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Geschrieben am

die welt hat ihren reiz verloren
die sanften übergänge
sind ausgelöscht, verwandeln sich
in harte form und klaren strich
von ungewohnter strenge

der tanz des mondes festgefroren
sein licht in starrer enge
das faltenlose kindsgesicht
das ich sonst sah, ist weggewischt
durch visuelle zwänge

ein blick wie eben neugeboren
ich geb es zu, ich hänge
an dieser art glückseligkeit
verschwommner unvollkommenheit
und leg die brille schnell zurück
aufs brillenhaltgestänge

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Geschrieben (bearbeitet)

Liebe sofakatze,

 

in Querfeldein hat mein Protagonist geschrieben:

 

Zitat

Ist der Wald nicht viel reicher durch seine herrliche Stille und das unplastische Grün, welches einen umgibt, als durch die kleinen Verästelungen, die man mit viel Mühe in den Blättern seiner Bäume genau beschreiben kann?

Und an einer anderen Stelle:

 

Zitat

Je schärfer man versucht, das Schöne vom Unansprechenden zu trennen, umso mehr verliert man den Blick für die wundervollen Dinge, deren Eindruck ganz frisch in einem unvoreingenommenen, offenen Verstande entstehen.

Und ich gebe ihm recht. Durch Schärfe gewinnt man mehr Informationen. Schöner wird die Welt dadurch aber nicht notwendigerweise. Insofern kann ich mich ganz gut in deinem Gedicht wiederfinden, in dem Wunsch des LI nach Unschärfe. Viel des Reizes des Lebens rührt von dem, was wir nicht genau wissen. Vagheit, Ungewissheit, die Notwendigkeit, bis zu einem gewissen Grad zu glauben, zu vertrauen, machen das Leben vielleicht erst richtig lebenswert. Wie langweilig und sinnlos wäre ein Leben, dessen Hergang man schon kennt?

 

Der Entschluss, die Brille abzulegen, um an Unschärfe und Ungenauigkeit zu gewinnen, ist eine wundervolle und zum Schmunzeln einladende Metapher dafür.:thumbup:

 

Man muss allerdings wissen, wo die Unschärfe gut und wo sie eher hinderlich ist. Insofern hoffe ich, dass du deine Brille aufhast, sonst schreibe ich hier völlig umsonst.:wink:

Nur mal als Test, um sicher zu gehen.:rofl2:

 

LG

  • Danke 1
Geschrieben

Ach, sofakatze, ist das herrlich!

 

Klarer sehen, heißt nicht verstehen. Im Grunde kann ich das LI sehr gut verstehen.. die Wirklichkeit hat so viele Ecken und Kanten, Spitzen und Schmirgelpapier, man schürft sich Hände und Verstand wund daran.

Ich müsste eine Brille aufsetzen, um sanft und verschwommener zu sehen. Und wie gerne würde ich die Mondin tanzen sehen! Ich glaube, allein für diesen Anblick, sollte ich mir eine Brille kaufen..

Gerne geschmunzelt. Und die Buchstaben sind leider auch furchtbar klar umrissen in fester Gestalt, glatt und voller Kanten. Andererseits wären sie anders wohl nur eine verschwommene Masse. Fragt sich also, ob LI überhaupt weiß, was es da eigentlich schreibt :whistling:

 

Liebe Grüße, Lichtsammlerin

  • Danke 1
Geschrieben

liebes schmuddelkind,

 

vielen dank für deine messerscharfe analyse. :grin:

tatsächlich kann unschärfe ihren reiz haben, nicht nur beim direkten sehen, sondern wie du schlussfolgerst, eben auch im leben allgemein. wogegen schärfe nicht immer hilfreich sein muss. 

 

heute las ich eine kolumne über eine frau, die sich einen spiegel mit 5fach-vergrößerung angeschafft hatte und plötzlich in aller deutlichkeit ihre falten, pickel und rötungen im gesicht sah, die sie vorher nie so wahrgenommen hatte. mit einem mal fühlte sie sich hässlich und verlor an selbstwertgefühl. andererseits möchte wohl niemand von einem chirurgen am offenen herzen operiert werden, wenn der seine brille nicht dabei hat. :wink:

 

ich finde es immer interessant, wie sich mein weltbild verändert, wenn ich die brille ablege und mache das z. b. gern, wenn ich zeichne, weil ich dann ein sanfteres umfeld wahrnehme, mit gerundeten und geschwungenen linien, die sich dann auch in meinen bildern wiederfinden. 

 

herzlichen dank auch für das berührende video zum thema *farben sehen*. da geht es ja noch nicht mal um schärfe, sondern einfach nur um die abstufungen und nuancen, die eine farbige welt zu bieten hat. beeindruckend!

