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„Höre mal Sohn, wir müssen nächstes Wochenende beide geschäftlich weg, und da du inzwischen alt genug bist, lassen wir dich diesmal allein zu Haus. Ist das für dich in Ordnung, oder müssen wir uns um eine Betreuung bemühen?“ Zwinkert Paps mir verschwörerisch zu.
Schlagartig hämmert mein Puls wie wild und Bilder von Bierströmen und hübschen Girls, die auf dem Tisch tanzen und ihren BH schwingen, fluten meinen Kopf. Es fällt mir wirklich schwer, ein betroffenes Gesicht aufzusetzen, weshalb ich vor dem Antworten sicherheitshalber den Kopf senke, damit Mama keinen Verdacht schöpft. „Passt schon, aber lasst ihr mir eure Adressen und Unterkunftskontakte da, falls ich eure Hilfe brauche?“
„Sicher, mein Sohn, wir werden immer erreichbar für dich sein, wenn Not am Mann ist. Verpflegungsgeld bekommst du auch, da deine Mutter keine Zeit hat, vorzukochen!“
Mein Herzschlag ist kurz vorm Explodieren.

Die Einkaufsliste ist schnell erstellt. Sekt und Bohle für die Mädels, Bier für die Jungs, Brot und Dips für die, die unbedingt etwas essen müssen, dazu Knabbereien. Thats it!
Die Einladungsliste ist aufwendiger, da ich genau abwägen muss, wer zueinander passt, um garantiert eine gute Stimmung aufkommen lassen. Spaßbremsen und Zicken müssen zu Hause vor dem Fernseher bleiben. Tom ist ein Angeber und Fred sucht nur Streit, wenn er was getrunken hat, die fallen schon mal raus aus der Einladungsliste. Das wird beim Fußballtraining nächste Woche bestimmt den ein oder andern blauen Fleck zusätzlich geben, wenn sie erfahren, dass sie nicht von mir eingeladen wurden. Scheiß drauf, als Mann muss man auch unangenehme Entscheidungen treffen.

Um Trixi tut es mir ein wenig leid, sie hat Riesen Dinger und ich weiß, dass sie auf mich steht, da dürfte ich bestimmt mal ran und wenn ich mir vorstelle, wie sie oben ohne auf dem Tisch abdanced, komme ich glatt in gesteigerte Lebensfreude. Leider ist sie nicht nur hübsch und körperlich optimal ausgestattet, sondern auch doppelt so arrogant und deshalb bei den anderen Mädels sehr unbeliebt, da ist Zoff vorprogrammiert. Klaus würde mir jetzt einen Vogel zeigen, wie ich nur so blöd sein kann, solche Überlegungen anzustellen. Aber er weiß ja auch nicht, dass ich bis über beide Ohren in Iris verknallt bin. Was für ein Mädel! Sie ist sicher nicht die attraktivste, aber hübsch anzusehen, und wenn sie mit ihren Grübchen lächelt, schmelze ich dahin, wie ein Kater vor der Thunfischdose.

Leider ist sie sehr schüchtern und die Wahrscheinlichkeit, sie auf dem Tisch tanzen zu sehen, geht in den Minusbereich, aber genau das macht sie für mich zu meiner Wahl. Mit schnellen Eroberungen bin ich langsam durch und es wird Zeit, das Herz und nicht die Hose entscheiden zu lassen. Sie einzuladen ist ein Risiko, aber wenn ich es zurückhaltend angehe, könnte ich ihr vielleicht einmal beim Tanzen näherkommen, als sie nur unentwegt anzuhimmeln. Bei dem Gedanken drifte ich in Träumereien ab und kurz bevor ich sie zärtlich küsse, reißt mich das Telefon aus meinem Tagtraum. Zum Glück ist es nicht für mich und so kann ich mich dem schwierigsten Thema zuwenden, der Songliste.

