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In der Vorstellungswelt der Namreg spielen die Ahnen eine wichtige Rolle. Diese haben einst, so sagt man, große Schuld auf sich genommen, weswegen ihren Nachfahren Freude nicht gewährt werden soll. Dieser, an die Genealogie der Spartaner erinnernde Ursprungsglaube mag z.T. erklären, warum der Alltag der Namreg von Angst und Sicherheitsstreben geprägt ist. Meiner Erfahrung nach fragt ein Namreg, vor eine neue Situation gestellt, erst einmal nach den Gefahren und erst dann nach den Chancen. Auch ist so vielleicht verständlicher, was ansonsten sehr sonderbar erscheinen müsste: Das Konzept von Humor ist den Namreg fast völlig fremd - zumindest spontaner Humor oder Lachen aus Freude sind in dieser Gesellschaft verpöhnt und den Kindern wird das laute Lachen meist untersagt. Allerdings kennen sie auch eine Rückzugsmöglichkeit von dieser Lebensstrenge. Einmal im Jahr (meist im Februar) findet das große Fest des Lachens statt, wozu die Menschen sich zur Ausgelassenheit und Freude vorbereiten und dies mit enormem Alkoholkonsum, bunten Verkleidungen und rituellen Tänzen unterstützen. Es mag befremdlich erscheinen, dass in dieser Kultur das Lachen geplant wird. Nachvollziehbar wird es vielleicht, wenn man bedenkt, dass bei den Namreg überhaupt sehr viel nach Plan verläuft. Jeder Tag ist in feste Einheiten unterteilt, denen bestimmte Tätigkeiten gewidmet sind. Davon abzuweichen, gilt bei den Namreg als maßlos.

Das religiöse Leben der Namreg ist eng verbunden mit Ritualen und v.a. mit metallenen Götzenbildern. Viele Namreg arbeiten im Grunde hauptsächlich, um die teuren Götzenbilder anzuschaffen, die sie zuhause verehren. Daher gibt der Besitz solcher Götzen auch Aufschluss auf den sozialen Rang seines Besitzers. Sehr beliebt sind dabei metallene Tafeln von Enohp'i, dem Gott der Verständigung. Er besitzt ein großes Auge, dessen Leuchten hypnotische Wirkung zugesprochen wird. Die meisten Namreg besitzen auch eine große Statue von Otua, dem Gott der nahen Reise. Denn in der Alltagswelt der Namreg nimmt die Reise einen wichtigen Platz ein. Die meisten Namreg, die ich kennenlernte, wähnen sich immer auf dem Weg, scheinen nie angekommen zu sein. Immerzu wollen sie irgendwohin - Hauptsache nicht dort, wo man gerade ist. Selbst in ihrer Freizeit unternehmen sie gerne Reisen, um sich von ihrer strengen Erfahrungswelt zu distanzieren. Daher ist es kaum verwunderlich, dass es auch einen Gott der fernen Reise gibt - Guezgulf. Nur die besonders Reichen können sich eine Guezgulf-Statue leisten. Doch ihm sind in Trufknarf riesige Hallen gewidmet, zu denen jedes Jahr tausende Menschen wegen der großen Prozessionen pilgern. Vor dem Durchschreiten der heiligen Tore muss man all seinen Schmuck und seine Habseligkeiten in einen Korb legen. Es handelt sich hierbei um eine symbolische Opfergabe, da man diese Gegenstände hinter den Toren wiederbekommt. Dennoch wird der Ritus mit Strenge bewacht. Wer dagegen verstößt, wird unter den verächtlichen Augen der anderen Gläubigen wieder durch das Tor zurückgeschickt, wo er eine zweite Chance erhält, sich symbolisch von dem zu trennen, was ihn an das Hier bindet.

Ein weiteres wichtiges Ereignis im religiösen Leben der Namreg sind die göttlichen Spiele, die jede Woche stattfinden. Die auserwählten Krieger zweier Städte kämpfen unter den Augen ekstatischer Gläubiger um ein Stück Schweinehaut. Die Stadt, die die Haut am Ende mit nach Hause nimmt, gilt als von den Göttern und Ahnen mit Gnade versehen und darf sich zwei Tage lang freuen. In einer Gesellschaft, in der Freude ansonsten so ein beschämendes Gefühl ist, ist eine solche Schlacht daher ein wichtiges Ereignis und der Sieg wird mit Kriegsliedern und spirituellen Mantren herbeigerufen. Auch werden Symbole der eigenen Stadt nach oben gehalten, Symbole der anderen Stadt verbrannt, die Wappentiere anderer Städte oft sogar aufgespießt. Es ist eine hasserfüllte Atmosphäre einer Gesellschaft, die sich das Recht auf selbst verwehrte Freude zu erstreiten gewillt ist. Die siegreichen Krieger werden verehrt, an ihre Namen und Taten noch Jahrzehnte später erinnert. In der Sozialstruktur ihrer Gemeinschaft sind sie so wichtig, dass sie nie wieder arbeiten müssen und von der Gemeinschaft mit allen erdenklichen Luxusgütern und Annehmlichkeiten versorgt werden. Die Krieger, die den Kampf verloren haben, werden jedoch von den Bürgern ihrer Stadt beschimpft und bespuckt.

