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Ich hätte meine Freunde behalten. Jedenfalls ein paar Jahre.

Ich hätte gefeiert. Nicht immer mit Grund, doch einige Male.

 

Ich hätte Jungs getroffen. Ich hätte sie geküsst, jedes Wochenende einen anderen Kerl und es wäre nichts dabei gewesen.

Und sie hätten sich vielleicht in mich verliebt, haufenweise hätte ich Nachrichten von ihnen gelesen.

 

Ich hätte mein Abi locker mit 'ner 2 statt gerade so geschafft, danach hätte ich gefeiert, hätte mit Tränen in den Augen trotzdem zum Abschied gelacht.

 

Ich hätte mir einige Narben erspart und ich hätte keinen Schmerz erlebt, der Schmerz, den ich gehabt hätte, der hätte sich nach einer Woche wieder gelegt.

 

Ich hätte noch einen Moment Kind sein dürfen, noch einen Wimpernschlag, bevor die große Welt alles von mir nimmt. Ein Leben ohne Sorgen – das war wohl nicht für mich bestimmt.

 

Ich hätte nicht die ganze Zeit vergeudet. Nicht zwei Jahre in der Hölle, nicht den Weg daraus. Nicht die langsamen Schritte in Richtung zuhause.

 

Ich hätte nicht müssen die Zeit mit meinem Bruder verpassen. Meinem Ein und Alles, ich hätte ihn nie verlassen.

 

Und ich hätte anderen Menschen nicht weh getan. Nicht einen Moment daran gedacht, nicht einen Moment mit Wut und mit Rache verbracht.

 

Und ich stehe nun hier, bin ein gebrochener Mensch.

Mein Herz ist erfroren, für andere und für mich selbst. Und ich fühle so oft, dass ich nichts fühle. Und dann fühle ich Schmerzen den Schmerzen gegenüber und ich fühle Angst vor der Angst.

Doch habe ich auch resigniert.

Ich habe nur ein paar Sommer, die für mich bestimmt sind. Vor mir kommen Jahrmillionen und nach mir werden Jahre kommen. Dazwischen war ein Wimpernschlag, ein winziger Platz für mich bestimmt. Und ich wusste nicht, dass mir ein Mensch das alles, meinen Wimpernschlag, mal nimmt.

Und ich bin sauer. Ich könnte kotzen und heulen und schreien und schlagen. Und dann bin ich traurig. Ich würde gerne weinen. Weinen, weil mein Leben vorbei ist. Nicht vorbei im Sinne von physiologisch, biologisch, medizinisch. Mein Leben ist im Kopf vorbei. Ich bin so geprägt, ich bin so

tief getroffen und ich habe aufgehört auf etwas zu hoffen.

 

Ich hatte Pläne. Ich wollte alles, wünschte mir viel: die Welt sehen, auf Partys gehen, Sport machen, Tränen lachen, heiraten, Kinder bekommen - doch eine einzige Person hat mir meine Zukunft, meinen Wimpernschlag, genommen.

 

Ich sitze nachts im Bett und warte bis der Schlaf kommt. Oder ich warte bis er kommt. Und irgendwann, da bin ich sicher, steht er vor mir. Und ich hoffe es manchmal, denn die Zeit zu warten macht müder und wenn er kommt will ich nicht schlafen, ich will ihm in die Augen sehen und ich schwöre, ich werde nur mit ihm zusammen gehen.

Es war so eine ewige Zeit. In der ich versuchte mich zu retten. In der andere mich versuchten zu befreien aus den Ketten. Und irgendwann dann bin ich frei. Ich bin dann frei und mutig und ich werde tanzen und glücklich sein. Doch bis ich an diesem Punkt bin vergehen wieder die Jahre. Und das sind Jahre die ich in diesem Wimpernschlag einfach nicht habe.

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Geschrieben

Hallo Laura,
das "lyrische Ich" muß nicht mit dem Autor eines Gedichtes identisch sein, aber als ich gerade "Wimpernschlag..." las, hat es mich im Innersten gepackt und ich war erschrocken und dachte, dass da jemand Hilfe braucht. Dann las ich '1500 Kilometer" und ...war geflasht, noch mehr erschrocken und wollte über Dich mehr wissen.

