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Geschrieben am (bearbeitet)

Prolog


Ein neues Lied will ich euch singen,
zu seinem Lob soll es erklingen,
zum Ruhm dem Hermundurenspross
aus Deutschlands grünem Herz, denn da genoss
er seine Knabenmorgenblütenjahre.

 

Mit blauen Augen, blondgelockt die Haare,
betrat er forsch der Weltenbühne Szenerie,
bewies schon bei Geburt beträchtliches Genie,
begann nach mütterlichem langem Kreißen
die Nabelschnur, noch zahnlos, selber durchzubeißen.

 

Und das gelang - sein erster Schrei erklang,
dem Arzt, der Amme wurde angst und bang,
selbst dem Papa der Atem stockte,
nur die Mama beglückt frohlockte
dem Frühlingstag entgegen, rief es laut hinaus:
Ein Sonntagskind hab ich der Welt geboren!
Es sei der neue Herr in unserm alten Haus,
der Name Heinrich sei ihm zugeschworen.

 

(Erwähnt sei noch, dass in dem Sterngewimmel,
gleich zwischen Mars und Venus hoch am Himmel,
es freuten sich der Herr Papa, Mama und andere Verwandte,
ein neuer Strahlestern sein Licht zur trüben Erde sandte.)

 

1. Aventure (vorauseilender Abfall vom christlichen Glauben)

 

Advent, die hoffnungsvolle Zeit, war angebrochen,
es hat das Tannengrün des großen Kranzes in der Stube
und besser noch der Kuchen von Mama gerochen.
Ein Briefchen schrieb dem Weihnachtsmann der Bube:
"Ach bitte, schenk mir einen Roller, will auch lieb und artig sein."
Er glaubt es kaum: Am Heiligabend unterm Weihnachtsbaum,
da stand ein roter Roller. Heinrich staunte: Ist der wirklich mein?
Er war tatsächlich seiner, erfüllt somit sein größter Traum.

 

Am nächsten Tag, am Weihnachtstag, da hat ein böser Bengel
den schönen Roller frech geklaut, Klein-Heinrich weinte laut,
doch seine Tante Ilse sprach: Herr Jesus und die Engel,
die bringen dir den Roller ganz bestimmt bald wieder!
Du musst zum Heiland beten, falte deine kleinen Hände,
dann hat dein schlimmes Leiden bald ein frohes Ende.

 

Gebete murmelt Heinrich, nebenan erklangen Weihnachtslieder,
Er betet voller Inbrunst, kniete hoffend nieder:
"Ach, lieber Heiland, bring den Roller mir zurück,
du meine Zuversicht, mein Retter und mein Glück!"

 

Natürlich war der Roller futsch
und Heinrich sprach: Du Heiland, rutsch
mir künftig doch den Buckel runter,
mit mir wirst du kein Spielchen treiben
und auch der Weihnachtsmann kann mir gestohlen bleiben.
So kam es, dass der Hermundurensohn
abständig ward in Sachen Religion.

 

2. Aventure (der Eintritt in die heiligen Hallen der Kultur)

 

Weder Thalia, Euterpe, auch nicht Erato, die Muse
himmlischer Liebe, hatten bisher dem schlummernden Knaben
Küsse geschenkt, die Sehnsucht zum Wahren und Schönen in seinem
Herzen zu wecken versucht und geduldig die passende Stunde,
welche von Göttern bestimmt, gewählt, um mit zärtlichen Lippen
Heinrich liebkosend, mit flüsternden Worten dem werdenden Jüngling
rosengeschmückte Pfade hinauf zu elysischen Feldern,
Heimstatt der Götter, zu weisen, ewige Rätsel zu lösen.

 

Bald schon betrat er die heiligen Hallen der Künste und hörte
vieler Menschen Gemurmel, ersterbendes Hüsteln und zögernden
Beifall, als jugendfrisch ein Mädchen die Bühne betrat:
„Sah ein Knab ...“, vernahmen die Ohren des lauschenden Jünglings
niemals, so glaubt er, habe er Schöneres im Leben gehört, und
Goethe war fortan sein innerer Kompass, spiritus rector,
freundliches Vorbild und selber fürwahr ein Wahl-Hermundure,
kürt er doch Weimar und Jena als Heimstatt wie unser Jung-Heinrich.


3. Aventure (Trouble-Shooter)

 

Bevor die Muse ihn an ihre Brüste presste,
war er am Amboss, Hobel oder Schraubstock
von allen jungen Hoffnungsträgern schon der Beste;
es reizte ihn in frühen Jahren nie ein kurzer Mädchenrock,
er malte, sang und tanzte und dressierte seinen Hund,
ein jeder lobte lauthals diesen Hermundurenspund.

