Zum Inhalt springen

Empfohlene Beiträge

Geschrieben am

Geheimnisvolle Hieroglyphe!
So schwebt ein Blatt und sinkt doch wieder
und lässt sich auf dem Weiher nieder,
beinah als ob es friedvoll schliefe.

Zugleich aus Traumes dunkler Tiefe
entsteigt ein Blatt dem Sog zuwider
den Teich empor - nun sind sie Brüder -
als ob man es zu Lichte riefe.

Doch wie der Augenblick vergeht,
zwar widerwillig, fast schon spät,
doch wie die Abkehr guter Zeiten,

so werden beide eins und gleiten
in jene Dunkelheit hinab,
worin ich keine Einsicht hab.

 

 

(Aus dem Fundus)

  • Gefällt mir 4
  • wow... 1
  • Schön 6
Geschrieben

Vielen Dank, lieber Carlos!:smile:

 

Ich freue mich riesig über dein Lob, auch wenn ich meine, dass es zu viel der Ehre sei, denn es gibt viel schönere deutschsprachige Sonette (und nicht alle wurden von mir geschrieben:wink:). Ganz streng genommen, ist es wohl auch kein richtiges Sonett, aber die Freiheit nehme ich mir gern. Mir macht es Spaß, mit der Form zu spielen, über ihre Grenzen hinauszugehen, ohne sie ganz zu verlassen. Eines der schönsten Sonette nimmt sich an entscheidender Stelle eine ganz große Freiheit heraus: "Die beiden" von Hugo von Hofmannsthal.

 

Hier habe ich mich der Form des Sonetts bedient aufgrund ihrer Affinität zur Dialektik, denn inhaltlich wird ja in der ersten Strophe eine Bewegung beschrieben, in der zweiten Strophe eine Gegenbewegung und in den Terzetten eine Bewegung als Synthese der beiden vorangegangenen Bewegungen. Da fand ich das Sonett intuitiv als passende Form.

 

LG

  • Gefällt mir 2
Geschrieben
Am 30.7.2020 um 15:27 schrieb Carlos:

Ich liebe dieses Gedicht. Es war für mich Liebe auf denn ersten Blick

Ich meine ich und das Gedicht!

In richtig gute Gedichte verliebt man sich auch sofort, ohne viel darüber nachzudenken. Ich meine, sie laden einen ja gerade dadurch ein, tiefer über das Gedicht zu reflektieren, aber da muss eben schon eine emotionale Verbindung sein, die man am Anfang vielleicht noch gar nicht begreift - ging mir mit dem Gedicht auch so.:smile:

 

Am 30.7.2020 um 20:36 schrieb Sonnenuntergang:

Wun

der

schön

Danke, Lena!:smile:

 

LG

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

liebes schmuddelkind,

 

ich reihe mich gern ein in den chor der lobenden, denn dieses gedicht hat mehr als lob verdient.

 

zunächst lese ich eine naturbeobachtung. ein blatt, was ins wasser fällt, ein zweites blatt, was von den wellen zum anderen geleitet wird und dann das versinken der beiden in der tiefe. in dieser beobachtung wird ein geheimnis vermutet und gesucht, das deutet der erste vers an. eine hieroglyphe ist ja ein bild, ein heiliges zeichen, was wir zu verstehen versuchen. hieroglyphen kann man sowohl von rechts als auch von links lesen und so scheint mir hier auch das gedicht inhaltlich von beiden seiten betrachtet werden zu können. ob nun das eine blatt sinkt und das andere steigt oder andersherum ist egal, denn am ende werden doch beide eins und teilen das gleiche schicksal. auf das leben angewendet könnte man daraus ganz profan schlussfolgern: egal, wie dein leben verläuft und welchen weg du gehen wirst, am ende steht immer der tod, hier durch das gleiten in die einsichtslose dunkelheit symbolisiert. denn was danach kommt, kann keiner wirklich wissen.

 

davor liegt aber - und das finde ich bedeutsam - ein augenblick der gemeinsamkeit. die blätter werden brüder, sind nicht mehr allein auf ihrem weg nach oben oder unten. und so will ich das gedicht dann auch lesen: das geheimnis des bildes bleibt unentschlüsselt, weil es eben nicht darauf ankommt, dass unser aller leben mal endet, sondern dass wir die zeit zwischen anfang und ende, zwischen fallen und steigen  - diesen kurzen augenblick -  bewusst gestalten - gemeinsam.

 

lg

sofakatze

 

 

 

  • Gefällt mir 2
  • wow... 1
Geschrieben

Hey, bist du nicht jene sofakatze, die vor einem Monat hier als vermisst gemeldet wurde?:wink:

Hab dich gefunden! Meinen Finderlohn habe ich jetzt auch schon erhalten.:blume:

 

Wow! Vielen lieben Dank für diesen besonders tiefsinnigen Kommentar!:grin:

 

vor 36 Minuten schrieb sofakatze:

ein blatt, was ins wasser fällt, ein zweites blatt, was von den wellen zum anderen geleitet wird und dann das versinken der beiden in der tiefe.

