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Geschrieben am

Als Reitpferd trab ich durch den Wind
der Nacht und trage Herr und Kind
zu dunklen Häusern, schwachem Glimmen.
Am Wegesrand sind Geisterstimmen.

Ein König schwebt ins Nebelland,
zeigt eine Beule im Gewand
und spricht erregt und winkt dem Knaben.
Er will den Kleinen bei sich haben.

Der Knabe, ängstlich, redet nicht,
verbirgt, so scheint mir, sein Gesicht.
Doch soll das Kind wohl nichts begreifen.
Der Vater spricht von Nebelstreifen.

Der König grinst aus dem Gebüsch
und schimmert wie ein nackter Fisch.   
Er säuselt immerfort:  „Zum Lohne
bekommst du, Schätzchen, auch die Krone.“ 

Das Kind bestürmt den Vater jetzt:
„Ein Erlenkönig!“, und entsetzt 
vibriert die Stimme. Doch sein Retter
sagt unbedarft: „Es rascheln Blätter.“

Ganz dicht bei mir, schon vor dem Huf,
erscheint der Geile, lockt sein Ruf:
„Auch meine Mutter will dich wiegen,
und bei den Töchtern darfst du liegen!“

Das Kind ruft völlig außer sich:
„Dort tanzen sie, beschütze mich!“
Der Vater tröstet nochmals lau:
„Mein Sohn, die Weide biegt sich grau.“

Der Lüsterne verliert den Halt
und nimmt den Knaben mit Gewalt.
Ein weher Schrei, ein kleines Wanken  -
Dann spür ich Sporen in den Flanken.

Ich jag dahin, halt irgendwann
erschöpft in einem Hofe an. 
Mein Herr steigt ab, und sieht ein wenig
so aus wie der verliebte König.

Und wird zum Bettler durch die Not,
auf der er ritt… Sein Kind ist tot…


(nach Goethes Ballade)

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  • wow... 7
Geschrieben (bearbeitet)

Da gilt es nur staunend den Hut ziehen. Auch wenn diese modernisierte Form des Erlkönigs ebenso für das Synonym des Eintauchens in das entwicklungstechnisch angedeutete Kindheitsende viel offensichtlicher aufgezeigt wird, ist deine Wortwahl und das Bleiben im zeilenfortschreitenden Ursprungstext genial. Ein "wow" ist wohl die einzige Antwort darauf.

Sehr gerne zwei Mal gelesen.

Sonja

Geschrieben

Auch ich bin sehr angetan und schließe mich in Bezug auf den gelungenen Übertrag des Vorbildes auf die Moderne meinen Vorrednern an. Mich beschäftigt der Schluss, in dem der Vater dem König ähnelt, sehr - vor dem Hintergrund aktueller Grausamkeiten wie in Bergisch-Gladbach oder Münster aufgedeckt. Gehe deshalb mit einem flauem Gefühl aus dem Text...

Geschrieben

Danke, liebe Sonja, liebe Darkjuls, liebe Nina, lieber Bote_n_stoff und lieber Skalde

für eure wunderbaren Kommentare.

 

Das Pferd könnte der Trieb sein und der Vater zwei Gesichter haben, die nach der Tat zu einem werden.

 

Liebe Grüße von gummibaum

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