bedeutet. Naja, den Gegner zu verletzen, ist natürlich beim Judo auch nicht das Ziel, aber so etwas passiert eben im Eifer des Gefechts. Aber das wird doch bei Karate, wo man ja im Gegensatz zum Judo schlagen und treten darf, doch auch nicht anders sein, oder?

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Das Gefühl auf der Matte zu stehen, gleich aufgerufen zu werden, den Schiedsrichter zu hören... allein das Trainieren, es hat etwas Berauschendes, in dem man sich gerne verliert. Auch das Gefühl, über sich selbst hinaus zu wachsen.

Ich glaube, das Gefühl, über sich hinauszuwachsen, ist auch tatsächlich meist die Triebfeder für Leistungssportler. Man nehme nur einen Gewichtheber, der am Anfang keine 70kg beim Reißen schafft. Es ist einfach etwas, das dem Menschen, so wie er ankommt, unmöglich ist. Dann arbeitet er jahrelang hart an sich und schafft am dann gar die 100kg. Und das, was vorher unmöglich war, ist auf einmal eine Aufwärmübung. Darin liegt ja auch ein unglaublich starkes Gefühl der Erhabenheit, das natürlich Suchtpotential hat.

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Hier bin ich bisschen irritiert - der Trainer stemmt sich gegen den Krampf? Wie das?

Das hat Freiform dann ganz in meinem Sinne aufgeklärt. Danke dafür!

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Meinen Schulterwurf habe ich in der Vorbereitung 15.000 mal geübt und dabei jeden noch so kleinen Mangel in der Bewegung aufgespürt und korrigiert, bis die Technik ganz mit mir verschmolzen war.

Ja, danke! Das ist viel besser. Die Vergangenheitsform ist hier natürlich zwingend und geübt klingt auch schon viel besser, um die Wiederholung zu vermeiden. Werde es gleich korrigieren...

 

Am 9.4.2020 um 14:54 schrieb Lichtsammlerin:

Ich meine - "anschrie" schreibt sich doch ohne "h"!

Ja, definitiv ohne "h"!:hammer:

Dafür würde mich mein Prosa-Trainer zurecht anschreihen.:wink:

Und dann müsste ich 50 Liegestütze schreiben.

Auch das werde ich gleich verbessern. Dankeschön!:classic_smile:

 

Am 9.4.2020 um 18:33 schrieb sofakatze:

wow, was für eine geschichte! sehr fesselnd und detailverliebt, aber nicht nur auf die kampftechnik bezogen, sondern besonders im hinblick auf die gedanken und gefühle des judoka vor, während und nach dem kampf. 

Vielen Dank! Ja, das war auch tatsächlich mein Fokus - die mentalen Vorgänge während eines Kampfes, von denen der Zuschauer letztendlich nur das "Ergebnis" sieht.

 

Am 9.4.2020 um 18:33 schrieb sofakatze:

der erste satz scheint mir die kernaussage des gesamten textes zu sein. nicht umsonst ist er der einleitende satz zu einer geschichte, in der kaum ein wort tatsächlich gesprochen wird. stattdessen liegt das hauptaugenmerk auf dem inneren monolog des kämpfers.

Danke, dass du meine Einleitung so toll in den Gesamttext einordnest. Das hätte ich besser nicht machen können, weil mir dazu die Worte fehlen.:wink:

 

Am 9.4.2020 um 18:33 schrieb sofakatze:

im kampfsport geht es ja tatsächlich nicht nur um technik und ausführung, sondern auch um die mentale stärke des kämpfers. die psychologie spielt eine große rolle, der kampf wird quasi im kopf gewonnen oder verloren. das macht dein text sehr deutlich.

Da bin ich beruhigt, dass dies dem Text gelingt, denn mir war der Aspekt des Leistungssportes sehr wichtig. Jede Bewegung setzt eine gewisse Entschlossenheit voraus, selbst wenn der Entschluss zu dieser Bewegung nicht notwendig ist. Körperliche Kraft beginnt mit mentaler Kraft. Beweglichkeit liegt zum großen Teil an Wachsamkeit und Konzentration. Insbesondere in einer Sportart, in der der Sieg des Einen die Niederlage des Anderen bedeutet, ist das, was sich im Kopf abspielt, von entscheidender Bedeutung.

 

Am 9.4.2020 um 18:33 schrieb sofakatze:

ob der körper sich am ende *gerächt* hat für die strapazen, die ihm vorher zugemutet wurden oder ob es die psyche des judoka war, auf die sein körper reagierte und *dichtmachte* und ihn dadurch schützte, weil der kämpfer mit sich selbst nicht im reinen war, bleibt offen.