 

An Alma Maters Busen schmiegt er sich mit Wonneschauern,
er wünschte sich, das Studium würde ewig dauern.
Er zupfte aus dem bunten Wissensstrauß
sich immer grad die schönsten Blumen raus.
Am meisten aber reizten ihn nach zwei Semestern
die ausgesprochen wunderhübschen Studienschwestern;
was brachten ihm Chemie, die Bio- oder Philosophie?
Ein kühner Wechsel führte ihn zur femininen Anatomie.
Die brachte Freude in sein Leben, aber Schwäche in die Knie.

 

4. Aventure (zarte Bande, wilde Jahre)

 

Im Wonnemonat Mai kam Barbara im Kirschenblütenregen;
ihr Gang und ihre Blicke konnten schnell sein junges Herz bewegen.
Vergessen waren schnell Helene, Ilse, Monika, Brigitte,
und Barbara war bald sein Alpha, Omega und Lebensmitte.

 

Sie war dem Verliebten ein Anker in schäumender See,
er glaubte, in ihr die Erfüllung der heimlichsten Träume
zu sehen und wusste noch nicht, dass es manchmal nur Schäume,
nur Trugbilder sind, und er kannte die Strophe des Herzogs
aus Verdis berühmtester Oper noch nicht, die verkündet
und Männern das Fürchten wohl lehrt: La donna è mobile!

 

So kam es, dass Heinrich, der maßlos Enttäuschte, sein Herz
mit Ringen aus Eisen umgab, um in Zukunft den Schmerz
vermeiden zu können, den Frauen in Seelen erzeugen.
Dem Schicksal, den Reizen von Weibern erneut zu verfallen,
dem wollte der Held der Erzählung bestimmt sich nicht beugen;
er wildert mit Ehrgeiz, er treibt es genüsslich mit allen
und hütet sich achtsam vor weiblichen Listen und Krallen.

 

Er knüpfte die zartesten Bande in Sachsen, in Bayern,
in Ländern des Westens und Nordens und später in Polen,
in Frankreich, Italien, in Moskau, da ließ er sich feiern,
im kühlen Britannien war immer am meisten zu holen.
Das Beste geschah ihm, wenn Mädels nicht nur auf Luren
bliesen und spaßig war es, auf des Rennsteiges Höhen den Huren
zu zeigen, wo wirklich der Hammer den Amboss zum Klingen,
die Vögel zum Singen erregt und auf des Milanes Schwingen
gelang es Jungheinrich den Lohn für die Lieb zu erringen.


5. Aventure (Wahre Liebe)

 

Wie herrlich kühlte ihm ein frischer Hauch
vom Sevansee die sonnenwarme Haut.
Ein zarter Duft von Blüten des Jasmin
und das Bouquet von tausend roten Rosen
erweckten und erfrischten seine Sinne.
Der Sonne Scheideblick verschönt den Anblick

 

der ach so Geliebten mit goldenen Strahlen;
er wünschte, die Zeiger der Uhren verhielten
die Schritte, denn allzu behende vergehen
die Stunden, wenn Herzen sich finden, das Pochen
der Pulse dem Rhythmus des anderen ganz gleich ist.

 

Heute, Liebliche, will er deine Küsse
spüren, deine Seufzer der Liebe hören,
tief und wortlos in dich sinken, deinen Augen
Antworten geben.

 

Ein gefiedeter Pfeil durchbohrt die Herzen -
Amor lacht, denn tödliche Wunden will er
niemals reißen, nimmer blutende Risse
schuldhaft bewirken.

 

Rasch entfernt nun der Jüngling Rock und Bluse,
auch die anderen störenden Hüllen, schamlos
schmiegen sich die Leiber, gierig ergreifen
Hände die Brüste.

 

Nardendüfte beleben alle Sinne,
blind im Purpurnebel versuchen Hände
Weg und Ziel zu finden, glücklich zu werden,
träumen von Liebe.


6. Aventure (am Ende des Lebens)

 

Der Himmel auf Erden war unserem Heinrich geschenkt und
die herrlichsten Jahre bestimmten den Lauf seines Lebens;
Doch neidisch und eifernd beschauen die Götter die Menschen,
die ihnen zu gleichen beginnen, sich wagen, den Nektar
der Blumen zu naschen , an goldenen Tischen zu sitzen
und fröhlich den Klängen von Zimbeln, Sitaren und Geigen
zu lauschen und selig im Takt eines Walzers zu tanzen.

 

Mit eisernen Händen verschließen die Götter das Füllhorn
Fortunas und keiner kann sagen, wieso sie ihre Gunst
den Erdenbewohnern entziehen, die Menschen geschändet
in Abgründe stürzen, wo Finsternis waltet und alle
vergeblich auf Hilfe und Rettung, auf göttliche Gnade
und Mitleid der Fühllosen warten und harren.

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