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Es ist wieder soweit, eine neue Reise steht an. Die Vorfreude hält sich in bescheidenen Grenzen. Das Fahrzeug ist mit allem augenscheinlich Notwendigen bis unters Dach gefüllt und zur Abreise bereit. Auf den ersten Metern wird standardmäßig eine ellenlange Checkliste abgefragt, die schon dermaßen abgekaut ist, dass ich sie ohne zu zögern rückwärts aufsagen könnte. Wat mutt, dat mutt! Damit später keine unnötigen Reklamationen kommen. Stoisch lasse ich die Prozedur über mich ergehen, denn aus Erfahrung weiß ich, dass eine vergessene Sonnenbrille eine ernsthafte Bedrohung für die Stimmung der folgenden Wochen nach sich ziehen könnte.

Die ersten Kilometer werden in einer deutlich spürbaren Spannung abgespult, bevor der erlösende Satz meiner Frau fällt „Ich glaub, wir haben alles“. Ich trete aufs Gas um die freie Bahn zu nutzen und Kilometer abzuspulen. „Papa, musst du so schnell fahren?“ kommt es wie aus der Pistole geschossen von der Rücksitzbank. Eine Diskussion folgt, die ich bereits fest eingeplant hatte und dementsprechend gut bin ich vorbereitet. Nach gefühlten 5 Minuten Disput erhalte ich eine großzügig ausgelegte Sondergenehmigung. Ich freue mich und begebe mich augenblicklich in den Tiefflug. Zwei Kurven weiter ist bereits alles vorbei. Mit jedem Meter Bremsweg sinken meine Mundwinkel Richtung Bodennähe. Die Autobahn sollte nach den aktuellen Verkehrsinformationen doch eigentlich frei sein, warum schlägt mir hier ein Warnblinklichtgewitter entgegen?

Das kann nur ein Unfall sein! Ich stelle mich brav hinten links an, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Quietschen einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. In Schockstarre sehe ich aus den Augenwinkeln, wie rechts ein Vierzigtonner an uns schlingernd vorbeischießt. „Ach du Scheiße!“ entfährt es mir. Ich erwarte jeden Moment, einen lauten Knall zu hören und einen Feuerball in die Luft aufsteigen, wie es in einem Actionfilm Usus wäre, aber außer einer stinkenden Rauchwolke von verbranntem Gummi und dem leiser werdende Quietschen höre ich nichts. Das Stauende auf der rechten Seite war weit vor uns und so scheint alles gut gegangen zu sein. Meine Frau und Sohn sind genauso aschfahl wie ich, wie mir ein prüfender Blick zur Seite und nach hinten bestätigt. Mein Sohn hängt gespannt mit der Nase an der Scheibe, während meine Frau nur stammelt „Ich glaub mir wird schlecht“ kurze Zeit später mischt sich zum Gummigeruch noch einiges bei, was sich nicht näher beschreiben lässt.

Zum Glück liegt eine Tüte bereit, die eher fürs Kleingemüse gedacht war, für den Fall der Fälle. Wir schließen auf den LKW auf, der leicht quer die rechte Fahrbahn und den Standstreifen blockiert. Der Fahrer hat den Kopf auf das Lenkrad gelegt und muss sich wohl auch erst einmal von dem Schrecken erholen. In der linken Hand hält er sein Handy, auf dem ein Video läuft. Das hätte eine Katastrophe werden können wie sie regelmäßig im Fernsehen gezeigt werden. Meine Sondergenehmigung wird mir stante pede entzogen und es geht im beschaulichen Reisetempo weiter. Einige Minuten vergehen, bis ich mich wieder traue, das Tempo heimlich anzuziehen, da Ruhe eingekehrt und die Bücher aufgeschlagen wurden. Nach Erreichen einer zügigeren Reisegeschwindigkeit schmeiße ich den Tempomat an und richte es mir im Sitz so gemütlich wie möglich ein.