 

vor einer Stunde schrieb Schmuddelkind:

Man muss allerdings wissen, wo die Unschärfe gut und wo sie eher hinderlich ist. Insofern hoffe ich, dass du deine Brille aufhast, sonst schreibe ich hier völlig umsonst.:wink:

Nur mal als Test, um sicher zu gehen.

 :rofl2:

 

bei buchstaben ist es in der tat hilfreich, sie scharf sehen zu können, um kommentare mit der gebührenden nahsicht zu überblicken. :grin:

 

----------------------------------

 

liebe lichtsammlerin,

 

vielen herzlichen dank für dein lob und den scharfsinnigen kommentar. :grin:

 

ich finde die überlegung, eine brille aufzusetzen, um verschwommen zu sehen, bereichernd. stimmt ja, dass man, wenn man keine brille benötigt, mit einer brille seine sehschärfe einbüßt. so herum wäre mir das auch lieber. :classic_rolleyes:

vor 59 Minuten schrieb Lichtsammlerin:

Fragt sich also, ob LI überhaupt weiß, was es da eigentlich schreibt :whistling:

nö, wahrscheinlich nicht. aber darüber denkt es gar nicht erst zu scharf nach. :wink:

 

 

lieben dank noch mal an euch beide und auch an alle liker!

 

lg

sofakatze

 

  • Danke 1
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Geschrieben

Liebe Sofakatze,

 

deine Zeilen ließen mich schmunzeln.;-) Du hast einen ganz besonderen Schreibstil, den ich sehr mag.

Ich selbst bin ohne Brille ziemlich eingeschränkt und inzwischen auch eher unsicher ohne sie.

Irgendwie brauche ich die Schärfe und die knallharten Linien.

 

Lieben Nachtgruß, Letreo

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  • Danke 1
Geschrieben

hallo nina k.

 

herzlichen dank für die beschäftigung mit meinen zeilen. :classic_smile:

Am 1.7.2020 um 06:03 schrieb Nina K.:

Wir entscheiden wohl unbewusst, was wir von unserer Welt wahrnehmen und wie das auf uns wirken soll.

zumindest lässt sich durch das tragen einer brille die eigene wahrnehmung verändern. und ja, nicht umsonst kann man z. b. *wegsehen*, wenn man etwas nicht wahrhaben will und damit ist nicht nur das rein visuelle sehen gemeint.

 

------------------------------

 

liebe letreo,

 

Am 1.7.2020 um 23:42 schrieb Letreo71:

Irgendwie brauche ich die Schärfe und die knallharten Linien.

meistens ist es ja auch sinnvoll, scharf zu sehen. es soll sogar leute geben, die - auch ohne brille - zwischen den zeilen lesen können.  :wink:

 

ich danke dir für dein schmunzeliges lob. :grin:

 

 

--------------------

 

lieber gummibaum,

 

Am 2.7.2020 um 09:47 schrieb gummibaum:

Schlimm finde ich auch immer den Blick in den Kosmetikspiegel, der Härchen in Drahtborsten und Poren in Krater verwandelt.

wenn es nicht sieben jahre pech bringen würde, hätte ich den meinen schon längst zerbrochen. :classic_rolleyes:

 

freut mich sehr, dass du meine verse genießen konntest, vielen dank!   :biggrin:

 

 

lg euch dreien!

sofakatze

 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Liebe Sofakatze! 

Wunderbares Gedicht,  von Inhalt wie von der Ausführung.  Aber auch alle Kommentare lesenswert und tiefsinnig. Und JA,  ich liebe in vielen Ansichten auch die Weichheit des Übergangs und hole mir die Schärfe durch die Lesebrille z.B. nur,  wenn ich so etwas Besonderes wie diese Zeilen auf poeten.de lesen möchte (darf und muss) oder ein  Rezept in Küchenangelegenheiten.  

Was mich aber vor allem fasziniert an deinen Zeilen,  ist die Reimfolge. Genial geschrieben.  Lese es nun schon 4 x  und bin immer wieder aufs Neue begeistert. 

Danke dafür.  

Sonja 

  • Danke 1
  • 1 Monat später...
Geschrieben

liebe sonja,

 

spät, aber besser als nie, meine antwort auf deinen so freundlichen kommentar. :smile: besonders freut mich, dass du das reimschema hervorgehoben hast und es dir so gut gefällt. ich wünsche dir, dass du immer dann einen klaren durchblick hast, wenn es nötig ist und ansonsten die weichheit der unschärfe in vollen zügen genießen kannst. :biggrin:

 

lg

sofakatze

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