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Ich öffnete die Glastür und betrat den dunklen Flur des Gebäudes. Es herrschte Stille um mich herum. Nur meine Schritte hallten an den kalten Wänden wieder. Vorbei an etlichen Türen sah ich die Aufschrift und lauschte kurz. Gedämpfte Geräusche drangen nach außen.

„Zimmer Nr.103… seufz, ok… los geht’s…“

Als ich das Zimmer betrat, blickte mich ein Gruppenkreis auf Stühlen an. Einer von ihnen hielt ein Clipboard und Stift in den Händen. Er sprach mich an.

„Ah, Du musst Joshua sein! Bitte! Setz dich doch.“, er wies mir einen freien Stuhl mitten im Reigen zu. Verlegen nahm ich Platz.

Er beendete seine letzten Sätze zum Kreis und forderte mich auf, mich den anderen vorzustellen. Ich erhob mich und rieb meine Hände nervös aneinander.

„Also…. Ich bin Josh.“

„Hallo Josh!“, kam es im Chor zurück.

„Also… ich habe gemerkt… das ich…“

Der Gruppenleiter sah mir Mut machend in die Augen und nickte.

„Also… ich bin… vulgär.“

Verständnisvolles nicken der Anderen.

„Bitte nimm Platz. Möchtest du uns vielleicht erzählen wie dir das aufgefallen ist?“

Ich schnaufte tief durch, die Ellenbögen auf den Schenkeln gestützt.

„Na ja…. So Kleinigkeiten waren schon immer da. Aber ich hab das nie so richtig wahrgenommen. Wenn ich Fahrrad fuhr, zum Beispiel, und jemand stand mir im Weg, oder der Fahrer vor mir war zu langsam, da kamen so manchmal Sachen aus meinem Mund gebrüllt wie: „HEY DU BLÖDES ARSCHLOCH! SCHNELLER OPI! BIST DU EINGESCHLAFEN AUF DEINEM RAD! Na ja, solche Sachen eben.“

Vertrautes Nicken in der Gruppe. Der Leiter schob seine runden Gläser zurecht.

„Bitte erzähl doch mehr.“

„Als ich… meine erste Freundin kennenlerne, da wurde es schon etwas offensichtlicher. Also ich stand da vor ihr und wollte eigentlich sagen: „Du hast so traumhaft schöne Augen, wie Smaragde.“ Aber was ich stattdessen sagte war: „EYYY! HASTE BOCK ZU FICKEN!?“

„Verstehe. Und was hat sie geantwortet?“

„Sie hat nur zurück gebrüllt: „VERPISS DICH DU ARSCHLOCH!“ Das war eine Fot… ich meine Weib. Eine waschechte Irin mit Feuer in der Kehle… und den Fäusten. Wir kamen dann doch irgendwie zusammen. Das war eine schöne Zeit. Wir beide in den vollen Fußballrängen. Keiner konnte so laut grölen wie sie. Einmal wollte uns die Security sogar aus dem Stadion werfen. Aber sie hat sich allein mit beiden Geprügelt. Einem hatte sie sogar die Nase gebrochen. Ja das waren schöne Zeiten. Erst als sie dann im Gefängnis war, da wurde mir schlagartig klar… so kann es einfach nicht mehr weitergehen. Die Leute um mich herum wendeten sich einer nach dem anderen ab. Schließlich, hatte ich sie allesamt vergrault. Ich wusste, es war ein Punkt erreicht, wo ich mich ändern musste. Und hier bin ich nun.“

„Und das war der richtige Schritt. Es gibt einen Ausstieg! Man kann sich immer ändern, zu jeder Zeit!“

Ein Teilnehmer erhob sich von seinem Stuhl.

„Tschuldigung, ich muss mal Pissen, äh ich meine ins Scheißhaus… ich meine auf die Toilette. Ich hab aber den Weg vergessen. Das verfickte Drecksgebäude ist so beschissen verwinkelt, sorry.“

„Kein Problem Teddy. Durch die Tür, links, geradeaus, zweiter Flur rechts.“

Der Mann mit seinen tief hängenden Hosen und losen Schnürsenkeln verschwand aus dem Raum.

Ich seufzte und fragte mich… wie oft ich die schwule Gruppenhilfe wohl in Anspruch nehmen musste, bis erste Erfolge zu sehen waren. Man ey… ich hätte jetzt voll Bock auf Döner und Tittenglotzen…

 

 

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