 

Gut, dass ich Dein Profil gelesen habe.
Gerade in den schlechten und dreckig schweren Zeiten, können Begabungen sichtbar werden und wachsen. Widersprüchlich und unerklärlich wie das Leben nun mal ist. 
Da kann ich nur sagen:

Du bist stark und wortbegabt und aus Deinem "Wimpernschlag" und den "1500 Kilometer..." könnten eine Unmenge an Gedichten, Erzählungen oder ein ganzer Roman werden.
Ich bin gespannt, hoffe von Dir mehr zu lesen, wünsche Dir Gutes und schicke Dir ❤️ liche Grüße

Rhoberta

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Geschrieben

Hallo, moin lauRa

Nicht alles wird dem LI noch möglich sein.

Für mich schwingt in der Erzählung vom LI ein bisschen viel Selbstmitleid mit.

Es ist nie im Leben zu spät Dinge zu ändern oder in Ordnung zu bringen.

Gerne gelesen!

 Beste Grüße Josina

  • Danke 1
Geschrieben
vor 53 Minuten schrieb Josina:

Hallo, moin lauRa

Nicht alles wird dem LI noch möglich sein.

Für mich schwingt in der Erzählung vom LI ein bisschen viel Selbstmitleid mit.

Es ist nie im Leben zu spät Dinge zu ändern oder in Ordnung zu bringen.

Gerne gelesen!

 Beste Grüße Josina

@Josina Die Welt, die Menschheit ist unermesslich, schön und schrecklich, sprachlos wird man, es sei denn, es findet sich die Sprache, die alles verdichtet...
Jedes Erleben ist Leben und Selbstmitleid ist eben Leiden an sich selbst, darf sein und birgt auch die Chance in sich, mitzuleiden, Mitleid zu haben und tätig zu werden. 

Dem LI ist alles möglich und dem "Wahren Ich" ist auch alles möglich. 

Ohne diese Hoffnung wäre Alles Nichts.

In diesem Sinn, mit Grüßen der Hoffnung an Josina, lauRa und alle Poet(inn)en,

 

❤️ lichst Rhoberta

  • Danke 2
Geschrieben (bearbeitet)

Hallo LauRa

Vor ein paar Minuten habe ich Dein Gedicht 1000 Kilometer gelesen, es hat mich sehr berührt. Deshalb kann ich mein Kommi zu diesem Gedicht so nicht stehen lassen.Die Reflexion des LI über die Vergangenheit ist schon sehr traurig.

Ich wünsche dem LI viel Kraft, Hoffnung und Mut!

LG Josina

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Geschrieben

Definitiv ist Selbstmitleid ein großer Teil meines Empfindens, aber für mich ein Schritt in die richtige Richtung, da mir klar wurde, dass ich nicht Schuld bin. Wenn aus Schuldgefühlen Selbstmitleid wird, ist das ein großer Fortschritt. Dazu muss ich noch sagen, dass das Gefühl der Resignation schon deutlich weniger geworden ist. Die Texte begleiten mein Leben schon einige Jahre und erst jetzt habe ich sie veröffentlicht. Ich habe der Hoffnung viel Platz in meinem Leben eingeräumt, auch wenn ich natürlich immer einen Teil dieser Gefühle, die ich im Text zum Ausdruck zu bringen versuche, bei mir tragen werde. Danke für euer Feedback! 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo lauRa,
für mich gibt es keinen Königsweg, wie man mit dem Leben und dessen Herausforderungen klar kommt. Jeder muss seinen Weg finden. Schreiben kann sehr heilsam sein, das veröffentlichen aber auch sehr belastend. Horche in dich hinein, ob es dir gut tut, oder für deinen Prozess eher kontraproduktiv ist.

Ich hatte deine Texte auch schon gelesen und kurz die Luft angehalten, das Autobiographische springt einen förmlich an. Für mich als Leser, stellt sich dann immer die Frage, wie soll man damit umgehen.

Zum deinem Text:
Du könntest hier noch etwas mehr variieren, da neun Satzanfänge mit „Ich hätte“  beginnen. Dadurch bekommt der Text für mich einen Aufzähl und keinen Erzählcharakter, das ist für mich als Leser etwas ermüdend. Vielleicht magst du daran noch etwas arbeiten.

Ich habe deinen Text gerne gelesen und wünsche dir nur das Beste, für deine zukünftige Entwicklung, in jeder Hinsicht.

 

 

grüßend Freiform

  • Danke 1

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