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Der trauernde Witwer im November


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Was ist geschehn mit deinen einstmals feuerroten Haaren?
Ich sehe nur noch graue Zotteln dein Gesicht umrahmen -
und dein Gesicht mit eingefallner, früher voller Wange,
wie reizend war es anzuschaun, bevor die Maden kamen
und alle Lieblichkeit zerfraßen in den letzten Jahren -
die Exhumierung, lieber Schatz, sie macht mir Angst und Bange!

 

Die volle Brust hat Bruder Hein genüsslich weggefressen,
verblichen ist dein Totenhemd, worunter deine Hüfte
mit geilem Schwung das wilde Tier in Männern vorgelockt,
statt Wolken von Chanel verbreitest du jetzt üble Lüfte;
nun frage ich: „Warum war ich einst so von dir besessen?“
Ich fall fast um, weil mir das Blut gerinnt, der Atem stockt.

 

Dein Tod - ein Irrtum war der Grund - du hast nicht viel gelitten,
erinnre dich, auch wenns dir schwer fällt mit dem Matsch im Schädel,
wir hatten über deine Mitgift tagelang gestritten
und ich verstand: "Mit Gift" in Eckes Kirsch der Sorte „Edel“
begehrtest du dem schnöden Mammon gänzlich zu entsagen.
Gelingt der Kripo der Beweis, dann gehts mir an den Kragen.

 

Ich habe oft dein Grab besucht und goss mit heißen Tränen
die Blumen, die ich ausgesucht und mich an dich gemahnen;
den Grabesschmuck hab ich bezahlt mit Gold aus deinen Zähnen.
Du schweigst für immer, sitzt verstimmt im Kreise deiner Ahnen
und sinnst als flügellahmes Engelein auf blutge Rache;
ich beiße mir die Lippe wund und dreh mich um - und lache.

meine Birne lacht.jpg

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Lieber CB90,

keine Bange, bei dem Gedicht kann es keine Missverständnisse geben. Bei der Exhumierung wurde übrigens festgestellt, dass die Leiche auf dem Bauch lag. Die polizeiliche Vernehmung ergab, dass der Witwer als Grund für die falsche Lage angab, dass die Ermordete, würde sie wider Erwarten noch mal wach, in die falsche Richtung grübe.

Liebe Grüße,

Hayk

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Was für eine scheinheilige Trauer!

Vergiftet die schöne Frau, um an die Mitgift zu kommen, bricht ihr die Goldkronen raus, um vom Erlös den Grabschmuck zu bezahlen, weint vor der Öffentlichkeit und lacht insgeheim schadenfroh.

 

Eine schaurig-schöne Ansprache an die verwesende Leiche mit gediegenen Reimschema.

 

Sehr gern gelesen, lieber Hayk.

 

Grüße von gummibaum 

 

   

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