Das ist der einzige Aspekt, nach dem meine Interpretation von deiner abweicht: Ich hatte das zweite Blatt als das Spiegelbild des ersten Blattes gedeutet. Es "steigt" im Teich hinauf, weil das tatsächliche Blatt auf die Teichoberfläche fällt. Manchmal sind nämlich Aufstieg und Fall derselbe Vorgang aus unterschiedlichen Perspektiven. Aber die Annahme, dass das zweite Blatt ein tatsächliches, physisches zweites Blatt sei, erlaubt natürlich einige interessante Deutungsmöglichkeiten und ich bin sehr dankbar, dass du von einem anderen Blickwinkel Licht auf mein Gedicht geworfen hast.:smile:

 

Das hättest du in den letzten 31 Tagen gerne öfter machen können.:whistling:

Ach, schön, dass du das Forum wieder durch deine Kommentare bereicherst!:smile:

 

vor 43 Minuten schrieb sofakatze:

in dieser beobachtung wird ein geheimnis vermutet und gesucht, das deutet der erste vers an. eine hieroglyphe ist ja ein bild, ein heiliges zeichen, was wir zu verstehen versuchen. hieroglyphen kann man sowohl von rechts als auch von links lesen und so scheint mir hier auch das gedicht inhaltlich von beiden seiten betrachtet werden zu können. ob nun das eine blatt sinkt und das andere steigt oder andersherum ist egal, denn am ende werden doch beide eins und teilen das gleiche schicksal. auf das leben angewendet könnte man daraus ganz profan schlussfolgern: egal, wie dein leben verläuft und welchen weg du gehen wirst, am ende steht immer der tod, hier durch das gleiten in die einsichtslose dunkelheit symbolisiert. denn was danach kommt, kann keiner wirklich wissen.

Ich bin begeistert, wie du den Begriff der Hieroglyphe sinnhaft mit der Naturbeschreibung verknüpfen konntest! Ja, genauso habe ich es gemeint und da trifft sich dann auch deine Lesart wieder mit meiner: Man kann ein Leben, Erfolg und Misserfolg, auf verschiedene Weisen betrachten, aber den Tod können wir weder wegdeuten, noch eine tiefere Bedeutung dahinter mit Gewissheit annehmen oder ausschließen. Der Tod ist tatsächliche diese undurchdringliche Dunkelheit, auf die alles hinausläuft, worin alle Deutungen aufgelöst werden.

 

vor 47 Minuten schrieb sofakatze:

davor liegt aber - und das finde ich bedeutsam - ein augenblick der gemeinsamkeit. die blätter werden brüder, sind nicht mehr allein auf ihrem weg nach oben oder unten. und so will ich das gedicht dann auch lesen: das geheimnis des bildes bleibt unentschlüsselt, weil es eben nicht darauf ankommt, dass unser aller leben mal endet, sondern dass wir die zeit zwischen anfang und ende, zwischen fallen und steigen  - diesen kurzen augenblick -  bewusst gestalten - gemeinsam.

Exakt! Das Leben kann nur im Augenblick stattfinden. Die Zukunft ist ein Stück weit fiktiv und die Vergangenheit eben auch nur ein Gedanke, kein wirkliches Erlebnis. Alles Leben, alles Erleben findet jetzt statt und ob es nun als negativ oder positiv gedeutet werden kann, die reine Möglichkeit, diesen Augenblick bewusst zu erleben, ist vor dem Hintergrund des ewigen und undeutlichen Todes von unermesslichem Wert.

 

Ich weiß gar nicht, wie es möglich ist, dass zwei Leute ein Gedicht sehen, das ja seiner Natur nach deutungsoffen ist, und darin tatsächlich mehr oder weniger dasselbe erkennen, aber in deinem Kommentar sehe ich, dass es stattfindet und das ist schon ein ziemlich mächtiges Erlebnis.:smile:

 

LG

  • Gefällt mir 1
  • Schön 1
Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Schmuddelkind:

Hey, bist du nicht jene sofakatze, die vor einem Monat hier als vermisst gemeldet wurde?:wink:

es gibt menschen, die mich vermissten? und es ist schon wieder ein monat um? oh man! :scared: 

 

aber zumindest bin ich jene sofakatze und nicht diese. :wink: 

vor einer Stunde schrieb Schmuddelkind:

Hab dich gefunden! Meinen Finderlohn habe ich jetzt auch schon erhalten.

ich freue mich auch, wieder mal zeit fürs forum gefunden zu haben. :blume:

vor einer Stunde schrieb Schmuddelkind:

Ich hatte das zweite Blatt als das Spiegelbild des ersten Blattes gedeutet. Es "steigt" im Teich hinauf, weil das tatsächliche Blatt auf die Teichoberfläche fällt. Manchmal sind nämlich Aufstieg und Fall derselbe Vorgang aus unterschiedlichen Perspektiven.

natürlich, das spiegelbild des blattes! das hatte ich so nicht verstanden, aber jetzt, wo du es schreibst, erscheint es mir klar vor augen. manchmal sieht man das blatt vor lauter wellen nicht! danke für den perspektivwechsel. :thumbsup:

 

vor einer Stunde schrieb Schmuddelkind:

Ich weiß gar nicht, wie es möglich ist, dass zwei Leute ein Gedicht sehen, das ja seiner Natur nach deutungsoffen ist, und darin tatsächlich mehr oder weniger dasselbe erkennen, aber in deinem Kommentar sehe ich, dass es stattfindet und das ist schon ein ziemlich mächtiges Erlebnis.:smile:

insgesamt sehe ich es ja als weniger bedeutsam, dass zwei menschen das selbe in einem gedicht erkennen als dass jeder mensch für sich eine deutung findet, da es die *richtige* deutung nicht gibt. aber ja, es ist für den autor und natürlich auch für den kommentierenden sehr schön, wenn sich die intension des autors und die interpretation des kommentators auf einem gemeinsamen fixpunkt treffen, der vorher unbekannt war. das macht beide happy. ergänzend sei noch hinzugefügt, dass es für die hohe qualität des gedichtes spricht, wenn die intension so gut herauslesbar ist. mit anderen worten: du hast es offensichtlich drauf, deine gedichte so zu schreiben, dass man sie versteht. :grin:

 

lg

sofakatze

  • Gefällt mir 1
  • Danke 1
Geschrieben
vor 11 Stunden schrieb sofakatze:

es gibt menschen, die mich vermissten? und es ist schon wieder ein monat um? oh man!

Ja, die Zeit eilt alle Stunden.:achselzucken:

Aber ich wusste ja, dass Katzen ab und an ein bisschen herumstreunen müssen, um mit größter Selbstverständlichkeit wieder zurückzukommen.:wink:

...Meistens fragen sie dann: "Ey, wo bleibt mein Essen?":rofl2:

 

vor 11 Stunden schrieb sofakatze:

natürlich, das spiegelbild des blattes! das hatte ich so nicht verstanden, aber jetzt, wo du es schreibst, erscheint es mir klar vor augen.

Naja, ich hatte es ja auch absichtlich schwer gemacht, es als das Spiegelbild zu sehen, indem ich es wie eine eigene körperliche Bewegung beschrieben habe ("dem Sog zuwider" etc.). Damit wollte ich erreichen, dass man als Leser die Erfahrung macht, die uns das Leben ständig aufdrückt - zwei Perspektiven auf dieselbe Sache erscheinen eben oft wie zwei verschiedene Sachen.

 

vor 11 Stunden schrieb sofakatze:

insgesamt sehe ich es ja als weniger bedeutsam, dass zwei menschen das selbe in einem gedicht erkennen als dass jeder mensch für sich eine deutung findet, da es die *richtige* deutung nicht gibt.

Ich weiß gar nicht, welche der beiden Situationen ich cooler finde. Aber das Schöne ist ja: Entweder hat man das Glück, dass andere dieselbe Lesererfahrung machen können und man dann das Gefühl hat, in einem Maße verstanden zu werden, das sonst selten erreicht wird. Oder man hat das Glück, dass andere etwas anderes im Gedicht sehen und man merkt, wieviel mehr man mitgeteilt hat, was man gar nicht gesehen hatte. Beides finde ich ziemlich bedeutsam.:smile:

 

vor 11 Stunden schrieb sofakatze:

du hast es offensichtlich drauf, deine gedichte so zu schreiben, dass man sie versteht. 

Umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass ich nicht mal einen Weg beschreiben kann, ohne andere in den Wahnsinn zu treiben: "Dann musst du die... ist es die zweite oder die dritte Straße? links abbiegen, also nicht ganz links - also nicht 90°. Die Kreuzung, die ich meine, da gehen zwei Straßen so halbwegs links ab, eine rechtwinklig und eine 45° - also 45° zur geradlinigen Verlängerung der Straße. Das wären dann also eigentlich 90 plus 45, also... 135° zu der Straße, von der du kommst. In diese Straße musst du jedenfalls abbiegen - d.h. wenn du bei der richtigen Kreuzung bist. Wenn die Kreuzung nicht so aussieht, wie ich es gerade beschrieben habe, geh am besten weiter bis zu der Kreuzung. Alternativ kannst du auch die Kreuzung davor links abbiegen. Dann musst du aber dort, wo meistens eine schwarz-weiß gefleckte Katze steht, rechts in einen kleinen Weg abbiegen. Wenn die Katze nicht dort steht, musst du trotzdem in den Weg abbiegen. Dann musst du nur aufpassen, weil der Weg sich irgendwann aufgabelt. Kann dir jetzt aus dem Stehgreif gar nicht sagen, ob du bei der Gabelung rechts oder links musst. Aber wenn du auf dem richtigen Weg bist, kommt nach 100 Metern ein Spielplatz. Wenn du keinen Spielplatz siehst, nochmal zurückgehen und in den anderen Weg abbiegen.":hammer:

  • Lustig 1

Erstelle ein Autorenkonto oder melde dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Autorenkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Autorenkonto erstellen

Neues Autorenkonto für unsere Community erstellen.
Es ist ganz einfach!

Neues Autorenkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Autorenkonto? Melde dich hier an.

Jetzt anmelden
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.