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Dialog zwischen Mutter und Kind


Richard von Lenzano

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Dialog zwischen Mutter und Kind

 

 

 

 

 

Du Mutti, warum bin ich noch so klein?

Mein Kind, du bist noch jung und wirst noch wachsen.

Wann Mutti? Ich bin jetzt schon 6 Jahre.

Irgendwann in der nächsten Zeit.

Warum kann ich nicht zur Schule gehen?

Kind, dazu musst du erst größer sein.

Warum? Weil die anderen über mich lachen?

Mag sein, mein Kind.

Warum lachen die anderen Kinder über mich?

Weil sie noch so dumm sind.

Aber die Erwachsenen schauen mich auch immer so seltsam an,

sind sie denn auch noch so dumm?

Sehr viele, leider.

Mutti, warum kann ich nicht wie andere Kinder spielen?

Kind, deine Hände sind noch so klein.

Aber warum? Warum habe ich so kleine Ärmchen?

Ja, das ist sehr schwer zu sagen.

Was ist schwer zu sagen? Dass ich nichts anfassen kann?

Ja ...

Erzähl' es mir bitte.

Kind, als du unter meinem Herzen warst,

habe ich große Schmerzen gehabt,

und dagegen habe ich Tabletten genommen.

Und deshalb habe ich so kleine Ärmchen bekommen?

Ja.

Werde ich deshalb auch nicht größer?

Ja, vielleicht.

Aber warum hast du die Tabletten genommen?

Es war ja so einfach, und die

Schmerzen waren danach auch weg.

Hattest du die Schmerzen wegen mir?

Ja, mein Kind.

 

Nimmst du immer noch Tabletten?

Nein, seit damals nicht mehr.

Hast du denn keine Schmerzen mehr?

Doch.

Aber warum?

Weil du so krank bist.

Ist es denn so schlimm?

Ja, ich bin oft sehr traurig.

Mutti, gibt es was zu essen? Ich habe Hunger.

Ich hol' dein Essen sofort.

Sag mal, wirst du mich auch ewig füttern müssen?

Wahrscheinlich - so lange ich bei dir bin.

Geht es wirklich nicht anders?

Vielleicht lernst du eines Tages deine

Füße als Hände zu gebrauchen.

Muss ich deswegen immer soviel Gymnastik machen?

Ja, damit du gelenkig bleibst.

Mutti, ich habe Angst.

Warum denn, mein Liebling?

Was wird, wenn ich älter werde?

 

 

Dann gibt es bestimmt Hilfsmittel, die dir vieles erleichtern.

Mh. Das Essen hast du aber gut gekocht. Willst du nicht?

Nein, ich mag im Moment nicht.

Aber du bist ja schon so dünn geworden.

Vielleicht esse ich nachher was.

Du Mutti, mir schmeckt es aber viel besser,

wenn wir beide zusammen essen.

Lass' es uns doch einmal versuchen. Ja?

Wir können es ja mal probieren.

Du Mutti, kannst du mir meine Brille einmal putzen?

Ja, aber gerne.

Muss ich die Brille auch wegen der Tabletten tragen?

Ja, das hängt auch damit zusammen.

Auch wenn ich ab und zu Schwindelgefühle habe?

Ach, wenn du größer bist, werde ich dir alles ganz genau erklären.

Aber ich werde doch nicht größer!

Das kann man jetzt noch nicht sagen.

So, mein Kind, langsam wird es jetzt Zeit, in' s Bett zu gehen.

Schläfst du wieder bei mir?

Selbstverständlich doch, mein Schatz.

Hebst du mich bitte aus dem Rollstuhl, Mutti?

Ja, das machen wir wie immer zusammen.

 

 

Du Mutti, ich werde heute Abend zum lieben Gott beten,

dass es keine solchen Tabletten mehr geben darf.

 

Das bete ich schon seit vielen Jahren, mein Kind !

 

 

 

 

 

 

 

Richard von Lenzano

© 01/85

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aktivste Mitglieder in diesem Thema

Wirklich gut gemachter Dialog.

Als ich begann den zu lesen, dachte ich es würde so enden, dass das Kind feststellt, dass groß werden sich nicht lohnt, weil Erwachsene dumm sind! :mrgreen:

 

Aber diese Wendung auf die man nicht gefasst ist... wirklich gut gemacht und auch sehr berührend.

Auch, dass das Kind scheinbar besser damit umgehen kann als die Mutter, der es unbewusst Schuldgefühle macht.

 

Prima! :wink:

 

lg David

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Hallo David,

 

den Text habe ich 1985 schon geschrieben und immer noch ist er aktuell. Es werden weiterhin Versuche an Mensch und Tier gemacht ohne vorher zu wissen - was daraus resultieren könnte. Das letzte grausame Ereignis spielte sich - wie bekannt sein dürfte - in England ab.

 

Ich kenne einige Contergan-Geschädigte und habe vor diesen sehr, sehr großen Respekt, wie sie ihr Leben meistern und nicht klagen.

 

Deshalb ist damals auch dieser Dialog entstanden. Er soll aufrütteln und unsere Sinne schärfen, damit sich so etwas - wenn irgend möglich - nie widerholt.

 

 

 

liebe Güsse

ric

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