Bei den ersten Überlegungen fällt mir auf, dass ich meine Einladungsliste doch noch mal anpassen muss. Freiform fällt raus, der ist zwar nett und lustig, will aber immer nur Heavy Metal hören, sonst sitzt der wie ein Trauerklos in der Ecke und schüttet sich schlecht gelaunt ein Bier nach dem anderen hinter die Binde und trägt somit ganz sicher nichts zu einer ausgelassenen Stimmung bei. Wie jemand nur so unangepasst sein kann, wenn es um Musik geht, dabei ist er sonst recht beliebt, trotz seines extremen Musikgeschmacks.
Auf Bibi muss ich auch verzichten, zwar eine Stimmungskanone, aber die wird mich den ganzen Abend belabern, ich will jetzt dies hören und gleich das leg doch mal das auf. Furchtbar, da dreh ich spätestens nach zwei Stunden am Rad und ich will mich ja um Iris kümmern. Ihre Lieblingslieder habe ich bereits alle dezent und unauffällig in die Playlist eingewoben. Sie mag auch gern träumerische Musik, die zum engen Tanzen einlädt. Nur der Zeitpunkt, ab wann man diese Lieder spielt, ist sehr schwierig zu bestimmen und muss spontan nach der Stimmung der Party bestimmt werden.

Ein guter DJ startet zwar auch mit einer Setlist in die Nacht, aber er muss flexibel auf die Stimmung reagieren, um zur richtigen Zeit die richtigen Lieder zu bringen, sonst sieht man garantiert keine Unterwäsche durch die Gegend fliegen. Die ersten Songs sind die wichtigsten und müssen so gewählt sein, dass sie möglichst allen gefallen, damit niemand ein langes Gesicht zieht. Wenn der Alkohol dann langsam wirkt, legt man flotte eingängige Nummern auf, um das Adrenalin hochzufahren. Eine halbe Nacht habe ich mit der Liste verbracht und falle erschöpft ins Bett, ohne schlafen zu können, weil Iris mich wieder besucht und ihre warme Stimme in meinem Kopf hallt. Ich kann einfach nicht aufhören, sie mir vorzustellen, bis mich endlich die Müdigkeit übermannt und ich in einen kurzen, aber tiefen Schlaf falle.

Ich liege bis mittags im Bett, bevor ich alle Listen noch einmal penibel durchgehe. Zufrieden nehme ich das Handy, um alle Gäste anzurufen, Iris hebe ich mir bis zuletzt auf. Sie kann ich nicht einfach anrufen, dafür brauche ich den richtigen Zeitpunkt und muss hellwach sein. Vor allem muss ich sicher sein, dass Thea kommt, denn wenn Thea kommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Iris kommt, um
75 % gestiegen. Ein seltsames Gespann, die beiden Freundinnen, die eine kann die Bluse nicht schnell genug loswerden, während die andere, zugeknöpft bis über beide Ohren ist. Zu meinem Glück habe ich nie etwas bei Thea versucht, sonst könnte ich mir Iris direkt aus dem Kopf schlagen. Aber Thea ist eine Tür zu Iris Herzen und so habe ich mich in den letzten Wochen gut bei ihr gestellt und versucht, über sie herauszufinden, wie Iris zu mir steht. Sie mag mich zumindest, und allein das lässt mich wieder vom Olymp der Liebe träumen.

Ich kann meinen Erfolg kaum fassen, als alle bevorzugten Wunschgäste inklusive Thea, ohne zu zögern zusagen und ich nicht auf die zweite Wahl zurückgreifen muss. Nur Iris fehlt noch und allein der Gedanke, ihre Nummer wählen zu müssen, verschafft mir eine unerwartete Übelkeit. Erst jetzt begreife ich, wie es wirklich um mich steht. Es wird Ernst, und dieser Ernst lässt mein Selbstvertrauen in sich zusammensacken, wie ein nicht aufgegangener Hefeteig. Mir ist speiübel und ich kann mir noch sooft einreden, dass es daran liegt, weil ich seit gestern Abend nichts mehr zu mir genommen habe, aber die Wahrheit ist eine andere. Trotzdem eile ich in die Küche, um mir ein paar Cornflakes zu machen. Die gehen immer, auch wenn ich drei Nächte durchgesoffen habe. Während ich langsam Löffel für Löffel zu mir nehme, betrachte ich Iris Fotos, die ich in den letzten Wochen möglichst unauffällig geschossen habe. Sie ist zwar immer nur im Hintergrund zu sehen, weil ich hinterhältig im Vordergrund meine Kumpels postiert habe, aber immer noch besser als nichts und mein Zoom lässt mit jeder Vergrößerungsstufe das Objekt meiner Begierde wunderbarer erscheinen.

