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An Tagen wie diesen


Meyer liebte ordentliche Planung. Weil gute Vorbereitung mehr als die halbe Miete war, hatte er sich heute extra schick gemacht. Hemden standen ihm gut, führten oft zu anerkennden Kommentaren der Kollegen. Und so was nimmt man nicht nur an Tagen wie diesen gerne mit. Man ist ja auch nur Mensch mit ganz normalen Bedürfnissen. Zum Hemd ordentliche Schuhe, schwarze Socken und eine dunkle Jeans. Keine Krawatte und natürlich ohne Sakko. Schließlich wollte es Meyer, der sehr wohl um seine Wirkung auf Mitmenschen wusste, nicht übertreiben.                                                                                                                                                

Eine Weihnachtsfeier im Betrieb war immerhin keine Hochzeit. Klar, man erschien natürlich nicht im Blaumann. Andererseits konnte für eine gemütliche Feier nichts schlimmer sein, als den Gästen den Eindruck zu vermitteln, dass es sich um eine förmliche Angelegenheit handele. Dass man nicht aus sich heraus gehen dürfe. Dass man keinen Spaß haben könne, weil es hinterher abschätzige Blicke der Kollegen oder - noch schlimmer! - vom Chef gab.                                                                                                                                                             

Man wollte ja schließlich noch etwas werden im Betrieb. Dann blieben die Gäste nicht länger, als es der Anstand verlangte. Gerade etwas Essen, Nachtisch, zwei Glas alkoholfreie Bier. Danke für die nette Feier, müssen wir unbedingt wiederholen, leider muss ich morgen so früh aufstehen. Leider gehen auch Tage wie diese zu Ende. Ich wäre gerne länger geblieben, aber meine letzte Mitfahrgelegenheit muss jetzt los.     

Wie jedes Jahr hielt Meyer zu Beginn eine kurzweilige Ansprache. Gut vorbereitet. Launig. Wie immer. Gelächter. Prost. Business as usual.                        

Heute nachmittag hatte ihn seine Frau verlassen. Kurze Absprache. Tut mir leid, aber meine letzte Mitfahrgelegenheit ins Leben muss jetzt los. Betretenes Schweigen. Ich kann hier nicht mehr aus mir herausgehen, das Leben macht so keinen Spaß. Alles Gute und noch viel Glück. Tschüß!           

Nach der Rede setzte sich Meyer. Beobachtete sich selbst durch den Schleier der Absurdität. Wie er mechanisch den Ansprüchen genügte. Sah sich funktionieren wie einen Roboter und saß gleichzeitig daneben wie ein Untoter. Noch ein Glas Bier. Prost. Ja, nett heute Abend - dabei bekräftigend, aber nicht übertrieben, nicken. Müssten wir wirklich öfter machen - daran denken, dass "wirklich" zu betonen. Na gut, einen trinken wir noch - ironisch-tadelndes Lächeln, dass es dabei nicht bleiben wird, obwohl es besser wäre.

Seine Mitfahrgelegenheit war nicht unter Zeitdruck und auch Meyer zog an diesem Tag nichts zurück ins Leben nach dieser absurden Weihnachtsfeier. Hoch die Tassen. So jung kommen wir nicht mehr zusammen.      

Nachdem der Chef aber der Sekretärin erfolgreich das "Du" angeboten und Kollege Florian nahezu unbemerkt von anderen Blicken seine Vorgesetzte betascht hatte, wurde ihm ein wenig übel. "Können wir?", stammelte er mit glasigen Augen. "Na klar", antwortete sein Kollege. Als sie im Auto saßen, schlug er ihm feixend die Hand auf die Schulter. Es war wohl witzig gemeint. "Findest du noch den Weg nach Hause?"  

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