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Brief an den Vater


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Vater. Oh Vater. Mir graut es noch heute davor, dir zu schreiben. Fürchte ich mich doch noch zu sehr das ein oder andere falsche Wort zu nutzen, das dir als Schießpulver nur zu willkommen wäre. Und käme es zu einem falschen Wort, so wäre das deine Thematik für eine Antwort und all meine Einwände und Argumente wären wieder nichtig. Oh wie könnte ich von dir Einsicht erwarten, wie könnte ich Verständnis fordern, weiß ich doch, dass du dir selbst immer recht gibst und kein Mensch dieser Welt etwas wissen könnte, das du nicht längst erfahren hast. Schon gar nicht deine Tochter. Eine Tochter. Ein Weibsbild. Ein Produkt. Dein Produkt. Vater, ich weiß zu gut, dass du mir niemals recht geben wirst. Ich versuche gar nicht mehr dich zu überzeugen, sondern bemühe mich um Akzeptanz deiner Ignoranz und Engstirnigkeit.

Vater, das ist nun bereits mein fünfter oder sechster Versuch dir zu schreiben, doch immer wieder warf ich den Stift zu Boden, zerriss das Papier und begann erneut. 
Es ist schwer seine Worte so zu wählen, dass man dir keinen Anlass gibt zu Fehlinterpretationen und trotz aller Bemühen ist es mir noch nie gelungen einen solchen Brief zu schreiben, den du alleine so gelesen hast, wie ich ihn geschrieben und gemeint habe. Vermutlich werde ich auch diesen Versuch irgendwann ruhen lassen, oder ich werde mich zu sehr vor dir fürchten um ihn abzuschicken. 
Furcht, Vater. Ich empfinde Furcht wenn ich daran denke dir zu begegnen. Stets bemüht dir alles recht zu machen fürchtete ich mich Jahre lang vor meinen Fehlern und vor allem vor deinen Reaktionen auf jene. Ich fürchtete mich vor Unglück, Vorwürfen und lief schließlich wie ein geschlagener Hund durch diese Welt. Ich gebe dir die Schuld dafür, dass ich nie lernte aufrecht zu gehen, nie lernte mich zu schätzen und nie verstand mich zu präsentieren. Ich gebe dir die Schuld daran, dass ich es nicht wage „nein“ zu sagen. 
Nun Vater, liebster Vater, erinnerst du dich an die Gewalt, die du mir entgegen brachtest? An die Schläge gegen den Kopf, die Tritte in meine Magengegend, die verbalen Grausamkeiten, die dir nie ausgingen? Erinnerst du dich daran wie du mich beschimpftest als  dreckig, als ein Miststück, als eine Hure,  um mir dann im nächsten Atemzug unter Tränen mitzuteilen, ich sei deine Prinzessin?

Es ist dir ein leichtes dir eine Frau klein zu halten, sie dir zu eigen zu machen und sie zu zügeln, wie ein wildes Ross,  das unter dir geht, wie eine gebrechliche Stute, deren Körper es sich zur letzten Aufgabe gemacht hat, das Fohlen zu nähren, das gierig das letzte bisschen Leben aus ihrem Euter saugt, während du die Sporen in die Flanken stößt und zum Galopp rufst. Ich schweife ab. Vater diese Metapher wirst du ja doch nicht verstehen. Vergib mir bitte, dass meine Phantasie mit mir durchging. Nun da ich deiner diktatorischen Herrschaft entflohen bin, fällt es mir schwer mich zu zügeln, sehe ich doch keinen Sinn mehr darin mich kleiner zu machen, als ich bin. Vater, ich bete, dass auch meine geliebte Mutter eines Tages deiner Tyrannei entkommt, dass sie diesem Trinker, der du geworden bist nicht länger Sklavin sein muss, und dass sie eines Tages sehen kann, dass deine Worte nichts bedeuten, dass deine Anschuldigungen haltlos sind und dass alles was aus diesem hasserfüllten Mund kommt nichts weiter ist, als frei erfundene Grausamkeiten, die nur dem Zwecke dienen sie, wie mich damals, so klein zu halten, dass sie keinen anderen Weg sieht, als dir hörig zu sein. 

Ich schätze deine Intriganz, mit der du es schaffst eine Frau so zu Grunde zu richten, dass sie denkt sie sei abhängig von dir, sich selbst in den Schatten stellt und deine verachtenswerte Persönlichkeit schätzen lernt, als den Retter, den Helden, den liebevollen Vater, den selbstlosen Versorger. 

Vater nicht meine Mutter und nicht ich sind die minder schätzenswerten Charaktere, nein du allein bist es, der es nicht verdient geschätzt zu werden. Du allein bist es, der seine jämmerliche Existenz zu verbergen sucht, in dem er andere noch jämmerlicher dastehen lässt. Ich weiß, dass du dir dessen bewusst bist. Wer sonst hätte das Bedürfnis sich Tag für Tag in den Alkohol zu flüchten, wenn nicht ein Mensch, der vor dem eigenen kläglichen Inneren zu fliehen sucht. Du bist ein Jammer geworden, nichts weiter als eine Peinlichkeit. 
Nun wäre da nicht diese Furcht, so hätte ich für dich nichts weiter als Verachtung übrig, obwohl sich darüber streiten lässt, ob du Verachtung verdienst. 
 

 

 

Na wer hat meine Inspiration erkannt? Natürlich inspiriert durch Kafkas Brief an den Vater. Besonders hier ist mir wichtig dass zwischen dem LI und dem Autor differenziert wird. Es handelt sich natürlich um einen fiktiven Brief an einen fiktiven Vater. 

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vor 14 Stunden schrieb Devils.darling.:

Besonders hier ist mir wichtig dass zwischen dem LI und dem Autor differenziert wird.

Hallo DD,
finde ich super geschrieben und habe ich mit Freude gelesen! Ich versuche immer zu differenzieren, auch wenn ich weiß, das ein Text wahrscheinlich autobiographischer Natur ist. 
Ein guter Text, braucht keinen autobiographischen Hintergrund, um zu wirken. Er steht für sich! 

grüßend Freiform


 

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Hallo ihr lieben! Danke für euer Feedback! @CB90 ja da hast du recht. Habe das vor einer ganzen Weile geschrieben und habe jetzt beim hochladen auch darüber nachgedacht dass das vielleicht gut wäre. Vielleicht mache ich nochmal einen neuen aber der Brief stand halt Zu dem Zeitpunkt schon. Und was bleibt ist die Reflexion über den Vater. 

 

ich freue mich dass es euch gefallen hat.
@gummibaum @Freiform

vor 34 Minuten schrieb Freiform:

finde ich super geschrieben und habe ich mit Freude gelesen! Ich versuche immer zu differenzieren, auch wenn ich weiß, das ein Text wahrscheinlich autobiographischer Natur ist. 

Es gibt Bestimmt einige, aber ich lege da sehr viel wert drauf dass es nicht so ist. Und auch darauf es so zu werten wenn ich von anderen lese. 
 

liebe Grüße und genießt die Sonne

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