Es dauert nicht lange und die erste Baustelle taucht am Horizont auf. Ich Bremse mit dem Tempomat langsam herunter und rolle durch die künstliche Fahrbahnverengung. „Papa, warum arbeitet hier niemand? Wir haben doch kein Wochenende!“ fragt mich mein Sohn. „Tja, das ist eine gute Frage, die ich dir nicht wirklich beantworten kann“ versuche ich das Thema zu verkürzen. „Warum nicht?“ wird sofort nachgebohrt. „Nun, weil ich es nicht weiß. Auf Autobahnbaustellen scheint arbeiten verboten zu sein“ antworte ich zynisch. „Hä, wieso das denn? Du willst mich veräppeln, oder?“ kommt es gereizt von der Rücksitzbank. „Ich sagte dir doch, ich weiß es nicht. Du wirst sehen, wir werden noch an vielen Baustellen vorbeikommen und du wirst niemanden dort arbeiten sehen.“ versuche ich, gleichgültig zu erwidern. “Aber da stehen doch Bagger, dann müssen hier doch auch Menschen arbeiten!“ stellt er fest. „Gut beobachtet, aber das täuscht. Manchmal glaube ich, die werden hier nur hingestellt, um den Anschein zu erwecken, dass hier gearbeitet wird.“ höre ich mich sagen. „Das macht doch gar keinen Sinn Papa!“

„Ich muss mal!“ Ich drehe mich kurz um “Nee, nicht wahr jetzt. Wir sind doch gerade erst losgefahren und du warst zu Hause noch“, kommt es leicht gereizt aus meinem Rachen. „Fährst du bitte an der nächsten Raststätte ran!“ entgegnet er entschieden. „Na super, dann werden wir heute wohl nicht mehr ankommen!“ und schaue dabei meine Frau an, die nur beschwichtigende Handbewegungen erwidert. Wenn wir schon ungeplant halten müssen, nutze ich die Gelegenheit um mir die Beine zu vertreten, die eigentlich noch einen taufrischen Eindruck machen. Zehn Minuten später sind wir wieder unterwegs „Paps, auf der Baustelle arbeitet auch niemand.“ schallt es von hinten. „Sag ich doch!“ antworte ich knapp. „Ich werde das beobachten, irgendwo muss doch einmal jemand arbeiten!“ schwatzt er aufgeregt in den Innenraum hinein, ohne jemanden direkt anzusprechen. Wir kommen gut voran.

Mit jedem Kilometer wird der Himmel über uns dunkler und der Wind nimmt Sorgen erregend zu. Ich muss bei einigen Böen schon gegenlenken, um nicht von der Straße abzukommen. „Lass das, Papa, mir wird sonst schlecht.“ „ Sorry Kleiner, aber ich mach das nicht absichtlich, der Wind drückt gegen unser Auto.“ erkläre ich die Situation. „Ist das gefähr….?“ mitten im Satz bricht er ab, als uns erneut eine kräftige Bö erwischt und das Auto stark versetzt, weil ich nicht darauf vorbereitet war, das so kurz hintereinander uns wieder eine Bö erwischt. „Sorry Familie, ich war nicht konzertiert“ versuche ich das geschehene kleinzureden, obwohl ich auch unangenehm überrascht wurde. Ich drossle das Tempo und schere auf die rechte Fahrspur ein.

Die LKW Fahrer haben alle Hände voll zu tun, ihre Fahrzeuge in der Spur zu halten, da die Böen nicht nachlassen. „Papa, ist der vor uns betrunken?“ kommt es von hinten. „Nein, das hoffe ich jedenfalls! LKW haben wegen ihrer Größe mehr Probleme mit Windböen als ein PKW, da ist es gar nicht so einfach geradeaus zu fahren.“ Versuche ich zu erklären. „Haben die keine Angst beim Fahren?“ wird nachgehakt. „Kann sein, aber Berufskraftfahrer sind das gewöhnt und sie können nicht einfach anhalten, denn dann halten sie ihre Termine nicht und bekommen ärger mit ihrem Chef, weil der dann eventuell Konventionalstrafe zahlen muss.“ “Was ist denn das?“ möchte er wissen.“ Der Chef hat mit dem Auftraggeber ausgemacht, dass wenn er zu spät kommt, weniger Geld bekommt.“ „Wie blöd ist das denn, er kann doch nichts dafür, wenn das Wetter schlecht ist!“ „Ja, da hast du recht, aber das ist alles etwas komplizierter und ich glaube nicht, das du das schon verstehen würdest, wenn ich versuchen würde dir das zu erklären. Außerdem kenne ich mich da auch nicht so gut aus und bevor ich Blödsinn erzähle, halte ich lieber meine Klappe!“ Erstaunlicherweise gibt er sich mit meinen Ausflüchten zufrieden und es kehrt von den Wind und Fahrzeuggeräuschen einmal abgesehen, wieder so etwas wie Ruhe ein.