Schön, dass du das herausstellst, denn ich denke, bei dem Schluss wirken zwei Aspekte zusammen: Zunächst ist so ein Krampf ganz lapidar eine körperliche Reaktion auf den Magnesiummangel, der mit der gezielten Dehydration zwecks Gewichtsabnahme einhergeht. Aber in der Geschichte dürfte natürlich auch eine Rolle spielen, dass der Körper dem Ich die Grenzen aufzeigt, die das Bewusstsein vom Körper zu überwinden verlangte. Es ist wohl so gesehen auch eine Allegorie auf den übertriebenen Ehrgeiz, der sich am Ende selbst im Weg steht.

 

Am 13.4.2020 um 18:53 schrieb Elmar:

vielen Dank für diese spannende und überaus packende Geschichte.

Es freut mich, dass auch du die Geschichte so spannend findest.:classic_smile:

 

Am 13.4.2020 um 18:53 schrieb Elmar:

Habe in meiner Kindheit und Jugend selbst aktiv Judosport betrieben und finde deine Ausführungen dazu fast noch spannender als einem Kampf selbst zuzusehen.

Oh, dann freut es mich umso mehr, dass die Geschichte dir gefallen hat, denn ich fragte mich schon, wie ein Judoka wohl auf den Text reagieren würde.

 

LG

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vor 23 Minuten schrieb Schmuddelkind:

Aber das wird doch bei Karate, wo man ja im Gegensatz zum Judo schlagen und treten darf, doch auch nicht anders sein, oder?

Hallo Schmuddelkind,

dazu nur eine Kleinigkeit - Nein. Das passiert bei Karate nicht, denn es finden keine wirklichen Zweikämpfe statt. Es geht mehr um die bloße Technik, Schläge und Tritte werden nur in die Luft gerichtet, bei Wettkämpfen werden "Katas" aufgeführt, also bestimmte Abfolgen von Techniken.

Beim Kumite hat man einen Partner gegenüber, beide haben Schutzbekleidung, aber es geht darum den Gegner an bestimmten Stellen zu "treffen", was der andere durch Abwehr und seinerseits durch Angriff zu verhindern sucht. Dabei wird aber nicht wirklich gekämpft und die "Treffer" sind mehr Berührungen, selten sind sie versehentlich mit der Kraft eines Schlages oder Trittes geführt. Man könnte auch sagen "Scheinangriffe". Es wird gezielt geübt, die eigenen Schläge so auszuführen, dass sie den Gegner berühren aber mehr nicht. Distanzgefühl..

Aber Karate allein kennt überhaupt keinen Zweikampf. Was noch ein Grund ist, warum ich zu Aikido gewechselt bin, es wurde mir zu theoretisch, es gab keine Gelegenheiten Techniken anzuwenden.

Aikido nutzt die Kraft des Gegner und da gibt es natürlich "Kämpfe".

Aber wie auch du schon zum Judo schreibst - es wird nach Möglichkeit ein sanfter Weg gesucht.

 

Und auf jeden Fall sollte Sport an erster Stelle der Freude an der Bewegung wegen gemacht werden :smile: Immer und unbedingt!!!!!

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

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Am 19.4.2020 um 20:32 schrieb Lichtsammlerin:

Das passiert bei Karate nicht, denn es finden keine wirklichen Zweikämpfe statt. Es geht mehr um die bloße Technik, Schläge und Tritte werden nur in die Luft gerichtet, bei Wettkämpfen werden "Katas" aufgeführt, also bestimmte Abfolgen von Techniken.

Ach so, ich dachte, es gäbe bei Karate beides - Kata und Kämpfe. Beim Judo gibt es auch Katas (auch wettbewerbsmäßig), aber diese spielen eher eine untergeordnete Rolle. Meine einzige Kata musste ich für die Schwarzgurtprüfung vorführen. Ansonsten habe ich immer nur auf der Matte gekämpft.

 

Am 19.4.2020 um 20:32 schrieb Lichtsammlerin:

Und auf jeden Fall sollte Sport an erster Stelle der Freude an der Bewegung wegen gemacht werden :smile: Immer und unbedingt!!!!!

Absolut! Sport ist eben eine gute Möglichkeit, Körper und Geist in Balance zu bringen.:classic_smile:

Leider erlauben meine Arbeitszeiten keine wirklich regelmäßige sportliche Tätigkeit, aber ich betätige mich, so oft ich kann, körperlich. Wir bestehen schließlich nicht nur aus Denken - eine gruselige Vorstellung!

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