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  • Schön 1
Geschrieben

Hallo Schmuddelkind,

eine klasse Idee, wie immer, souverän umgesetzt. :thumbup:


Arme Geschöpfe, die Namreg. 
Gott sei Dank gehöre ich zum Stamm Ebawhcs und da ist alles ganz anders. :classic_wink:


Gern gelesen, gern geschmunzelt - ernst geschmunzelt natürlich.

LG, Berthold 
 

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Danke für dein Lob und das aufmerksame Lesen, lieber Berthold!:classic_smile:

 

vor 18 Minuten schrieb Berthold:

Gott sei Dank gehöre ich zum Stamm Ebawhcs und da ist alles ganz anders.

Da ist allerdings Vieles anders. Die Ebawhcs verehren ja auch einen Gott der Sparsamkeit, der den anderen Namreg-Stämmen unbekannt ist und der einem Gläubigen gebietet, innezuhalten, ehe man der Versuchung erliegt, ein Götzenbild zu kaufen. Auch scheinen die Ebawhcs schon seit langer Zeit kein Interesse mehr zu haben, die göttlichen Spiele zu gewinnen.:wink:

Aber da sitze ich als Anhänger von Nretualsresiak auf einem viel zu hohen Ross.:hammer:

 

vor 23 Minuten schrieb Berthold:

Gern gelesen, gern geschmunzelt - ernst geschmunzelt natürlich.

Ich will auch sehr bitten. Auch in der Belustigung wollen wir den Ernst bewahren. Wo kämen wir denn sonst hin?:wink:

 

LG

  • Lustig 1
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Schmuddelkind:

mag z.T. erklären

gelbe Karte!
 

vor 4 Stunden schrieb Schmuddelkind:

und v.a. mit

noch mal gelbe Karte!  Gelb + gelb macht rot! 

Gehören Abkürzungen in einen Prosatext? Mmmmh ?

Bei den Namregs vielleicht, die glauben ja auch, sie könnten ihre Sünden in einem Holzverschlag abgeben, um beim wieder hinausgehen, schon die nächsten zu planen. Komisches Volk. Ich will ja nicht spoilern, aber im zweiten Kapitel habe ich gelesen, das die Jugend der Namregs, die persönliche Anrede  inzwischen für völlig überflüssig hält und in ihre Metalltafeln am liebsten kryptische Texte schreiben, die sie selber nicht verstehen. Aber ich will nicht zu viel verraten....:whistling:
Den ersten Teil habe ich zumindest sehr gerne gelesen, trotz roter Karte!

 

grüßend Freiform


 

  • Danke 1
Geschrieben
Am 5.5.2020 um 15:16 schrieb Carlos Larrea:

Es gibt nichts höheres und wirksameres als Selbstironie.

Ja, Selbstironie hat etwas fundamental Erleichterndes. Habe so oft den Eindruck, dass man der kritischen Beschäftigung mit sich selbst (oder mit Nahestehenden) nicht gerecht werden kann, wenn man sich in präziser Analyse ergeht. Manchmal muss man einfach über sich lachen können, um mit sich ins Reine zu gelangen. Danke für den Denkanstoß, lieber Carlos.:classic_smile:

 

Am 5.5.2020 um 17:01 schrieb Freiform:

Gehören Abkürzungen in einen Prosatext? Mmmmh ?

Naja, es handelt sich ja um eine ethnographische Feldstudie. Da sind u.U. Abkürzungen m.E. evtl. erlaubt.:wink:

 

Am 5.5.2020 um 17:01 schrieb Freiform:

Bei den Namregs vielleicht, die glauben ja auch, sie könnten ihre Sünden in einem Holzverschlag abgeben, um beim wieder hinausgehen, schon die nächsten zu planen. Komisches Volk. Ich will ja nicht spoilern, aber im zweiten Kapitel habe ich gelesen, das die Jugend der Namregs, die persönliche Anrede  inzwischen für völlig überflüssig hält und in ihre Metalltafeln am liebsten kryptische Texte schreiben, die sie selber nicht verstehen. Aber ich will nicht zu viel verraten....

:rofl2:

Die älteren Namreg glauben übrigens, dass kleine zwergähnliche Wesen auf ihre Häuser aufpassen.:wink:

 

Am 5.5.2020 um 17:01 schrieb Freiform:

Den ersten Teil habe ich zumindest sehr gerne gelesen, trotz roter Karte!

Ohne Platzverweis ist Fußball langweilig.:wink:

Der Wahlspruch meines Dorfvereins war: "Sieg oder Spielabbruch!"

 

LG

  • Lustig 1

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