„Papa, wann sind wir denn da?“ ist genau die Frage, die ich schon länger erwartet habe. „Das dauert noch ungefähr so lange, wie dein Schultag Montags ist.“ „Was, so lange. Warum sind wir nicht geflogen? Mama, spielen wir was, mir ist langweilig?“ „Was denn mein Schatz? Stadt, Land Fluss oder Wer bist du“ bietet meine Frau zur Auswahl an. „Können wir nicht UNO?“ „Dafür müsste ich hinten sitzen und da ist kein Platz“ entgegnet meine Frau. „Das können wir doch nach vorne räumen?“ „Nee, das lassen wir mal lieber, Papa rollt schon mit den Augen“ „Meno, ich will aber UNO“ wird gemotzt. „Keine Diskussion Sohnemann, wenn wir da sind, können wir UNO spielen, aber jetzt nicht. Also, was spielen wir, oder möchtest du doch lieber wieder lesen?“ womit meine Frau unmissverständlich die wählbaren Optionen vorgibt. Eine Antwort kommt nicht mehr, was gleichbedeuten damit ist, dass er sich für das Buch entschieden hat. “Wann sind wir denn endlich da Schatz“ zieht meine Frau mich auf und stuppst mich augenzwinkernd in die Seite.

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Geschrieben

Hallo Freiform!

 

Auch mir hat dein Fahrtenbuch sehr gefallen.. Spannung von der ersten bis zur letzten Zeile und wirklich unterhaltsam.. Wenn du beim Karawankentunnel angekommen bist plane 2 bis 3 Stunden Stau mit ein.. grins.. 

 

Ich würde mir eine Fortsetzung wünschen... 

Ach, auch bei euch in Deutschland gibt es unbesetzte Baustellen???? Und immer gerade dann wenn Urlaubsreiseverkehr ist..

Gut, dass ich heuer zu Hause bleibe.. 

 

Sehr gerne gelesen, 

mit behutsamen und lieben Grüßen, Behutsalem

  • Schön 1
Geschrieben

Hallo Sternwanderer,

bis nach Portugal ist es ja schon ne Ecke, da ist alleine die Fahrt schon ein Erlebnis und wenn man dann endlich ankommt, ist man auch garantiert urlaubsreif!

 

Dankeschön! :classic_smile:

Hallo Behutsalem,
bei euch im Land ist das ja immer ein Spagat, einerseits braucht man den Tourismus, anderseits will man aber keinen Reiseverkehr, der nur durchs Land hindurchführt. Ich bin gespannt zu welchen Blüten das noch führt.

vor 3 Stunden schrieb Behutsalem:

Ich würde mir eine Fortsetzung wünschen... 

Eine Fortsetzung? Die braucht doch niemand, oder willst du etwa sowas lesen?

 

Dankeschön!
@Sternwanderer@Behutsalem@Gina@Carlos@Skalde@Sonnenuntergang

grüßend Freiform

 

 

… “Spinnst du denn Freundchen!
Hörst du wohl auf deine Popel an die Scheibe zu schmieren, und jetzt auch noch ablecken. Wer hat dich denn erzogen? Hör sofort auf damit, das ist ja eklig! Hier ein Tuch, wich das sofort weg, und wehe, du verschmierst das nur. Das will ich nie wieder von dir sehen, hast du gehört! Antworte gefälligst!“
„Ja, Mama.“ Kam es kleinlaut von hinten, während ich mich kaum halten konnte. Prompt wurde ich von scharfen Blicken durchbohrt, die mir deutlich zu verstehen gaben, dass jedes Wort unangebracht und zu unterlasen war. Doch so leicht gab ich mich nicht geschlagen und erwiderter ihren Blick solange, bis sie nicht mehr wiederstehen konnte, und die Wut sich in Belustigung wandelte. Daraufhin wurde ich auf das heftigste geboxt „Männer, warum habe ich ausgerechnet zwei davon!“ schmunzelte sie liebevoll und wir fuhren entspannt dem Sonnenuntergang entgegen....

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