Das beruhigt mich sichtlich, löst aber nicht das Problem des noch ausstehenden Anrufs. Ich beschließe, den Anruf als Text vorzuschreiben, ich kann eigentlich frei herausreden, aber nicht, wenn ich jemanden ansprechen muss, an dem mir wirklich etwas liegt. Dann fange ich schnell an zu holpern und mit jedem Holperer wird es schlimmer. Das darf diesmal unter keinen Umständen passieren.
„Hallo Iris.“ Beginne ich zu schreiben, um dann in eine lange, sehr lange Gedankenpause zu verfallen, bevor ich den zweiten Satz formuliere. „Ich weiß nicht, ob du es vielleicht schon von Thea gehört hast, aber ich schmeiße nächste Woche eine kleine Party, da ich sturmfreie Bude habe, und wollte dich fragen, ob du Lust hast zu kommen. Es wird nichts Großes, nur der engste Kreis, ein wenig Musik hören, etwas zusammen trinken, einfach eine gute und unbeschwerte Zeit miteinander verbringen.“ Die Ansprache war sicher weit weg von originell, aber es sollte unverfänglich klingen und mit dem engsten Kreis wollte ich ihr eine subtile Botschaft überbringen.

Die nächste Stunde verbrachte ich damit, mir ihre Antworten vorzustellen, bevor ich auch nur in die Nähe kam, ihre Nummer ernsthaft wählen zu wollen. Wenn mein Daumen auch nur kurz die Bildschirmtastatur berührte, zuckte er panisch wieder zurück, als wenn der Handybildschirm eine heiße Herdplatte wäre. Die Zeit drängte langsam und die Übelkeit stieg mit jeder Minute wieder an. Thea hatte bestimmt schon mir Iris gesprochen und wenn der Zeitraum zu groß zwischen den Einladungen von Thea und Iris wäre, könnte das bei Iris im Unterbewusstsein den Gedanken pflanzen, das ich sie nur wegen Thea mit einladen würde, dabei war es ja genau umgekehrt. Ich änderte auf meinem Spickzettel noch schnell etwas ab. „Sorry, dass ich mich jetzt erst melde, aber meine Eltern waren zugegen und die sollten nicht mitkriegen, dass ich nächste Woche eine Party schmeißen möchte, wenn sie unterwegs sind.“ Der Kniff verschafft mir zwar etwas Zeit, löst aber nicht mein Problem.

Ich beschloss, erst einmal eine kalte Dusche zu nehmen, um runter zu kommen und mich zu sammeln. Das eiskalte Wasser verfehlte seine Wirkung nicht, es stählte nicht nur mein Körperliches befinden, sondern weckte auch mein mir angeborenes Selbstvertrauen, wieder in der Lage zu sein, jemanden anzurufen, den ich offensichtlich liebte, wenn diese Erkenntnis auch noch sehr frisch und unverarbeitet war. Aus unvollständigste abgetrocknet, schlüpfte ich in die Joggingklamotten und mit noch nassen Haaren wählte ich ihre Nummer.
„Hallo Iris! Sorry….“ Legte ich unhöflicherweise und ohne Pause los, noch bevor sie ein Piep von sich geben konnte. Ich las von meinem Spickzettel ab und jeder, der mich besser kannte, hätte sicher sofort bemerkt, wie aufgeregt ich war. Ich fühlte mich kurz erleichtert, als ich endete, doch als vom Ende der Leitung keine Antwort kam, schossen mir unzählige Gedanken durch mein Hirn und die Unsicherheit eroberte sich Millisekunde für Millisekunde wieder mein Bewusstsein. Ich wollte gerade nachfragen, ob sie noch dran ist, als sie mit unverkennbarer, aber erfreuter Aufgeregtheit in den Hörer stammelte „Sicher, ich komme sehr gerne!“

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